Wochenrückblick KW4Von Datentigern, Pornovillen und Keksen

Diese Woche war geprägt von neuen und alten Datenfressern. Des Weiteren ging es um einen zwielichtigen Anwalt, eine abgebrannte Villa eines Pornomoguls und den verschwundenen Dislikes auf Youtube.

Tigerbaby
Am 1. Februar beginnt das chinesische Jahr des Tigers. Süß! CC-BY-ND 2.0 Tambako The Jaguar

Was haben Hessen, Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein gemeinsam? Alle wollen Luca nicht weiter zur Kontaktverfolgung nutzen. Zusammen mit anderen Bundesländern haben sie die Verträge gekündigt. Viele bleiben jetzt nicht mehr übrig. Ob das einen spürbaren Effekt auf die Pandemiebekämpfung hat? Die meisten haben Luca kaum noch genutzt – also eher unwahrscheinlich.

Ein harter Schlag für die Übersicht im Pandemiegeschehen ist die neue Test-Strategie. Kostenlose PCR-Tests sollen eingeschränkt werden können, etwa bei roter Warnung in der Corona-Warn-App. Der Grund: mangelnde Kapazitäten bei den Laboren.

Daten haben ist besser als brauchen

Dem würden wir einen Daumen nach unten geben, wenn wir denn könnten. Aber was bringt so ein Dislike überhaupt? Über Sinn und Unsinn dieses Bewertungssystems und von Sternchenrankings und Co. gibt es zwar Studien. Aber so viele Daten wie die Plattformriesen Google und Facebook haben die Forschenden nicht. Solange die Konzerne ihre Daten nicht freigeben, tappen wir im Dunklen.

Immerhin sollen Forschende die Daten der Plattformen laut Digitale-Dienste-Gesetz künftig einfacher erhalten. Aber wer ist eigentlich alles Forscher:in? Auch die NATO würde da gern mitspielen, hat Alexander Fanta recherchiert.

Zu den klassischen Datengroßabnehmern zählen auch die US-Geheimdienste. Ein Gutachten für die Datenschutzkonferenz von Bund und Ländern verdeutlicht, dass das europäische Datenschutzrecht nur bedingt vorm Informationshunger der Behörden schützt. Selbst wenn die Server von Anbietern in der EU stehen, können sensible Daten gefährdet sein.

Daten(sammler) wieder loswerden

Das wissen wir ja alle: Sind Sachen einmal im Netz, kriegt man sie nicht so schnell wieder weg. Das Problem hat auch ein australischer Anwalt, der mal in einem Bericht mit einem Mordfall erwähnt wurde. Die Anklage gegen ihn wurde zurückgenommen, der Artikel jedoch nicht aktualisiert. Weil Google den Artikel verlinkt hat, verklagte der Anwalt den Konzern. Indem er recht erhielt, löste er ein gewaltiges Problem für Google aus: Der Konzern müsste bald in erheblichem Maße Verlinkungen aus den Suchergebnissen streichen, sollte er in seiner Berufung scheitern.

Im Zusammenhang mit seiner Datenernte geht auch das Unternehmen Clearview AI vor Gericht. Die Gesichtserkennungsfirma wehrt sich gegen die Auflagen kanadischer Datenschutzbehörden, ihren Dienst in dem Land einzustellen und die Fotos kanadischer Bürger:innen aus ihrer Datenbank zu löschen. Eines der Argumente: Das ginge gar nicht.

Über eine große Datenhalde verfügt auch die EU-Polizeiagentur Europol. Die speichert jahrelang Informationen zu Opfern und Zeug:innen von Straftaten – ohne dass dies erlaubt war. Ein neues Gesetz soll das legalisieren. Die vorher gesammelten Informationen sollten eigentlich gelöscht werden. Für diese werkelt Europol allerdings gerade an einer Hintertür.

Auch unser Verfassungsschutz speichert eine Menge Daten. Allerdings möchte er diese im Falle der Aktionskünstler:innen des Peng-Kollektivs nicht herausgeben: Vereine hätten kein Recht auf Selbstauskunft. Daher bereitet Peng nun eine Klage vor.

Mit Löschen scheinen es die Behörden scheinbar wirklich nicht so zu haben – nicht mal dann, wenn es um ernste Themen geht. Bisher können Bilder von Kindesmissbrauchsdarstellungen oft ungestört im Darknet verbreitet werden. Das BKA sowie andere Strafverfolgungsbehörden gehen bislang nicht systematisch gegen die Darknet-Foren vor. Ziel sei es vielmehr die Täter:innen zu fassen, denn es gelte das Prinzip „Einmal im Netz, immer im Netz“. In einem Gastbeitrag haben Robert Bongen und Daniel Moßbrucker analysiert, ob sich das tatsächlich ausschließt. (Der Text ist auch auf Englisch verfügbar.)

Kekse oder keine Kekse?

Verbände der Presseverlage und der Werbeindustrie haben eine Wettbewerbsbeschwerde gegen Google eingereicht, denn das Unternehmen will Third-Party-Cookies im Chrome-Browser blockieren. Die Verlage sehen ihr Werbegeschäft in Gefahr. Anstelle von Cookies schlug Google ein Konzept mit der Abkürzung FLoC vor. Damit sollten Nutzer:innen in „Kohorten“ eingeteilt werden und auf dieser Basis zielgerichtet Werbung angezeigt bekommen. Aber auch das ist wieder passé, Google machte einen Rückschwenker und will nun auf „Topics“ setzen, also Interessengruppen.

Die Deutsche Presseagentur kuratiert ab April für Facebook deutsche Nachrichten. Das soll mehr Qualität und weniger Desinformation bringen, ist aber ein Problem, kommentiert Alexander Fanta. Denn dadurch entsteht eine enge wirtschaftliche Verbindung zwischen zwei Konzernen, die Gatekeeper für Medien sind.

Facebook muss außerdem zwei Kläger:innen die Verwendung eines Pseudonyms erlauben und ihre Accounts wiederherstellen. Das hat der Bundesgerichtshof entschieden. Aber zu früh gefreut – die Rechtsprechung gilt nur für die Fälle vor Mai 2018. Alle späteren Fälle fallen unter die neuere EU-Datenschutzgrundversorgung, in welcher das Recht auf die Nutzung eines Pseudonyms nicht formuliert ist.

Nicht nur in Deutschland ist die Macht von Facebook und Co. ein Dauerbrenner. Auch in den USA steht das Thema wieder auf der Gesetzgebungstagesordnung. Ein Vorschlag gegen die Bevorzugung eigener Produkte der großen Digitalkonzerne hat im US-Senat eine wichtige Hürde genommen. Wir sind gespannt, wie es mit dem American Innovation and Choice Online Act weitergeht.

Thematischer Gemischtwarenladen

Die Bundesregierung hat sich auf die Fahne geschrieben, unsere Digitale Souveränität zu fördern. Ihr zufolge sollen wir dadurch unabhängiger und selbstbestimmter werden. Allerdings ergibt sich bei näherer Betrachtung des staatlichen Vorzeigeprojekts, dass in erster Linie nur Verwaltung und Wirtschaft ins Auge gefasst werden.

Klingt technisch und speziell, könnte aber große Wirkung haben: Die EU-Kommission möchte einen eigenen europäischen DNS-Resolver aufbauen. Das kann auf der einen Seite helfen, unabhängiger von Konzern-eigenen DNS-Servern zu werden – denn die DNS-Verzeichnisse sind so was wie die Adressbücher des Internets. Auf der anderen Seite sind damit leichter Netzsperren auf EU-Ebene möglich. Und das klingt gar nicht gut.

Gar nicht gut sind traditionellerweise auch die Nachrichten im Fall Julian Assange. Doch nun kann der Wikileaks-Gründer seinen Auslieferungsfall dem Obersten Gerichtshof des Vereinigten Königreichs vorlegen. Das ist immerhin ein Teilerfolg. Aufatmen ist dennoch noch lange nicht angesagt.

Sachsen gehört zu den letzten Ländern, in denen Bürger:innen keinen generellen Auskunftsanspruch gegenüber dem Staat haben. Das soll sich jetzt ändern, ein Transparenzgesetz soll her. Doch der Entwurf enttäuscht, findet FragDenStaat. Die Grünen wollen im parlamentarischen Verfahren nachbessern.

Apropos Transparenz; die EU-Kommission weigert sich weiterhin die Handy-Nachrichten von Ursula von der Leyen zum Milliardendeal mit Pfizer herauszugeben. Nun bestätigt die zuständige Ombudsfrau, dass das so nicht in Ordnung ist. Eine abgeschmetterte Abfrage von netzpolitik.org soll die EU-Kommission noch mal prüfen.

Die Tipps zum Wochenende

True-Crime-Formate sind ja gerade total angesagt. Keine Sorge, wir steigen da jetzt nicht mit ein, wollen euch aber dennoch den Krimi um die abgebrannte Villa des Pornhub-Chefs empfehlen, den Sebastian Meineck nachgezeichnet hat. In den Hauptrollen: Pornhub-Chef Feras Antoon und fundamentale Porno-Gegner:innen.

Und wer zu gute Laune hat, hört sich unseren Podcast mit dem Titel „Es ist alles kaputt“ an. Der ist eine netzpolitische Zwischenbilanz zum Jahresbeginn in drei Gesprächen. Aber keine Sorge: Es ist nicht alles schlecht und wir arbeiten mit daran, dass es besser wird. Aber erstmal: Wochenende und Kräfte tanken!

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2 Ergänzungen

  1. Hintergrund:
    https://netzpolitik.org/2021/in-eigener-sache-it-sicherheitsvorfall-bei-netzpolitik-org-am-samstag/#comments

    Anlass:
    >> Markus Reuter sagt:
    9. November 2021 um 16:43 Uhr

    Lieber Florian,

    wir werden selbstverständlich so schnell wie möglich transparent machen, was genau passiert ist. Wir können das leider derzeit noch nicht tun. Bitte habe Verständnis dafür. Wir haben selbst ein großes Interesse daran, Euch allen so genau und so schnell wie nur möglich den Vorfall transparent zu machen.
    >>

    Mit freundlicher Bitte um Erledigung

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.