Warnung von EuropolRechtsextreme besorgen sich Waffen aus 3D-Druckern

Erneut wurde ein Rechter wegen Sprengmitteln und selbstgedruckten Waffen verhaftet, diesmal in der Slowakei. Vor drei Wochen trafen sich Ermittler:innen zu dem Phänomen in Den Haag.

Im Hintergrund eine Präsentation zu gedruckten feuerwaffen, im Vordergrund eine Maschinenpistole.
Konferenz „Printing Insecurity“ bei Europol in Den Haag. Europol

Zusammen mit ausländischen Polizeien und Geheimdiensten haben Beamt:innen in der Slowakei einen Rechtsextremisten festgenommen, der Anleitungen zur Herstellung von Explosivstoffen und zum 3D-Selbstdruck von Waffen verteilt haben soll. Der Mann wird als gefährlich bezeichnet, derzeit befindet er sich in Untersuchungshaft und wartet auf das weitere Verfahren.

Neben der slowakischen Polizei und Kriminalpolizei war auch der Militärgeheimdienst des Landes an den Ermittlungen beteiligt. Weil es sich um grenzüberschreitende Straftaten im Bereich der organisierten Kriminalität handelt, hat auch die tschechische Polizei daran mitgearbeitet.

Razzien erfolgten daraufhin am 11. Mai in der Slowakei und am 23. Mai in Tschechien. Dabei entdeckten die Strafverfolger:innen nach eigenen Angaben einen „hochentwickelten 3D-Drucker“ und elektronische Geräte, die derzeit untersucht werden.

„Kalte Waffen“

3D-gedruckte Waffen werden von der Polizei als „improvisierte kalte Waffen“ oder „Geisterwaffen“ bezeichnet. Häufig werden sie nicht komplett, sondern in Kombination mit selbst hergestellten Metallteilen und druckbaren Teilen zusammengebaut. Einige dieser Komponenten können in Ländern erworben werden, in denen ihr Verkauf erlaubt ist.

Neben Anleitungen für derartig gefertigte automatische Feuerwaffen soll der Verhaftete auch Vorlagen zur Herstellung von Sprengmitteln und Minen veröffentlicht haben.

Der Verdächtige soll in Verbindung mit weiteren Gruppen und Einzelpersonen stehen, die neonazistische und rechtsextreme Propaganda verbreiten. Er soll außerdem der supremistischen Bewegung angehören, die weiße Menschen als höherwertig ansieht. Die in Den Haag ansässige EU-Polizeiagentur Europol nennt dazu die sogenannte Siege-Bewegung. Dabei handelt es sich um eine faschistische Online-Gemeinschaft, die gleichzeitig „offline“ aktiv ist.

Task Force mit Europol

Die jüngsten Ermittlungen in der Slowakei wurden durch das US-FBI sowie Europol unterstützt. Die Polizeiagentur hat eine gemeinsame Task Force gestartet und zwei Experten in die Slowakei entsandt. Sie verfügen über den Zugang zu EU-Datenbanken und können auftauchende Informationen damit abgleichen.

Eurojust, die EU-Agentur für justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen, richtete eine Gemeinsame Ermittlungsgruppe mit der Slowakei und Tschechien ein. Sie soll die Sammlung von Beweisen erleichtern und die spätere Strafverfolgung sicherstellen.

Europol schreibt, der Verdächtige sei „im internationalen rechtsextremen Cyberspace bekannt“. Neben den Bauanleitungen soll er „extremistische Hassreden und terroristische Aktivitäten“ verbreitet haben. Dabei habe es sich um Vorschläge für Sabotageanschläge gehandelt.

Koordination aus Den Haag

Laut Europol habe der slowakische Militärnachrichtendienst den Verdächtigen „durch seine spezialisierten Aktivitäten“ entdeckt und anschließend eine Ermittlung der Strafverfolger angeregt. Die EU-Polizeiagentur beschreibt den Geheimdienst als „Partnerbehörde“.

Verschiedene Europol-Referate hätten zudem „operative Erkenntnisse“ analysiert, „operative Analysen“ geliefert und den Informationsaustausch erleichtert. Für geheimhaltungsbedürftige und grenzüberschreitende Austausche betreibt die Agentur das verschlüsselte SIENA-Netzwerk.

Auch die „operativen Tätigkeiten“ wurden aus Den Haag koordiniert. Europol habe außerdem technische Unterstützung bei der Analyse der beschlagnahmten elektronischen Geräte geleistet.

„Schärfung des Bewusstseins für Bedrohungslage“

Die Entwicklung von 3D-Drucktechnologie für die Herstellung von Feuerwaffen gilt als eine der großen Herausforderungen für die Strafverfolgung. Europol hat bereits 2015 in einem Bericht auf entsprechende Risiken hingewiesen. Diese Ausarbeitung widerspricht sich jedoch an einigen Stellen.

Trotz des großen Medieninteresses nach der Präsentation der ersten 3D-gedruckten Waffe im Mai 2013 hielt es die Agentur für „unwahrscheinlich, dass die 3D-Drucktechnologie zu einer wichtigen Quelle für die Verbreitung von Schusswaffen wird“. Dies liege an der technischen Komplexität der Herstellung mit einem 3D-Drucker und den relativ niedrigen Preisen von herkömmlichen Schusswaffen auf dem Schwarzmarkt in der EU.

Dennoch wird in dem Bericht vor der „Innovation hin zu selbstreplizierenden 3D-Druckern“ gewarnt. Dies könnte Gruppen der Organisierten Kriminalität neue Möglichkeiten bieten. Europol drang deshalb vor sieben Jahren auf eine „Schärfung des Bewusstseins für die aktuelle Bedrohungslage“. Dies betreffe auch die Verwendung des 3D-Drucks zur Herstellung von Explosivstoffen.

Konferenz bei Europol

Vor drei Wochen haben sich rund 120 Ermittler:innen, Ballistikexpert:innen, Forensiker:innen und „politische Entscheidungsträger“ zu einer internationalen Konferenz über die Bedrohung durch 3D-gedruckte Waffen bei Europol getroffen. Dort werden selbstgedruckte Waffen im Rahmen des Analyseprojekts „Waffen und Sprengstoffe“ behandelt. An diesen Analyseprojekten können sich EU-Mitgliedstaaten nach eigenem Ermessen beteiligen und dort Informationen teilen.

Unter Federführung der niederländischen Polizei wollen die EU-Mitgliedstaaten bei Europol ein Netzwerk von Spezialist:innen zu selbstgedruckten Feuerwaffen einrichten. Auf diese Weise sollen Erkenntnisse „der Strafverfolgungsbehörden, des Privatsektors und der Wissenschaft“ zusammengeführt werden.

In 16 Jahren mindestens 116 Menschen getötet

Die Verhaftung in der Slowakei belegt, dass 3D-Waffen das Phänomen gewaltbereiter, rechtsextremer Bewegungen in der Europäischen Union verschärfen. Die französische EU-Ratspräsidentschaft hat jüngst abermals davor gewarnt.

2019 benutzte der Attentäter in Halle eine teilweise mit einem 3D-Drucker selbstgebaute Waffe. 2021 legte die spanische Nationalpolizei auf den Kanarischen Inseln eine Werkstatt für 3D-gedruckte Waffen still, dabei wurde „weiße suprematistische Literatur“ gefunden. Im gleichen Jahr wurden in Großbritannien zwei Männer und eine Frau wegen Rechtsterrorismus festgenommen und wegen des Besitzes von Komponenten für 3D-gedruckte Waffen angeklagt.

Seit 2006 haben Rechtsextreme mehr als 31 Anschläge verübt, darunter elf mit Schusswaffen. Dabei sollen mindestens 116 Menschen getötet und 387 verletzt worden sein. Wie in der Siege-Bewegung, der der jüngst Verhaftete angehört, ist laut Europol in der rechtsextremen Szene die Vorstellung verbreitet, sich für einen „Rassen-Bürgerkrieg“ rüsten zu müssen.

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9 Ergänzungen

  1. Zitat: „Seit 2006 haben Rechtsextreme mehr als 31 Anschläge verübt, darunter elf mit Schusswaffen. Dabei sollen mindestens 116 Menschen getötet und 387 verletzt worden sein.“

    Dieser Satz am Ende eines Artikels, der sich mit Waffen aus 3D-Printern befasst, hinterlässt beim Leser den Eindruck, dass 116 Menschen durch 3D-Waffen getötet wurden und 387 Menschen verletzt wurden.

    Kann die Redaktion bitte klarstellen, ob diese Zahlen sich ausschließlich auf Delikte mit 3D-Waffen beziehen?

    1. Es handelt sich um eine Statistik ab 2006, die Schusswaffen im Allgemeinen darstellt. Ob es eine solche Übersicht auch für gedruckte Waffen gibt, entzieht sich meiner Kenntnis. Dürfte auch schwierig sein, da (wie im Text dargestellt) es oft nur um einzelne gedruckte Bauteile geht.
      Ich habe noch den Link zur Quelle der Zahlen eingebaut.

      1. „In der Polizeipraxis hat das Thema bislang keine Relevanz“, schrieb das Bundeskriminalamt Ende Juli 2018 in einer Antwort an netzpolitik.org. Die Behörde warnt vor unbedarften Experimenten mit Waffen aus dem 3D-Drucker: „Die Benutzung ist mit einer hohen Verletzungsgefahr für den Schützen behaftet, das heißt von den hergestellten Waffen oder Waffenteilen geht vor allem eine erhebliche Selbstgefährdung aus.“

        In Deutschland waren Juli 2018 den Behörden keine Fälle bekannt, in denen selbstgedruckte Waffen beschlagnahmt oder bei Straftaten verwendet wurden.

        1. Natürlich nicht. Es wird nicht einmal erfasst ob es sich um eine legale oder eine illegale Waffe handelt, bzw. um eine funktionsfähige Schusswaffe oder um Schreckschuss- oder Dekowaffen.

  2. Im 2. Weltkrieg warfen die Allierten Bauanleitungen für Sten Maschinenpistolen aus Flugzeugen ab. Zur Verwendung in Fahrradmanufakturen. Objektiv ersetzt der 3-Druck nur die Grundkenntnisse der Metallbearbeitung und die Werkzeugmaschinen aus dem Baumarkt.

    1. Es bedarf aber schon wesentlich weniger Fertigkeiten und Equipment, das ist ja der generelle grosse Vorteil von 3D-Drucken.

      Allerdings wird es noch etwas dauern, bis hochfester Druck allgemein verfuegbar ist.

      Und dann darf man nie vergessen, wie trivial eine sehr effziente Schuetzenmine, Nagelbombe oder EFP als IED zu konstruieren ist. Schusswaffen sind primaer ein grosses Problem, wenn es eine(n) ausgepraegte(n) Schusswaffenkult(ur) gibt.

      1. „Allerdings wird es noch etwas dauern, bis hochfester Druck allgemein verfuegbar ist.“

        Die für Lauf, Kammer und Verschluss benötigten Rohlinge werden sowieso nicht additiv gefertigt, sondern aus einem Stück gedreht und gefräst – wenn sie nicht direkt aus illegalen Quellen oder Altbeständen von Originalteilen kommen.

        1. Zum einen: wer das kann, kann ohnehin eine Schusswaffe bauen.

          Zum anderen: in Deutschland sind diese Teile einer Waffe gleichgestellt, kann man auch gleich eine illegale organisieren.

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