Rangliste der PressefreiheitJournalist:innen und Quellen zu wenig geschützt

Viele Faktoren können die Bedingungen für Medienschaffende beeinflussen: Restriktive Gesetze, mangelnde Auskunfsrechte, Gewalt auf Demonstrationen. In Deutschland hat sich die Situation laut einer Rangliste von Reporter ohne Grenzen erneut verschlechtert.

Weltkarte der Pressefreiheit
In weiten Teilen der Welt ist die Pressefreiheit stark unter Druck. – Alle Rechte vorbehalten Reporter ohne Grenzen

In der Rangliste der Pressefreiheit rutscht Deutschland weiter ab. In der jährlichen Liste der Organisation Reporter ohne Grenzen landet es mittlerweile auf Platz 16, im Vorjahr rangierte es noch drei Plätze höher. Die Gesamtsituation ist demnach nur noch „zufriedenstellend“.

Dass sich die Bedingungen für Medienschaffende hierzulande verschlechtern, hat nach Ansicht der Pressefreiheitsorganisation mehrere Gründe. „Eine Gesetzgebung, die Journalistinnen und Journalisten sowie ihre Quellen gefährdet, abnehmende Medienvielfalt sowie allen voran Gewalt bei Demonstrationen“ seien die zentralen Faktoren.

BND-Gesetz und Cybersicherheitsstrategie

Journalist:innen und ihre Hinweisgebenden seien in der Cybersicherheitsstrategie zu wenig geschützt. Die Strategie hatte die scheidende schwarz-rote Regierung noch kurz vor den Bundestagswahlen 2021 aktualisiert. Sie enthält Passagen, die die IT-Sicherheit aller schwächen könnten, etwa einen geforderten Zugang zu verschlüsselter Kommunikation.

Sorge bereite außerdem der Einsatz der Pegasus-Spähsoftware. Länderübergreifende Recherchen hatten enthüllt, dass Medienschaffende in mehreren Ländern mit dem Staatstrojaner ins Visier genommen worden waren. Später stellte sich heraus, dass auch deutsche Behörden über eine Version von Pegasus verfügen. Wen sie damit überwachen, ist bisher jedoch unbekannt.

Auch mit der Reform des BND-Gesetzes ist Reporter ohne Grenzen unzufrieden. Die Reform war nötig geworden, nachdem Journalist:innen mit Reporter ohne Grenzen und der Gesellschaft für Freiheitsrechte erfolgreich vor das Bundesverfassungsgericht gezogen waren. Das Gericht stellte fest, dass deutsche Behörden Pressefreiheit und Telekommunikationsgeheimnis weltweit achten müssen. Doch die gesetzgeberischen Nachbesserungen seien unzureichend.

„Der BND darf auch weiterhin massenhaft Kommunikation ausforschen, erhält sogar noch zusätzliche Hacking-Befugnisse und kann aussagekräftige Daten über Medienschaffende und ihre Kontakte ungehindert sammeln und an andere Nachrichtendienste weiterreichen“, kommentierte ROG-Geschäftsführer Christian Mihr damals.

Weitere Probleme in Deutschland gebe es etwa mit einschüchternden Klagen gegen Berichterstattung und Defiziten beim Auskunftsrecht gegenüber Bundesbehörden.

Neue Methodik

ROG ermittelt die Rahmenbedingungen für Medienschaffende in 180 Staaten und Territorien. In diesem Jahr hat die Organisation ihre Methodik überarbeitet, die Platzierungen ließen sich daher „nur sehr bedingt mit denen der Vorjahre vergleichen“. Neben dem politischen und rechtlichen Rahmen in den jeweiligen Gebieten bezieht ROG auch wirtschaftliche Bedingungen, soziokulturellen Kontext und Sicherheit mit ein.

Die Liste wird von skandinavischen Ländern angeführt, die besten Bedingungen für Journalist:innen gebe es in Norwegen. Grund dafür seien neben „großer Unabhängigkeit der Medien von der Politik“ etwa gute Informationsfreiheitsgesetze. Am Ende der Skala befinden sich totalitär regierte Staaten wie Nordkorea, Eritrea und Turkmenistan.

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5 Ergänzungen

  1. >> In diesem Jahr hat die Organisation ihre Methodik überarbeitet, … <<
    Warum wurde es notwendig, die Methodik zu überarbeiten?
    Was hat sich genau geändert?

    1. Zur 20. Ausgabe wurde die Rangliste 2022 erstmals mit einer neuen Methode ermittelt, um die Komplexität der Verhältnisse, die die Pressefreiheit weltweit beeinflussen, besser widerzuspiegeln.

      RSF hat die neue Methodik mit einem Expertenkomitee aus Medien und Forschung erarbeitet. Die Rangliste stützt sich nun auf fünf neue Indikatoren: politischer Kontext, rechtlicher Rahmen, wirtschaftlicher Kontext, soziokultureller Kontext und Sicherheit. Diese Indikatoren werden in jedem der 180 untersuchten Staaten und Territorien ermittelt – zum Einen auf Grundlage von quantitativen Erhebungen zu Übergriffen auf Journalistinnen, Journalisten und Medien, zum Anderen auf Grundlage einer qualitativen Untersuchung, für die ausgewählte Journalistinnen, Wissenschaftler und Menschenrechtsverteidigerinnen in den jeweiligen Ländern einen Fragebogen mit 123 Fragen beantworteten.

      https://www.reporter-ohne-grenzen.de/fileadmin/Redaktion/Downloads/Ranglisten/Rangliste_2022/RSF_Methodik_Rangliste_der_Pressefreiheit_2022.pdf

  2. Zum weltweiten Tag der Pressefreiheit wenden sich 37 von 736 Bundestagsabgeordneten der FDP, SPD, Grünen und der Linken in einem offenen Brief an das britische Parlament. Sie fordern, die Auslieferung Julian Assanges an die USA zu stoppen.

    https://www.spiegel.de/politik/julian-assange-bundestagsabgeordnete-fordern-fraktionsuebergreifend-freilassung-a-7cb03917-c3f4-41b7-85c7-f8f784ccfd8f

    Dem Journalisten Assange drohen in den USA bis zu 175 Jahre Haft.

  3. Arne Semsrott, André Meister, Anna Biselli, Rainer Rehak haben uns auf dem 3C-Kongress 2018 darüber informiert, dass in Berlin eigentlich ein unabhängiger Bürgerbeauftragter für Polizeifragen im Amt sein sollte, beschlossen am 10. Jan. 2017, … – zuletzt hat Frau Giffey die Nachbesetzung der Datenschutzbeauftragten und des unabh. Bürgerbeauftragten verhindert, als sie diese vor der Wahl absagte – WANN BEKOMMEN WIR NUN ENDLICH DIESE BESETZUNGEN ? Denn Berlin taucht bei ROG gleich zweimal unschön auf – wir brauchen den Beauftragten für Polizeifragen:
    1.“Viele Journalistinnen und Journalisten erhielten im vergangenen Jahr bei Demonstrationen von der Polizei Platzverweise, beispielsweise bei Protesten gegen den Ausbau der Autobahn A 100 am 10.05.2021 in Berlin. Hier sind allein 13 Fälle bekannt.“
    2.“Bei einer Demonstration am 16.06.2021 an einem besetzten Haus in der Rigaer Straße in Berlin richtete die Polizei den Strahl des Wasserwerfers auf einen Journalisten, der durch die Beschriftung auf seinem Helm und durch seine Ausrüstung als Presse zu erkennen war. Während eine Videoaufnahme den Angriff belegt, sagte die Polizei auf Nachfrage, es treffe nicht zu, dass die Polizei Berlin einen Wasserstrahl auf einen Pressevertreter gerichtet habe. Auf einer Demonstration für das links-autonome Wohnprojekt „Köpi bleibt“ in Berlin am 16.10.2021 schubste ein Polizist einen Fotojournalisten. Der Beamte versuchte anschließend, die Kamera des Fotografen wegzustoßen, und drückte ihm seine Hand ins Gesicht. Dabei griff er ihm trotz Maske in den Mund und verletzte ihn im Mundbereich.“ —
    Könntet Ihr mal nachfragen, wann wir endlich den unabhängigen Bürgerbeauftragten für Polizeifragen bekommen ? Ich habe es immer wieder versucht, ich komme nicht weiter.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.