NachhaltigkeitEU plant Schulnoten für Handys

Wie oft kann ein Handy herunterfallen, bevor es kaputt geht? Die EU-Kommission will ein Etikett einführen, das Verbraucher:innen anzeigt, wie robust neue Geräte sind.

Handy-Labels
Handys sollen bald Labels tragen, die über ihre Reparierbarkeit und ihren Energieverbrauch informieren – Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch unsplash.com Quinn Battick / Bearbeitung netzpolitik.org

Die EU-Kommission möchte verpflichtende Etiketten für Energieverbrauch und Reparierbarkeit von Handys und Tablets vorschreiben. Geräte sollen demnach in einer farbkodierten Skala nach Schulnoten bewertet werden. Zensuren gibt es für Energieeffizienz und Batterielebensdauer. Bewertet wird aber auch, wie einfach sich ein Handy oder Tablet für Reparaturen auseinandernehmen lässt und wie leicht verfügbar Ersatzteile sind.

Besonderen Spaß dürften den Tester:innen die vorgesehenen Prüfungen bereiten: So sollen Testgeräte ihre Widerstandsfähigkeit unter Beweis stellen, indem sie mehr als 300 Mal einen Meter tief auf harten Untergrund fallen gelassen werden. Die Bestnote A sollen nur jene Handys und Tablets erhalten, die danach noch funktionstüchtig sind. Einen ähnlichen Test gibt es auch hinsichtlich der Haltbarkeit bei Staub und Wasser: Nur Handys, die längere Zeit einen Meter unter Wasser getaucht werden und anschließend noch funktionieren, sollen die höchste Bewertung erhalten. Die schlechteste Haltbarkeitsnote ist E, entsprechend eingestufte Geräte müssen zumindest Spritzwasser bzw. 100 Stürze aushalten.

EU-Label für Handy und Tablets
Geplantes EU-Etikett für Handys und Tablets

Vorgeschlagen hat die EU-Kommission die neuen Etiketten in einem delegierten Rechtsakt, den sie am 31. August vorlegte. Er ergänzt die Ökodesign-Richtlinie der EU, die seit 2009 ähnliche Labels für Kühlschränke und andere elektrische Geräte vorschreibt. Wenn weder der Rat der EU-Staaten noch das EU-Parlament Einwände gegen die neue Vorschrift einlegen, tritt sie in zwei Monaten in Kraft. Spätestens 14 Monate danach – also frühestens mit Jahresbeginn 2024 – müssen die Etiketten dann auf allen neuen Geräten prangen. Ob die Angaben dann tatsächlich stimmen, sollen die Behörden der Mitgliedsstaaten kontrollieren.

ECOS: „Echter Game Changer“ für den Handy-Markt

Die Umweltorganisation ECOS sieht die Labels als „echten Game Changer“ für den Handy- und Tablet-Markt. Verbraucher:innen könnten künftig leichter zwischen verschiedenen Modellen vergleichen. „Der heutige Vorschlag könnte das Ende der Ära der Einweggeräte bedeuten“, so NGO-Experte Mathieu Rama.

Die Vorschriften sind der Auftakt für ein neues EU-Gesetz, dass die Kommission im kommenden Winter vorlegen möchte. Es soll über eine bloße Informationspflicht gegenüber Verbraucher:innen hinausgehen und erstmals verbindliche Vorgaben zum Energieverbrauch machen sowie ein Recht auf Reparatur festschreiben.

Die geplante Einführung von Labels sei erfreulich, die EU-Kommission dürfe aber für das geplante Gesetz nicht ihre Ansprüche runterschrauben, sagt die grüne EU-Abgeordnete Anna Cavazzini gegenüber netzpolitik.org. Vielmehr müssen die Kennzeichnung von Smartphones und Tablets auf weitere Produktgruppen ausgeweitet werden. Auch müsse das Gesetz einen „echten Reparaturindex“ vorschreiben. Einen solchen Index gibt es bereits in Frankreich, dort sind alle gängigen Handy-Modelle nach Reparierbarkeit aufgelistet und bewertet, um einen einfachen Vergleich zu ermöglichen.

Das EU-Parlament hat der Kommission bereits im April Vorschläge für nachhaltigere elektronische Geräte vorgelegt. Demnach soll gesetzlich eine Mindestdauer von mehreren Jahren vorgeschrieben werden, in denen Hersteller:innen Ersatzteile und Softwareupdates für ihre Geräte bieten müssen. Auch soll die öffentliche Hand verpflichtet werden, standardmäßig gut reparierbare und energieeffiziente Geräte zu kaufen.

Die Hersteller:innen sind von solchen Vorschriften wenig begeistert. Sie warnen die Kommission, nicht von ihnen autorisierte Reparaturen könnten bei ihren Geräten etwa die „Anfälligkeit gegenüber Hackern“ erhöhen. Die Befürworter:innen des Gesetzesvorhabens müssen daher mit erheblichem Widerstand der Hersteller:innen-Lobby rechnen.

Korrekturhinweis vom 2. September: Der Vorname der Abgeordneten Cavazzini wurde nachträglich auf Anna korrigiert.

Deine Spende für digitale Freiheitsrechte

Wir berichten über aktuelle netzpolitische Entwicklungen, decken Skandale auf und stoßen Debatten an. Dabei sind wir vollkommen unabhängig. Denn unser Kampf für digitale Freiheitsrechte finanziert sich zu fast 100 Prozent aus den Spenden unserer Leser:innen.

8 Ergänzungen

  1. „So sollen Testgeräte ihre Widerstandsfähigkeit unter Beweis stellen, indem sie mehr als 300 Mal einen Meter tief auf harten Untergrund fallen gelassen werden.“

    In einem meiner früheren Berufsleben war ich bei einem Hersteller angestellt und da war der Test 1.50m auf harten Untergrund und das Gerät durfte nie ausfallen. Die Lösung dafür war: Gerät durfte zerfallen in Gerät, Akku und Akkudeckel. Bei der heutigen Konstruktion mit zusammengeklebt und geklemmt, kann die mechnische Energie auch nirgendwo hin und das Display ist oft die Sollbruchstelle.

  2. Generell bin ich mit dem hier vorgeschlagenen Wertungssystem nicht sehr zufrieden. Wobei anzumerken ist das ich ausschließlich Industrie-Smartphons verwendende, und das auch unter diesem Standpunkt sehe.

    Vollkommen ausgelassen ist das Betriebssystem, das meines Erachtens in die Wertung aufzunehmen ist. Da diese Geräte aus sicherheitsrelevanten und rechtlichen Gründen ausschließlich Off-Linie ohne Internet verwendet werden, ist Android eine Desaster.

    Die hier genannten Kriterien selbst sind zwar nett, allerdings fernab der Realität. In der Praxis entweder will man Wasserfestigkeit, oder Reparierbarkeit, beides zusammen ist nicht zu haben. Die Alternative dazu ist, man schlisset einen faulen Kompromiss, wo man am Ende dann weder das eine noch das andere hat.

    Der hier genannte Falltest, hier kommt es auch auf den Winkel an, und diese 1,5 Meter darüber kann ich nur müde lächeln. Das betrifft dann auch jeden – sollte das Hany von der Tasche oder Hand über die Bahnsteigkante auf Gleiskörper fallen, ist das weit jenseits der 1,5 Meter.

    Klar wäre Reparatur wünschenswert, der Test kann allerdings nicht berücksichtigen, ob die Ersatzteile nach 5 oder gar 10 Jahre noch zur Verfügung stehen. Gibt es nach 10 Jahren keine Ersatzteile mehr wird die Möglichkeit einer Reparatur zur Farce.

    Ebenso sollte auch wegen der Lieferkettenprobleme die Reparaturmöglichkeit unter diesem Aspekt berücksichtigt werden. Man hat nichts davon wenn das Gerät zwar reparierbar ist, allerdings die Ersatzteile dazu schlicht nicht lieferbar und verfügbar sind.

    Persönlich sehe ich auch das verschweißen und verkleben differenzierter als früher, sicher auch weil ich mit dem Thema Explosionssicherheit konfrontiert bin, wäre ein Alptraum wenn derartige Geräte geöffnet werden könnte. Das würde zwangsweise neue Test notwendig machen.

    Für Firmen und Konzerne gibt es neben der Explosionssicherheit noch andere gewichtige Gründe das die Mitarbeiter nicht an den Geräten herumfummeln können.

    1. „In der Praxis entweder will man Wasserfestigkeit, oder Reparierbarkeit, beides zusammen ist nicht zu haben. “

      Selbst wenn dem so wäre, wäre das keinerlei Problem. Die Kennzeichnung soll nicht das Pixel am Besten bewerten, sondern Orientierung bieten. (Andere Kritik betrachte ich im Moment nicht.)

      Warum sollten sich Reparierbarkeit und Wasserdichtigkeit ausschließen? Weil das Gerät nur 3 Millimeter dick sein darf?

    2. Nicht öffnebare Geräte erhalten dann eben da eine schlechtere Note. Hirn ersetzen soll die Kennzeichnung hoffentlich nicht, gerade bei Industriegeräten ;).

  3. Es gehört eigentlich noch eine Freigabestaffelung dazu:
    – Software aufspielen erlauben und HW-Spezifikation veröffentlichen, sobald Updates eingestellt werden oder zu oft zu lange brauchen. Dabei ist egal, wie lange das Gesetz fordert.
    – Freigabe für den Bau von Ersatzteilen. Nach X Jahren, Verteuerung, oder Nichtverfügbarkeit.

    1. Sollte Software nicht von vorne herein offen sein bringt per Punkt 1 eigentlich gar nichts den selbst mit Spezifikationen wird der Kernel, Platform-Treiber und Soc-Treiber im Wegwerf model entwickelt.
      Dazu kommen noch Blobs die den Kernel durchlöchern und umgehen.

  4. Das könnte man sich einfach alles schenken, indem die BuReg ein Gesetz erlässt, dass die Einfuhr und den Vertrieb von Smartphones folgende Mindestvoraussetzungen bestätigt sein müssen:
    1) Wasserdicht
    2) Schadstofffrei nach DIN XYZ123
    3) Stoßfestigkeit Level 3 (Stoßfestigkeits-Direktiven müssten dazu erlassen werden einmalig)
    4 ) Software-Unterstützung über >3 Jahre
    usw usw usw.

    Einfach Regularien erlassen, die den Import von Geräten und Smartphones in dem Fall einfach verwehrt, wenn diese Regularien nicht eingehalten oder erfüllt werden.
    Wenn sich das Europaweit durchsetzt und nicht wieder nur auf Deutschland konzentriert, werden sich die Riesen Apple und Samsung und Moto und Co durachaus überlegen, ob sie den Gesamt-Europäischen Markt beliefern wollen – oder nicht. Ich denke Ersteres werden die wollen, sonst brechen wohl mehr als 40% Umsatzeinkünfte ein.

    Aber nicht 8 Jahre irgendwelche Regularien beschließen, verwerfen, beschließen, ändern, nochmals ändern um Ende der 8 Jahre Bürokratie… (negativ gemeint) kommt dann irgendwas raus, was nichts Halbes und nix Ganzes ist…schlichtwegs für die Katz irgendwas reguliert.

    Warum können andere europäische Länder wie Great Britain, Schweden, Finnland, Norwegen, Dänemark innerhalb von Tagen und wenigen Wochen (1-3) völligst neue Gesetze und Gesetzesänderungen veröffentlichen und in Kraft treten lassen, während Deutschland – der prähistorische Bürokratie-Saurier mit seinen zig „Verwaltungsfachangestellten“ und seinen Hierarchien und Ämtern und „ich geh um 12 Uhr…“ TVÖD Angestellten – dafür dann wieder Jahre braucht….
    Solch ein Gesetz an Mindestanforderungen für ein Smartphone zum telefonieren und surfen könnte man in maximal 3 Monaten publizieren und in Kraft treten lassen, dafür bräuchte es keine 100 Politiker, Gremien, Forschungsinstitute, externe Berater, Studiengänger, Umfragen und Co. Wobei Umfragen wäre gut, dann würde auch der kleine Mann befragt werden, was ihm wichtig ist und nicht irgendwelche Statistische Zeilen auf irgendeinem Blatt Papier.
    Warum zum Henker ist unsere deutsche Poltik sooo eeeeeeeeeeeeeeeeeeelendig langsam.
    Warum kann das nicht schneller gemacht werden Gesetze durchzubringen, warum braucht es dafür Wochen, Monate und Jahre?
    Politiker sollten nach Leistung bezahlt werden und nicht nach dem Status oder dem Amtes wegen…
    kannich mich drüber aufregen, sorry.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.