Klage Polens abgewiesenEU-Gericht gibt grünes Licht für Uploadfilter

Eine Klage gegen die EU-Urheberrechtsreform ist vor dem Europäischen Gerichtshof gescheitert. Doch das Gericht mahnt die EU-Staaten, bei der Umsetzung der Richtlinie die Grundrechte zu schützen.

Anti-Uploadfilter-Demo
Gegen Uploadfilter gab es in Deutschland große Proteste, hier im Februar 2019 in Köln – Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch unsplash.com Mika Baumeister

Der Europäische Gerichtshof hat eine Klage Polens gegen Teile der EU-Urheberrechtsrichtlinie abgewiesen. Das Gericht hält den Artikel 17 der Richtlinie, der Plattformen wie YouTube zum Einsatz von Uploadfiltern verpflichtet, für mit dem europäischen Recht vereinbar. Zwar handle es sich bei der Filterpflicht um eine Einschränkung der Meinungsfreiheit, aber der Artikel beinhalte ausreichende Schutzvorkehrungen gegen die Sperrung legaler Inhalte, teilte das Gericht heute, Dienstag, mit.

Die Urheberrechtsrichtlinie der Europäischen Union verpflichtet YouTube und andere Plattformen dazu, alle Inhalte von Nutzer:innen auf mögliche Urheberrechtsverletzungen zu durchleuchten. Dagegen klagte die polnische Regierung, da sie Uploadfilter für eine Gefahr für die freie Meinungsäußerung hält. (Dass die Regierung der rechten Partei PiS selbst den Raum für freie Meinungsäußerung etwa in öffentlich-rechtlichen Medien eingeschränkt hat, ist ein anderes Thema.)

Gegen die Urheberrechtsreform waren im Frühjahr 2019 europaweit zehntausende Menschen auf die Straße gegangen, allein in Deutschland wurde in 50 Städten demonstriert. Stimmen aus der Zivilgesellschaft und Abgeordnete hatten vor Beschluss der Reform gewarnt, dass automatisierte Filter oft zu Fehlentscheidungen und sogenanntem Overblocking führten – also zur massenhaften Entfernung legaler Inhalte, um mögliche Haftungsschwierigkeiten zu vermeiden. Auch werde durch Uploadfilter eine Zensurinfrastruktur aufgebaut, die später willkürliche Eingriffe in die Meinungsfreiheit im Netz ermögliche.

Gericht sieht „angemessene Garantien“ für Grundrechte

Diese Einwände fanden vor dem EU-Gerichtshof offenbar nur teilweise Gehör. Bei der Verpflichtung zu Uploadfiltern sehe die EU-Gesetzgebung „angemessene Garantien“ vor, um das Recht der Nutzer:innen dieser Dienste auf freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit zu wahren, heißt es in der Pressemitteilung des Gerichts. Jedoch gibt das Gericht bei der Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht den Mitgliedsstaaten eine Aufgabe mit auf den Weg. Dabei müsse darauf geachtet werden, ein „Gleichgewicht zwischen den verschiedenen durch die Charta geschützten Grundrechten sicherzustellen.“

Der frühere EU-Abgeordnete Felix Reda, der die Richtlinie vor ihrem Beschluss begleitet und dabei gegen Uploadfilter kämpft hat, sieht durchaus positive Aspekte an dem Urteil. Aus der Rechtsmeinung des Gerichts gehe hervor, dass Plattformen nicht selbstständig bewerten dürften, ob etwas eine Urheberrechtsverletzung oder eine legale Nutzung ist. „Also dürfen nur offensichtliche Rechtsverletzung durch Uploadfilter gesperrt werden“, so Reda.

In Deutschland ist die Urheberrechtsreform seit August 2021 in Kraft, dabei schrieb die Große Koalition in die nationale Umsetzung der EU-Richtlinie trotz gegenteiliger Ankündigungen die Uploadfilter fest. Die Ampel-Koalition, die seit Dezember im Amt ist, lehnt laut ihrem Koalitionsvertrag verpflichtende Uploadfilter „zum Schutz der Informations- und Meinungsfreiheit“ ab. Sie hat keine Änderungen angekündigt, möchte das im Vorjahr beschlossene Gesetz aber evaluieren.

 

 

 

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6 Ergänzungen

  1. D. h. doch aber nur Uploads aus der EU dürfen gefiltert werden. Da Geofencing nicht wirklich funktioniert kann das doch niemals funktionieren. Gilt das dann auch, wenn ein nicht EU Bürger aus dem Gebiet der EU etwas hochlädt?

    1. Gesetze sind (i.d.R.) an die Hoheitsgebiete des Staates gebunden. Es sollte also keinen unterschied machen ob es ein EU-Bürger oder nicht-EU-Bürger ist, der etwas hochlädt, solange es vom Gebiet der EU aus erfolgt.

  2. Hat noch jemand den Überblick wie es jetzt mit der Haftung des Uploaders selbst aussieht (entsprechend dem aktuellen Stand der deutschen Umsetzung der EU-Richtlinie)? Die Haftung für Nutzer*innen sollte ja praktisch komplett wegfallen, da man in gutem Glauben annehmen darf, dass die Platform eine Lizenz ausgehandelt hat für Inhalte bei denen der Upload-Filter nicht zuschlägt, oder?
    Oder kann die Content-Mafia weiterhin die IP-Adressen fordern und dann Anwälte loshetzen?

  3. Fazit: Zensur ist verfassungskonform, solange der Gesetzgeber klar genug verspricht, dass die Bösen und nicht die Guten zensiert werden sollen.

    Und natürlich dürfen Plattformen dank Hausrecht mehr filtern als sie gesetzlich müssten, tut YouTube schon jetzt in großem Umfang. Umgekehrt wird ein Schuh draus: Es obliegt ihnen nicht, eine Urheberrechtsverletzung als erlaubt einzustufen, wenn das Gesetz zu einem anderen Schluss kommt.

    1. Naja, es kommt wegen müssen + Haftung vermutlich schon zu massivem Overblocking, vor allem wenn unser Gesetz da noch strikter ist, wie z.B. bei fair use. Das wird höchstens abgeschwächt, wenn wirklich nur „offensichtliche Urheberrechtsverletzungen“ geblockt werden müssen, und das dazu noch im Sinne des technisch mit angemessenem Aufwand machbaren, und das noch gemessen am Umsatz. Es gibt ja nicht nur superreiche Riesenplattformen.

    2. YT filtert exzessiv wegen DMCA (und dem EU-Äquivalent). Es droht den Status des Safe Harbor zu entziehen, wenn nicht eifrig den Abmahnungen der Rechteverwertern nachgekommen wird. Safe Harbor ist die Haftungsbeschränkung gegen Schadensansprüche der Rechteverwerter.

      Was Böse vs Gut angeht, gebe ich dir Recht. Copyright wird allzu gerne zur Kontrolle von Informationen genutzt. Von daher sehe ich es auch kritisch, dass der CJEU vom Balancieren der „Grundrechte“ spricht. Grundrecht Meinungsfreiheit, fein. Jedoch Grundrecht „Schutz des geistigen [intangible] Eigentums“? Übel, äußerst übel. Die „permission culture“ sollte nicht gefördert werden.

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