KW 44Die Woche, in der wir bei einem Polizei-Event mal wieder unerwünscht waren

Die 44. Kalenderwoche geht zu Ende. Wir haben 14 neue Texte mit insgesamt 102.286 Zeichen veröffentlicht. Willkommen zum netzpolitischen Wochenrückblick.

Fraktal, generiert mit MandelBrowser von Tomasz Śmigielski

Liebe Freund:innen von netzpolitik.org,

dieses Mal beginnt der Wochenrückblick mit einem schlechten Witz: Treffen sich der Boss einer Polizeigewerkschaft, der Manager eines Überwachungsunternehmens und ein Staatssekretär des Bundesinnenministeriums. Worüber reden sie?

Die Antwort muss lauten: Keine Ahnung. Denn als die Zeitschrift Behörden Spiegel und die Gewerkschaft der Polizei diese Woche zum „digitalen Polizeitag“ luden, waren wir mal wieder unerwünscht. Bei der Veranstaltung kommen Polizist:innen, Innenpolitiker:innen, Sicherheitsfirmen und Polizei-Lobbyist:innen zusammen, um über die Digitalisierung der Polizei zu sprechen. Ich berichte seit einigen Jahren über dieses Thema, mit einem Fokus auf Polizeidatenbanken und Datenschutzproblemen. Gerne hätte ich gehört, was sie zu sagen haben.

Seit einem Monat habe ich deshalb E-Mails an den Organisator mit Bitte um Presse-Akkreditierung geschrieben. Weil sie unbeantwortet bleiben, rufe ich am Tag vor der Veranstaltung beim Behörden Spiegel an. Dort erfahre ich: Die Person, die laut Website für die Orga verantwortlich ist, arbeitet gar nicht mehr bei der laut Wikipedia „auflagenstärksten unabhängigen Zeitung für den Öffentlichen Dienst“. Abwesenheitsnotizen habe ich aber nicht bekommen, meine Mails wurden angeblich auch nicht weitergeleitet.

Zum Glück ist noch genug Zeit, denke ich. Die Veranstaltung findet dieses Mal online statt. Die Verantwortliche ist freundlich, doch als ich sie bitte, mir den Veranstaltungslink zuzuschicken, zögert sie. Dann sagt sie, ich solle ihr meine Akkreditierungsanfrage nochmals schriftlich zuschicken. Wenige Minuten später trifft meine Nachricht beim Behörden Spiegel ein. Seitdem herrscht Funkstille. Weitere Mails bleiben unbeantwortet. Wenn ich anrufe, geht niemand ans Telefon.

Man könnte das alles für eine Verkettung unglücklicher Umstände halten. Doch es ist nicht das erste Mal, dass der Behörden Spiegel unsere Redaktion auflaufen lässt. Im Gegenteil: Diverse Kolleg:innen haben in den vergangenen Jahren versucht, eine Akkreditierung für den „Europäischen Polizeikongress“ zu erhalten und wurden mit fadenscheinigen Begründungen abgewiesen. Der Klassiker: Während Journalist:innen anderer Medien sich auch später noch akkreditieren konnten, erhielten wir die Info, dass keine Presse-Plätze mehr frei seien. Nachdem die taz kritisch über den gezielten Ausschluss unserer Redaktion schrieb, durfte meine Kollegin Chris Köver einmal dabei sein. Doch das war wohl nur eine Ausnahme.

Jetzt ist kritische Berichterstattung über das Szenetreffen offenbar wieder unerwünscht. Juristisch haben wir dagegen keine Handhabe, denn auch wenn die Veranstaltungen offiziell klingen, sind es private Tagungen. Aber wundern muss man sich schon. Wovor haben die Veranstalter:innen eigentlich Angst? Der Behörden Spiegel ist nach eigenem Selbstverständnis ein journalistisches Medium, macht mutmaßlich aber auch mit seinen Kongressen gutes Geld. Allein für die dreistündige Online-Tagung in dieser Woche müssen Wirtschaftsvertreter:innen 99 Euro zahlen. Dafür bekommen sie Zugang zu potenziellen Kund:innen und politischen Entscheidungsträger:innen.

Die mitveranstaltende Gewerkschaft der Polizei gehört unterdessen zu den Organisationen, die sich in Deutschland am lautesten über das schlechte Image der Polizei beschweren. Ihrem Anliegen erweist die Lobby-Organisation mit dem Ausschluss kritischer Journalist:innen einen Bärendienst. Vertrauen erhält die Polizei in einer Demokratie nicht, indem sie sich abschottet, sondern indem sie konsequent gegen Machtmissbrauch im Amt vorgeht und sich dem Diskurs darüber stellt.

Ich frage mich zudem, was mit den Referenten – gendern nicht notwendig, denn beim digitalen Polizeitag sprechen ausschließlich Männer – los ist. Im Programm sind neben Innenstaatssekretär Torsten Akmann auch ein Mitarbeiter des Bundesdatenschutzbeauftragten, ein Hochschullehrer und der liberale Innenpolitiker Manuel Höferlin. Dass es sie nicht stört, auf einer Lobby-Veranstaltung zu sprechen, von der kritische Presse systematisch ausgeschlossen wird, finde ich fast noch schlimmer als die verweigerte Akkreditierung.

In diesem Sinne: Wir bleiben dran!
Ingo


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