Protokoll und DrahtberichteAmpel trägt Chatkontrolle im EU-Minister-Rat grundsätzlich mit

Von der Bundesregierung ist kein wirklicher Widerstand in der EU gegen die neue anlasslose Massenüberwachung zu erwarten, geht aus einem Protokoll des EU-Ministerrates hervor. Dies untermauern auch die eingestuften Drahtberichte der deutschen Ständigen Vertretung in Brüssel, die wir im Volltext veröffentlichen.

Nancy Faeser lacht.
Die SPD-Innenministerin Nancy Faeser legt in der EU der Chatkontrolle keine Steine in den Weg. – Alle Rechte vorbehalten IMAGO / Mike Schmidt

Im Ministerrat der EU gibt es Vorbehalte gegen den Chatkontrolle-Vorschlag der EU-Kommission – aber Deutschland hält sich mit Kritik zurück. Das geht aus einem Protokoll (PDF) eines EU-Innenministertreffens sowie aus den Drahtberichten der deutschen Ständigen Vertretung in Brüssel hervor. Die eingestuften Drahtberichte der Verhandlungen vom 03.11. und 24.11. veröffentlichen wir im Volltext.

Die Dokumente zeigen deutlich, dass es keinen maßgeblichen Widerstand gegen die Einführung dieser neuen anlasslosen Massenüberwachung bei den Innenminister:innen gibt – auch nicht aus Deutschland, wo sich die Koalitionspartner von Innenministerin Nancy Faeser (SPD) überaus deutlich von dem Vorhaben distanziert haben.

Faeser selbst hatte die Chatkontrolle („in jeden Brief schauen“) zwar abgelehnt, aber konkrete Aussagen stets vermieden. Die Chatkontrolle ist Teil eines umfassenden Gesetzespaketes, das in der derzeitigen Form dazu führen wird, dass Dateien auf den Endgeräten aller Menschen nach bestimmten Inhalten durchsucht werden – noch bevor die Nutzer:innen diese zum Beispiel über Messengerdienste verschlüsselt verschicken. Die Technologie ist dazu geeignet, Ende-zu-Ende-Verschlüsselung obsolet zu machen und würde in der derzeit geplanten Form ein Ende privater Kommunikation bedeuten.

Der EU-Piraten-Abgeordnete Patrick Breyer kommentiert den Vorgang:

Während Innenministerin Faeser öffentlich beteuert, dass sie die Chatkontrolle ablehne, kommt davon hinter verschlossenen Türen kein Wort über die Lippen der deutschen Verhandler. Dass man sich innerhalb der Bundesregierung bis heute auf keine Position geeinigt und diese kommuniziert hat, ist ein Hochverrat an unserer Privatsphäre und Sicherheit!

Finnland kritisiert, Deutschland schweigt

Sowohl im Protokoll als auch in den Drahtberichten findet sich keine generelle Ablehnung des Chatkontrolle-Gesetzes. Stattdessen werden steigende Verwaltungsaufwände oder Altersgrenzen besprochen sowie Grundrechtsfragen an Details diskutiert oder auf eine technische Ebene verschoben, wenn es im Protokoll etwa heißt:

Diese Fragen müssen jedoch auf technischer Ebene weiter erörtert werden, da mehrere Mitgliedstaaten immer noch erhebliche Bedenken hinsichtlich der Auswirkungen auf den Schutz des Rechts auf Privatsphäre und anderer Grundrechte haben.

Aus den Drahtberichten geht hervor, dass vor allem Finnland im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit und die Position der europäischen Datenschutzbehörden Kritik am Vorhaben der Chatkontrolle geäußert hat – sich Deutschland jedoch nicht positioniert und dies damit begründet, dass die Bundesregierung keine abgestimmte Position zum Thema habe.

Aus dem EU-Protokoll geht zudem hervor, dass die tschechische Ratspräsidentschaft den Chatkontrolle-Vorschlag der Kommission sogar noch verschärfen will. So soll ein bislang angeführter Richtervorbehalt für Sperrung, Löschung und Ausklammerung von Inhalten bei Suchmaschinen gestrichen werden. Das könnte eine Informationskontrolle auf Zuruf ermöglichen und Kontrollmechanismen aushebeln.

Die Chatkontrolle steht von verschiedener Seite in der Kritik. Neben der Tatsache, dass sie eine neue Form der Massenüberwachung etablieren würde, wird auch der Sinn dieser Maßnahme grundsätzlich angezweifelt, die soziale Probleme mit technischen Maßnahmen bekämpfen will und damit als Mogelpackung gilt. So sehen Expert:innen unter anderem überforderte Jugendämter und den Mangel an Fachkräften in Schulen als vorrangiges Problem bei der Bekämpfung von sexualisierter Gewalt gegen Kinder, das weder die Bundesregierung noch die EU-Kommission adressiert.

Die Drahtberichte im Volltext:


  • Einstufung: Verschlusssache – Nur für den Dienstgebrauch
  • Datum: 04.11.2022
  • Von: Ständige Vertretung EU Brüssel
  • An: Auswärtiges Amt
  • Cc: BKAMT, BMI, BMWK, BMDV, BMJ, BMFSFJ, BMBF, BMG, BMWK
  • Betreff: Sitzung der RAG Strafverfolgung (LEWP-P) am 3. November 2022

I. Zusammenfassung und Wertung

Schwerpunkt der Sitzung war die Erörterung der Kapitel V und VI des Entwurfs einer Verordnung zur wirksameren Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern online (CSAVO) sowie des Kompromisstextes zu Kapitel I (14008/22). Vors. kündigte an, am 24.11.2022 den VO-Entwurf erneut zu diskutieren. Danach werde er den JI-Rat am 8./9.12.2022 mit dem Dossier befassen.

Im nicht-legislativen Teils der Sitzung wurden anhand von Präsentationen (WK 14933/22) über Fortschritte laufender Kommunikationsprojekte im Kontext der Ratsempfehlung zur grenzüberschreitenden operativen Zusammenarbeit informiert.

II. Im Einzelnen

TOP 3: Proposal for a Regulation of the European Parliament and of the Council laying down rules to prevent and combat child sexual abuse

Article-by-article examination of Chapters V and VI – 9068/22

Zu Artikel 83: FRA äußerte – wie auch DEU, BEL, ITA, SVN, CYP, NLD, GRC, HUN und AUT – Sorge über die teilweise erheblichen Mehraufwände insbes. gem. Art. 83 Abs. 2 lit a. Verwaltungsaufwände seien so gering wie möglich zu halten. Aus AUT Sicht sein ein Rückgriff auf bestehende Statistiken vorzugswürdig. PRT führte an, dass Belange von Betroffenen in Artikel 83 keine Berücksichtigung fänden. Um einen Mehrwert aus den erhoben Daten ziehen zu können, bedürfe es mehr einheitlicher Indikatoren. Auch fehle eine Regelung für den Umgang mit fehlenden Informationen. Auch aus PRTSicht sei in diesen Fällen ein Rückgriff auf Statistiken angemessen. DNK betonte die Notwendigkeit, die eine Rückverfolgung Betroffener über die Daten auszuschließen. GRC – unterstützt von CYP – regte an, Informationen nur über das Ergebnis von Ermittlungsverfahren zu erheben. HUN regte an Art. 83 Abs. 2 h zu streichen. POL fragte – wie DEU – nach dem Zeitpunkt der Informationserhebung nach Abs. 2. SVN und BEL legten Prüfvorbehalte ein.

KOM erläuterte, dass Art. 83 zum Ziel habe angemessene Statistiken über CSAM-Meldungen und deren Fortgang darzustellen. Verpflichtet würden die drei wichtigsten Akteure bei der Bekämpfung von CSA – Anbieter, nationale Behörden, EU-Zentrum. Es sei notwendig, dass alle drei Akteure berichteten. Nur dann könne die Wirksamkeit von Anbieterpflichten effektiv geprüft werden. Transparenz sei auch wichtig, um Falschinformationen wirksam entgegentreten zu können. Es müsse öffentlich nachvollziehbar sein, warum CSAM-Meldungen für die Verfolgung von CSA notwendig sind. Verwaltungsaufwände könnten durch Automatisierung reduziert werden. Informationen zu laufenden Ermittlungen müssten nicht übermittelt werden. Das EU Zentrum könne die Daten nutzen um bspw. Trends zu ermitteln. So könnten auch die eingesetzten Technologien weiter verbessert werden.

Auf SWE Frage nach dem einschlägigen Datenschutzregime führte KOM aus, dass bestehende Datenschutzbestimmungen fortgelten, DSGVO und JI-RL fänden Anwendung. Es käme darauf an, welche Stelle auf nationaler Ebene als Koordinierungsbehörde benannt werde.

Zu Artikel 84: KOM führte auf DEU Nachfrage aus, dass das EU Zentrum die Informationen zu berücksichtigen habe, die durch die Anbieter und die Koordinierungsbehörden übermittelt wurden. Die Daten gem. Art. 83 Abs. 3 seien ebenfalls zu berücksichtigen.

Zu Artikel 85 – 89: PRT forderte die Delegation von Befugnissen in Art. 86 zu konkretisieren und kündigten einen Formulierungsvorschlag an. KOM führte aus, dass der Erlass delegierter Rechtsakte die Möglichkeit böte, kleinere Anpassungen vorzunehmen, um auch zukünftig maximale Wirksamkeit sicherzustellen.

Zu Artikel 88 führten LVA, GRC und BEL aus, Verordnung 2021/1232 solle für einen Übergangszeitraum in Kraft bleiben, um Regelungslücken auszuschließen. Auch in dem Zeitraum zwischen Inkrafttreten der CSA-VO und der Wirksamkeit erster Aufdeckungsanordnungen dürfe es keine Regelungslücken geben. KOM stimmte zu, dass Regelungslücken unbedingt zu vermeiden seien. Für den Fall, dass sich die Verhandlungen verzögerten sei ggf. das Aufhebungsdatum für die sog. Interims-VO anzupassen.

Zu Artikel 89: Aus Sicht von FRA, EST, NLD, IRL, GRC, CYP, ITA, LVA, ROM und POL ist die Frist zum Inkrafttreten des KOM-Entwurfes auf mind. 12 Monate zu verlängern. AUT und DEU bevorzugten eine Frist von 18 Monaten. POL regte eine Verknüpfung mit dem Inkrafttreten des DSA an. Vors. dankte für den Abschluss der ersten Lesung des KOM-Entwurfes.

Presidency compromise proposals on Chapter I – 14008/22

Vors erläuterte Artikel 2 lit (j) lege fest, dass ein Kind, also auch ein child user im Sinne des Entwurfes ein Mensch unter 18 Jahren sei. Das Alter von unter 18 Jahren umfasse alle nationalen Grenzen für die Strafbarkeiten von Grooming in der EU. Letztlich komme es für die Definition auch auf die Revision der CSA-RL an. Ggf. könne lit (i) wegfallen, da sich das Alter aus (j) ergebe.

Zu Artikel 1: SWE stellte zu Kapitel 1 Bezüge zum DSA und der TCO her. Artikel 1 sei um einen Absatz zu erweitern, der klarstelle, dass die Redefreiheit unangetastet bleibe. Die Regelung der TCO-VO könne als Vorbild dienen.

Zu Artikel 2: FRA begrüßte die Anhebung des Alters in Artikel 2 (j). In lit (x) bedürfe es allerdings einer Definition für die Anbieter von Suchmaschinen. BEL, GRC, HUN und IRL begrüßten die Änderungen und setzten sich für eine feste Altersgrenze ein. BEL unterstützte DEU Frage zur Einbeziehung von Audiokommunikation in den Regelungsbereich. Aus BEL Sicht seien Clouddienste als „Hostingdienste“ zu subsumieren. Vors und KOM bestätigten, dass Clouddienste Hostingdienste im Sinne des Artikel 2 (a) darstellen. KOM erläuterte, dass sich der Entwurf an dem DSA orientiere, dort seien Clouddienste nicht definiert. Es werde aber in einem EG klargestellt, dass Clouddienste Hostingdienste seien. Das Aufdecken von Grooming sei auch bei Audiomessages möglich. Bspw. werde das Metaverse für Grooming missbraucht. Das Alter für die Strafbarkeit von Grooming bzw. das Alter der sexuellen Mündigkeit bestimme sich nach nationalem Recht auf Grundlage der CSA-RL. Es sei also möglich, sich auf nationale Regelungen zu berufen – zu Lasten von Einheitlichkeit – oder ein Alter festzulegen – dies steigere die Einheitlichkeit. KOM befürworte letztere Option, also das Festlegen eines Alters.


  • Einstufung: Verschlusssache – Nur für den Dienstgebrauch
  • Datum: 30.11.2022
  • Von: Ständige Vertretung EU Brüssel
  • An: Auswärtiges Amt
  • Cc: BMI, BMJ, BMWK, BMDV, BMFSFJ, BKAMT, BMF, BMG
  • Betreff: Sitzung der RAG Strafverfolgung (LEWP-P) am 24. November 2022

I. Zusammenfassung und Wertung

Schwerpunkte der Sitzung stellten die Aussprachen zu den Tagesordnungspunkten 3 „Cooperation in the area of covert surveillance“ sowie 7 „Entwurf einer Verordnung zur wirksameren Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern“ dar. Unter TOP 6 wurde das Dokument „LEWP networks and expert groups – Objectives, governance and relations with the LEWP“ durch die Ratsarbeitsgruppe angenommen.

Nächste Sitzung: 06.12.2022

II. Im Einzelnen

TOP 7: Proposal for a Regulation of the European Parliament and of the Council laying down rules to prevent and combat child sexual abuse

Im Zuge der Diskussion von Artikel 1 und 2 legte AUT Prüfvorbehalt (PV) ein und wies auf die Positionierung des AUT Parlamentes zur CSA-VO hin. AUT wiederholte Bedenken bzgl. der betroffenen Grundrechte in Bezug auf vorgesehene Aufdeckungsanordnungen und regte eine weitergehende Debatte dieser wichtigen Fragen an. FRA stellte fest, dass die Möglichkeit der Anordnung von Aufdeckungen von bekanntem CSAM der EuGH-Rechtsprechung entspreche. Mit Blick auf neues CSAM bat FRA um Einschätzung der KOM inwieweit die Anordnung von Aufdeckungen neuen CSAM mit der Rechtsprechung des EuGHs in Einklange stehe und keine allgemeine Überwachung darstellen.

Dazu führte KOM aus, dass der Entwurf weder eine allgemeine Überwachung darstelle, noch der EuGH-Rechtsprechung wiederspräche: zunächst sei keine allgemeine, sondern eine gezielte Aufdeckung vorgesehen. Anders als derzeit seien Aufdeckungen nach dem KOM-Entwurf nur als ultima ratio und nach richterlicher Anordnung (bzw. Anordnung einer unabhängigen Justizbehörde) zulässig. Den Anordnungen liege ein mehrstufiges Verfahren zugrunde, wobei die Feststellung eines Risikos betroffener Dienste jeweils auch einen Anlass darstelle. Anordnungen könnten nur ergehen, wenn sie angemessen seien, dh. angemessene Technologien zur Verfügung stünden und sie soweit möglich zielgerichtet formuliert seien. Es sei festzustellen, dass der EuGH nicht nur die Aufdeckung von bekanntem Material für zulässig erklärt habe. Vielmehr seien auch solche Aufdeckungsmaßnahmen zulässig, die neues Material beträfen, das sich analog zu bereits bekanntem Material verhalte. Der Entwurf erfülle auch diese Voraussetzung. Die Klassifikatoren zur Aufdeckung von neuem CSAM würden auf der Grundlage bereits bekanntem CSAM gebildet. Die Aufdeckung von neuem CSAM sei aus KOM-Sicht besonders wichtig, da so andauernder bzw. zukünftiger Missbrauch verhindert werden könne. Durch die Aufnahme von neuen CSAM in die Hashdatenbank könne die Verbreitung und dadurch auch eine Reviktimisierung Betroffener verhindern.

SVN wiederholte PV, der Entwurf gehe bereits in die richtige Richtung. Weitere detailliertere Debatte sei erforderlich, insbesondere mit Blick auf Art. 7. BEL wiederholte PV, die Definition in Artikel 2 (x) werde begrüßt. Aus FIN-Sicht stellten sich Fragen der Verhältnismäßigkeit. Einige FIN-Bedenken würden vom EDPS geteilt. FIN regte an, den Anwendungsbereich des Entwurfes einzuschränken, um eine größere Balance der Grundrechte zu gewährleisten. Konkrete Vorschläge zur Einschränkung des Anwendungsbereiches könne FIN zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht übermitteln. Man sei interessiert an den Positionen der anderen MS, insbesondere DEU. DEU trug weisungsgemäß vor, legte PV ein und äußerte Kritik an dem Auseinanderfallen des Alters von „child usern“ mit nationalen Regelungen. Zu FIN Frage führte DEU aus, dass der Anwendungsbereich des Entwurfes künftig nochmals aufgegriffen werden sollte, derzeit liege hierzu keine abstimmte Position vor. DEU-Vortrag zur Anhebung des Alters von child usern wurde von NLD aufgegriffen. Ein EU-weit einheitliches Alter von 18 Jahren führe zum Auseinanderfallen mit nationalen Rechtslagen. In NLD sei das maßgebliche Alter 16 Jahre. KOM wiederholte, dass ein einheitliches Alter auf EU-Ebene gewählt worden sei, um größtmögliche Binnenmarktharmonisierung zu gewährleisten. In einem Szenario, in dem auf jeweils nationale Altersgrenzen Bezug genommen würde, entstünden neue Barrieren für den integrierten Binnenmarkt.

Zu Artikel 3 führte Vors. aus, dass die Frist in Art. 3 Abs. 4 lit a verlängert worden sei, um zu verhindern, dass es Lücken bei der Überprüfung gebe. DEU trug weisungsgemäß, dass eine angemessene Frist sinnvoll erscheine vor. BEL fragte, ob auch Vorgaben zum „wie“ der Risikoermittlung ergänzt werden sollten. Aus KOM Sicht stelle sich die ursprüngliche Frist von 2 Monaten bereits als angemessen dar. Die erneute Prüfung solle sich auf die Aspekte beschränken, die sich seit dem Erlass einer Aufdeckungsanordnung geändert hätten. KOM stehe einer Konkretisierung der Vorgaben der Risikoanalyse durch KOM aufgeschlossen gegenüber.

Zu Artikel 4 Abs. 3 führte FRA aus, dass sich eine Altersverifikation nicht auf eine Selbstdeklaration der Nutzer beschränken dürfe. Dies müsse im Entwurfstext festgehalten werden.

Zu Artikel 7 und 8 fragte BEL, warum KOM gem. Artikel 7 Abs. 4 informiert werden müsse, wenn die Koordinierungsbehörde von der Empfehlung des EU-Zentrums abweiche. KOM führte aus, dass eine substantielle Abweichung der Bewertungen von Koordinierungsbehörde und EU-Zentrum eine wichtige Information darstelle, die KOM bei dem Erlass der Guidelines zur Umsetzung der CSA-VO berücksichtigen werde.

FRA regte an, die Anforderungen an ein „signifikantes Risiko“ zu konkretisieren. Vorbild könne die TCO darstellen. Es sei bspw. denkbar, den Erlass von zwei Entfernungsanordnungen in den vergangenen 12 Monaten als konkretes Merkmal einzuführen. Auch eine Differenzierung zwischen Diensten, die bereits in der EU tätig seien und solchen, die neu in der EU tätig würden, sei zu erwägen. FIN äußerte Zweifel an der Verhältnismäßigkeit von Artikel 7, es stellte sich Fragen der Kontrolle der Dienste, die Wahl der Technologie wirke sich aus auf die betroffenen Grundrechte. Die Bewertung des Artikels gestalte sich sehr schwierig. KOM erwiderte, dass der Entwurf differenziere zwischen den verschiedenen CSAM Inhalten, insbesondere mit Blick auf die Voraussetzungen des Erlasses von Aufdeckungsanordnungen.

Vors führte aus, Artikel 8 Abs. 2 sei mit Blick auf die MS angepasst worden sei, die mehr als eine offizielle Sprache haben.

In Artikel 10 sollten aus BEL-Sicht die Voraussetzungen der Anforderungen an zulässige Technologien, um die Konkretisierung „suitable and not easy to circumvent“ ergänzt werden. NLD betonte, dass Artikel 10 nicht zu einem Bruch von Verschlüsselung führen dürfe und regte eine Klarstellung in Artikel 10 Abs. 3 an – dieser Vorschlag wurde von DEU weisungsgemäß unterstützt.

KOM führte aus, dass der Entwurf technologieneutral sei. Die Tech-Workshops hätten gezeigt, dass es technische Lösungen gebe, die die Aufdeckung von CSAM auch in verschlüsseltem Umfeld ermöglichten.

Zu Artikel 12 führte KOM aus, dass die Verlängerung der Aussetzung der Informationspflicht der Anbieter gegenüber den Nutzern zu Missverständnissen führen könne. Die Information betroffener Nutzer sei maßgeblich, damit diese ihre Grundrechte ausüben könnten. Der KOM-Entwurf sehe zwei Fristen zur möglichen Aussetzung dieser Information vor: Zunächst die Frist von 3 Monaten, in der der Anbieter den Nutzer nicht informiert, es sei denn EU Zentrum gibt die Information frei, da Meldung offensichtlich unbegründet sei. Anschließend könne der Anbieter aufgefordert werden die Information weiter auszusetzen, um Ermittlungen nicht zu gefährden. Diese zweite Frist betrage gem. KOM-Entwurf 18 Monate (vgl. Art. 48). Die Kombination beider Fristen führe zu einem möglichen Gesamtzeitraum von 21 Monate. Dieser sollte aus KOM-Sicht nicht verlängert werden. Gem. Kompromisstext werde die erste Frist nun auf 6 Monate verlängert, daneben sei eine weitere Verlängerungsmöglichkeit von 6 Monaten vorgesehen. Dies könne zu einer Gesamtfrist von 36 Monaten führen, dies stelle sich aus KOM Sicht als zu lang dar.

FRA regte an, die Frist in Artikel 14 Abs. 2 auf eine Stunde zu verkürzen und damit an die TCO VO anzugleichen. Man sei hier auch sehr an der Auffassung der anderen MS interessierte. Aus BEL und POL Sicht bestehen Sorgen über die praktische Ausgestaltung der Aufsicht der Koordinierungsbehörden über die weiteren nationalen Behörden. NDL regte eine Vereinfachung des Verfahrens zum Erlass von Entfernungsanordnungen an.

BEL, IRL und DEU begrüßten die Ergänzung von grenzüberschreitenden Anordnungen in Artikel 14a. BEL fragte, ob eine Definition von „content provider“ erforderlich sei. IRL und DNK begrüßten die Möglichkeit grenzüberschreitender Anordnungen ebenfalls grundsätzlichen, diese dürften allerdings nicht kompliziert geregelt werden. Die TCO-VO stelle aus IRL-Sicht kein geeignetes Vorbild dar, terroristisches Material und CSAM würden sich deutlich unterscheiden. NDL legte PV ein. KOM äußerte Bedenken gegenüber den Formulierungen in Artikel 14a, die nicht mit den bisherigen Formulierungen übereinstimmten. Auch sei KOM besorgt, darüber, dass die Einführung grenzüberschreitender Anordnungen die Komplexität des Entwurfes erhöhe.

In Artikel 16 kritisierten BEL und NLD Streichungen betreffend die Güterabwägung in Abs. 4. DEU trug weisungsgemäß vor, dass sich hier auch aus DEU Sicht Fragen ergäben. Streichungen werden auch durch KOM kritisch beurteilt.

DEU trug weisungsgemäß zu Art. 18a vor, dass es weiterer Konkretisierung bedürfe.

DEU – unterstützt von BEL – begrüßte die Stärkung von Betroffenenrechten in Artikel 21 Abs. 3. Diese mache ggf. auch Änderungen in Absätzen 1 und 2 erforderlich.

Zu Artikel 25 regte FRA an, dass die Frist in Absatz 1 auf 1 Jahr nach dem Vorbild der TCO-VO verlängert werden sollte. FRA forderte die Streichung (rote Linie) von Artikel 25 Abs. 9. Die Wiedereinführung des Erfordernisses der Unabhängigkeit für Koordinierungsbehörde, mache die Streichung von Artikel 25 Abs. 9 erforderlich. DEU unterstütze weisungsgemäß die Kritik an Artikel 25 Abs. 9 in Zusammenhang mit den Änderungen in Artikel 26 – die Ausführungen wurden von IRL unterstützt. Auch aus BEL Sicht stelle Artikel 25 Abs. 9 eine rote Linie dar.

Zu Artikel 26 Abs. 4 führte HUN aus, dass sich die Ergänzung der Anforderung von „integrity“ von selbst ergebe und daher nicht notwendig sei. Aus FRA-Sicht sei grundsätzlich sei eine unabhängige Koordinierungsbehörde mit Blick auf die Grundrechtssensibilität zu begrüßen. FRA widersprach der Wiedereinführung des Unabhängigkeitserfordernisses in Artikel 26 Abs. 1 allerdings sofern dabei nicht zwischen den weiteren zuständigen Behörden differenziert werde. Vors erläuterte, dass sich „free from any external influence“ auf die jeweilige Aufgabenausübung beziehe, also nicht allgemein zu verstehen sei. Aus AUT Sicht sei die Unabhängigkeit der Koordinierungsbehörde unbedingt beizubehalten. BEL – unterstützt von IRL – regte an, die Formulierung des Unabhängigkeitserfordernisses weiter an die TCO VO anzugleichen.

Vors dankte für die gute Zusammenarbeit – auch bei den beiden Technologie-Workshops. Vors. kündigte an, im JI-Rat am 8. 12. einen Fortschrittsbericht vorzulegen. SWE kündigte an, dass die CSAVO einen Schwerpunkt ihrer Präsidentschaft darstellen werde. Die erste Sitzung zur CSA-VO werde am 19. und 20. Januar 2023 stattfinden.

3 Ergänzungen

  1. >> In seinem Lobbying nutzt Thorn das Gewicht seines Hollywoodstar-Gründers. Organisationen fällt es oft schwer, hochrangige Treffen mit der Kommission einzufädeln. Wie wenig das auf Thorn zutrifft, verdeutlichen Bilder von einem Videotreffen zwischen Kutcher und von der Leyen, im November 2020. <<

    Thorn (DNA Foundation) agiert außerhalb der Regeln für EU-Lobbygruppen. Welche Blüten das treiben kann, sieht man am aktuellen EU-Skandal mit den Geldkoffern.

  2. Alles andere hätte mich auch bei der SPD und Grünen verwundert. Es wird wieder laufen wie bei den Uploadfiltern. Zuerst verspricht man uns das die Politik dagegen sei und am Ende wird dann doch wieder geschlossen FÜR die Massenüberwachung gestimmt. Ich mache jede wette das es so laufen wird. Den Ehrlichkeit ist in der Postdemokratie eben kaum mehr zu erwarten !

    1. Die sind total ehrlich: Faeser hat, wie alle anderen Innenminister, nie einen Hehl daraus gemacht, Seehofers Ueberwachungspolitik weiterfuehren zu wollen. Scholz‘ Haltung ist aus seiner Zeit als Hambuger OB als autoritaer-konservativ bekannt.

      Die Gruenen haben in Hessen und BaWue noch allen diesbezueglichen Wuenschen der CDU zugestimmt.

      Und die FDP stimmt zu, wenn sie dafuer eine Kriminalisierung der Klimaaktivisten bekommt. Arbeitet Faeser schon dran.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.