Familienministerin Paus„Wir brauchen keine private Chatkontrolle“

Auf der Jugendkonferenz TINCON in Berlin hat Familienministerin Lisa Paus (Grüne) der Chatkontrolle eine klare Absage erteilt: „Das geht zu weit. Das brauchen wir nicht.“ Da sei sich die Bundesregierung einig.

Lisa Paus, Familienministerin
Die Familienministerin lehnt Chatkontrolle ab – Alle Rechte vorbehalten Lisa Paus: IMAGO / Chris Emil Janßen; Bildschirm: IMAGO / MiS; Montage: netzpolitik.org

Bundesministerin Lisa Paus (Grüne) hat auf der Jugendkonferenz TINCON die von der EU-Kommission geplante Chatkontrolle klar abgelehnt. „Das geht zu weit, das brauchen nicht“, sagte die Familienministerin auf eine Frage aus dem Publikum. „Wir brauchen keine private Chatkontrolle“. Paus besuchte die für junge Menschen veranstaltete TINCON, die derzeit parallel zur re:publica stattfindet, für ein Ask Me Anything („Frag mich alles“).

Bei der Chatkontrolle gebe es in der Bundesregierung inzwischen Einigkeit, so Paus weiter. Darüber habe das Kabinett diese Woche gesprochen. „Da sind sich Nancy Faeser, Marco Buschmann und Lisa Paus einig“, sagte sie mit Blick auf ihre Amtskolleg:innen, die Innenministerin Faeser (SPD) und den Justizminister Buschmann (FDP). Der Entwurf der EU sei insgesamt sehr gut, aber die private Chatkontrolle gehe zu weit. Es gelte nach wie vor der Schutz der Privatsphäre.

Gestellt hatte die Frage die Schülerin Carla Siepmann, die auch als freie Autorin für netzpolitik.org  schreibt. Die Chatkontrolle steht in einem Entwurf der EU-Kommission zum Schutz von Kindern und Jugendlichen gegen sexualisierte Gewalt. Chatkontrolle bedeutet, dass Online-Anbieter auf Anordnung automatisch nach Aufnahmen sexualisierter Gewalt gegen Kinder suchen müssen – auch in privaten, Ende-zu-Ende-verschlüsselten Chats. Schlägt die Erkennungssoftware Alarm, werden Ermittler:innen informiert. Expert:innen aus den Bereichen Datenschutz, IT, Bürgerrechte und sogar Kinderschutz lehnen das jedoch als zu tiefen Eingriff in Grundrechte ab.

Digitalminister: „entschieden gegen Chatkontrolle eintreten“

Als Bundesministerin ist Lisa Paus auch für Kinder und Jugendliche zuständig – also genau die Gruppe, die durch die von der EU-Kommission vorgeschlagene Chatkontrolle eigentlich geschützt werden sollte. Dahinter steht eine ungleiche Abwägung: Um potenzielle Darstellungen sexualisierter Gewalt zu entdecken, müssten massenhafte intime Chats von Minderjährigen und Erwachsenen durchforstet werden. Aber keine Erkennungssoftware ist perfekt. So würden durch irrtümliche Treffer auch harmlose Chats auf den Bildschirmen von Ermittler:innen landen.

Warum die Chatkontrolle Grundrechte bedroht

Am gestrigen Donnerstag hat auch Digitalminister Volker Wissing (FDP) auf der re:publica die Absage an die Chatkontrolle unterstrichen. „Ich werde entschieden gegen die anlasslose Chatkontrolle und das Umgehen der Ende-zu-Ende-Verschlüsselung eintreten“, sagte er, wie heise online berichtet.

Bevor die Chatkontrolle Wirklichkeit wirkt, muss das Gesetzesvorhaben allerdings in der EU verhandelt werden. Deutschland spielt dabei eine Rolle im Rat.

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6 Ergänzungen

  1. Ich traue dem Braten nicht. All zu häufig haben deutsche Politiker unliebsame Themen, die sie zu Hause nie durch bekommen hätten, auf die EU abgewälzt und daheim Protest geheuchelt.
    Was wir brauchen ist ein hartes Veto und die bindende Verpflichtung, dass Deutschland die EU postwendend und ohne Übergangsfrist oder weiter Zahlungen verlassen wird, sollte Chatkontrolle beschlossen werden.

  2. Was fehlt ist das Benennen jener treibenden politischen Kräfte in der EU bzw. in den jeweiligen Mitgliedsstaaten, welche beharrlich gegen Verschlüsselung und für Vorratsdatenspeicherung eintreten. Diese sollten mal aus der Deckung genommen werden.

    1. Es ist nicht eine bestimmte politische Kraft, denn sonst könnte man nach Ideologie (links/rechts) oder Parteien unterscheiden. Es sind vor allem die Polizeiapparate die mit ihren Forderungslisten bei manchen Politiker*innen Gehör finden. Wenn dazu dann noch Unverständnis oder Gleichgültigkeit gegenüber den mit den Maßnahmen einhergehenden Grundrechtseinschränkungen kommt kann man von diesen Politiker*innen nichts mehr erwarten. Die würden alles durchwinken was „effektiv“ oder auch nur ein bisschen „nützlich“ zu sein scheint, koste was wolle.

  3. Die Überschrift sagt doch alles!
    „Wir brauchen keine **private** Chatkontrolle“

    Also Bitte! Staatstrojaner sofort.

  4. Noch bis zum 7. August können auf der offiziellen Webseite der Kommission Rückmeldungen zur Chatkontroll-Verordnung gegeben werden. Jeder Mensch, jede Firma oder NGO kann sich offiziell beteiligen.

    https://ec.europa.eu/info/law/better-regulation/have-your-say/initiatives/12726-Bekampfung-des-sexuellen-Missbrauchs-von-Kindern-Erkennung-Entfernung-und-Meldung-illegaler-Online-Inhalte_de

    Schreibt doch selbst eine Rückmeldung und/oder helft dem Link publik zu machen!

    1. Sieht erst mal wie eine Kommentarspalte aus. Gibt es eine Historie der „Zuwendung“ des „Systems“ zu Nutzerrückmeldung?

      Vertrauen würde ich da nicht, zudem gehört zu einem balancierten System eine analytische GEGENSEITE, in systematischer Weise eingesetzt. Bei Gesetzgebung auch noch domänenspezifische Fachseite. Und nix mit „kommt nicht in den Bericht“. Alles ist zu veröffentlichen, insbesondere bei Gesetzgebung.

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