IndienIT-Ministerium zensiert VLC-Player

Indische Behörden haben die Produkte von VideoLAN verboten und die Webseite und den Download-Link für die Software in Indien blockiert. Details zu der Maßnahme sind bisher nicht bekannt.

zwei indische Politiker aus dem IT-Ministerium Ravi Shanker Prasad und Ajay Prakash Sawhney
Die IT-Minister Ravi Shanker Prasad und Ajay Prakash Sawhney geben keine Auskunft über das Verbot des VLC-Media-Player – Alle Rechte vorbehalten IMAGO/Mohd Zakir/Hindustan Times

Das indische Ministerium für Elektronik und Informationstechnologie hat sowohl die populäre Media-Player-Software als auch den Streaming Media Server von VideoLAN zensiert. Statt der VLC-Webseite bekommen indische Nutzer:innen die Meldung angezeigt, dass „die Website auf Anordnung des Ministeriums für Elektronik und Informationstechnologie gemäß dem IT-Gesetz von 2000 verboten wurde.“ Ein Download der Software ist nicht möglich.

Die französische Nichtregierungsorganisation VideoLAN hat nach eigenen Angaben keine Informationen zu den Hintergründen der Zensur ihrer Software, die indischen Behörden haben keine Information zu dem Fall veröffentlicht. Lediglich bekannt ist, dass die größten der indischen Provider wie ACT Fibernet, Jio und Vodafone-idea Nutzer:innen den Zugang auf die Webseite auf Anweisung des Ministeriums versperren.

Auf Twitter bittet VideoLAN indische Follower:innen um Hilfe: Sie sollen die Behörden kontaktieren und Informationen einfordern. Gleichzeitig dementiert VideoLAN Berichterstattung, das Verbot rühre daher, dass VideoLANs Plattform von der Hackergruppe Cicada für Angriffe genutzt würde.

Schon seit Februar grundlos gesperrt

Das Verbot sei, so VideoLAN auf Twitter, laut interner Statistken bereits seit Mitte Februar in Kraft. Am 7. Juni stellte die indische NGO „Internet Freedom Foundation“ zusammen mit dem Ministerium für Telekommunikation eine IFG-Anfrage an das IT-Ministerium. Sie forderten Informationen, auf welcher Grundlage die Software verboten wurde, und fragten nach, ob die Verantwortlichen des VLC-Player die Möglichkeit bekommen hätten, gehört zu werden.

Das Ministerium antwortete knapp, ihm lägen keine entsprechenden Informationen vor. Die Internet Freedom Foundation hat sowohl die Anfrage als auch die Antwort auf Twitter veröffentlicht. Derweil rätseln das Social-Media-Team von VideoLAN und die Follower:innen auf Twitter, warum eine Open-Source-Software, die keine eigenen Inhalte anbietet, verboten wird.

„VideoLAN ist eine völlig unpolitische Organisation (mit Ausnahme der Themen Digital Rights Management und freie Software), und wir stellen keine Inhalte bereit, vermitteln, zensieren oder verbreiten sie. Und natürlich haben wir auch keinerlei Nutzerdaten.“

Zensur ohne Rechenschaft

Mit dem IT-Gesetz aus dem Jahr 2000 hat sich eine massive Internetzensur in Indien herausgebildet. Das Land steht nicht nur wegen dieser, sondern vor allem auch wegen mangelnder Transparenz in der Zensurpraxis schon länger in der Kritik von Bürgerrechtler:innen.

In den letzten Jahren haben indische Behörden häufig chinesische Apps und Online-Dienste gesperrt, darunter auch TikTok oder den Messenger WeChat. Das IT-Ministerium hat erklärt, diese würden die „Souveränität und Integrität Indiens“ gefährden. Erst Ende Juli wurde Battlegrounds Mobile verboten, das Nachahmerspiel von Playerunknown’s Battleground Mobile aus China. Indien hat mit China geostrategische Auseinandersetzungen und einen Grenzkonflikt, der im Juni 2020 gewaltsam wurde.

Plattform-Zensur auf Twitter

Doch auch inländische Konflikte werden mit Zensur beantwortet, so ließ die Modi-Regierung Kritik an ihrer Corona-Politik auf Twitter löschen sowie Inhalte rund um die landesweiten Bauernproteste. Hier forderte sie Twitter zur Löschung von mehr als 1.000 Accounts auf.

Mit dem Abschnitt 69A des IT-Gesetzes von 2000 und den Blocking Rules von 2009, die daraus hervorgegangen sind, hat das Ministerium die Plattform-Zensur auf Twitter durchgesetzt. Das sei vor allem möglich, weil die Behörde ihr Vorgehen nicht transparent mache, wie die Jurist:innen Tanmay Singh und Amala Dasarathi auf verfassungsblog.org erklären.

Das IT-Ministerium veranlasse ohne jegliche Rechtsgrundlage Twitter dazu, Bürger:innen auf der Plattform zu sperren. Diejenigen, die von ihrem eigenen Twitter-Konto ausgesperrt werden, würden vermutlich nie eine Sperrverfügung für ihr Twitter-Konto einsehen können. Auch sei es unwahrscheinlich, dass sie die Gelegenheit bekämen, sich gegenüber der Zensurbehörde zu erklären.

Keine Anhörungen bei Zensur

Die Internet Freedom Foundation hat herausgefunden, dass im Jahr 2021 zu den 6096 URLs und 347 Apps, die geblockt wurden, lediglich 40 Anhörungen stattfanden.

Vor den Gerichten erkläre das Ministerium zwar, so Singh und Dasarathi, dass die Plattform die gesamten Informationen entfernen oder das gesamte Konto nur sperren müsse, wenn die Mehrheit der Posts darin rechtswidrig sind. Dagegen steht laut den Jurist:innen die Aussage von Twitter, dass das IT-Ministerium in keinem der Fälle, in dem es die Löschung ganzer Konten angeordnet hat, diesen eigenen Standard eingehalten habe.

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4 Ergänzungen

  1. Das Beispiel zeigt erneut: Die technische Entwicklung des Internets in vielen Ländern verhält sich indirekt proportional zur gesellschaftlichen.

    Wenn das so weitergeht und auch bei uns (was wir nicht hoffen) solche Methoden einkehren, dann könnte das Netz statt zum Freiheitssymbol zu einem der Angst und des Schreckens werden.

    Das klingt pathetisch, beschreibt aber eine mögliche Entwicklung.

  2. Videolan-PLATTFORM.

    Was? Ist der Vorwurf, Hintertüren platziert zu haben, Fixes für Indien nicht eingespielt zu haben, oder allgemein Hacker im Internet nicht eigenhändig besiegt zu haben?

  3. Indien war bei IT mindestestens aspektweise mal fortschrittlich.

    Jetzt also clickworking für „KI“ und solche Maßnahmen? Back to normal?

    1. Die Inder haben es immerhin schon mal geschafft, die Engländer als Kolonialherren zu vertreiben. Doch das ist lange her und Kolonialismus kommt heute per IT-Ökonomie.

      >> Indien war bei IT mindestestens aspektweise mal fortschrittlich. <<

      Ein Mythos, der sich schon zu lange hält. Was daran fortschrittlich war ist, dass rund um Bangalore lukrative Ausbeutung indischer IT-Arbeitskräfte betrieben werden konnte, und dies vordergründig als Leuchtturm technologischer Entwicklung hingestellt werden konnte. Der einzige fortschrittliche Aspekt, der mir dabe noch einfällt ist die Tatsache, dass die neuen IT-Feudalherren das überkommene Kastenwesen nicht mehr brauchten.

      Der andere Mythos, nämlich dass Indien die größte Demokratie der Welt sei, der kommt so langsam Dank Modis Indo-Faschismus ins Wanken. Erschwerend kommt hinzu, dass Indien zunehmend den Schulterschluss mit Russland gegen China sucht und auch findet, wobei Russland das selbe mit China versucht gegen "den Westen". Der Feind meines Feindes ist immer ein Freund.

      Die meisten Inder finden die Stelle, an der sie ihr Kreuzchen bei Wahlen machen sollen (bei bezahlten Ausflugsfahrten) noch immer per Symbol/Icon weil sie nicht lesen können. Aber das Wischen auf Smartphones reicht schon ganz gut um die Nase in die neue Konsumwelt zu stecken.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.