Dritter Unfall in drei JahrenHermes 900 wird zur Crash-Drohne

Eine Drohne von Elbit ist auf den Philippinen abgestürzt. In Israel erhielt der Hersteller trotz ähnlicher Vorfälle die weltweit einmalige Erlaubnis zum Flug im zivilen Luftraum. Das plant auch die Schweiz.

Eine Drohne in einem Hangar, von hinten fotografiert.
Die Hermes 900 beim Schweizer Militär. Bundesamt für Rüstung

Ein unbemanntes Luftfahrzeug vom Typ Hermes 900 erlitt am Samstag auf den Philippinen bei einem Absturz Totalschaden. Die Bruchlandung ereignete sich beim Anflug auf den Flughafen Lumbia auf der Insel Mindanao, offenbar nachdem die Kommunikation mit der Drohne unterbrochen war. Sie soll sich auf einem Testflug befunden haben, um verschiedene Funktionen zu erproben.

Bei dem Crash in bewaldetem Gebiet sollen keine Menschen oder Gebäude zu Schaden gekommen sein. Die Drohne wird nun geborgen. Die philippinische Luftwaffe ermittelt zur Ursache des Vorfalls. Vorläufig müssen alle Drohnen desselben Typs am Boden bleiben.

Drohne gilt als kampferprobt

Berichten zufolge hat die Regierung in Manila neun Hermes 900 bei der israelischen Herstellerfirma Elbit bestellt und dafür rund 175 Millionen Dollar ausgegeben. Sie können für Überwachungs- oder Such- und Rettungseinsätze genutzt werden. Letztes Jahr präsentierte Elbit eine maritime Version, die Rettungsinseln abwerfen kann, ihr Einsatz soll durch einen ungenannten Kunden in Südostasien erfolgen.

Die Hermes 900 hat eine Spannweite von 15 Metern und ein maximales Abfluggewicht von 1.180 kg. Mit einer Flughöhe bis zu 10.000 Metern und einer Ausdauer bis zu 36 Stunden gehört sie zur Klasse der Langstreckendrohnen (Medium Altitude Long Endurance – MALE).

In Israel gilt die Hermes 900 als kampferprobt, exportiert wird sie aber nur unbewaffnet. Wie ihr Vorgänger Hermes 450 gehört sie zu den weltweit am häufigsten eingesetzten Militärdrohnen. Lieferungen erfolgten nach Chile, Kolumbien, Brasilien, Mexiko, Aserbaidschan und Singapur. Zuletzt hatte das Militär in Uganda angeblich zwei Dutzend Hermes 900 bestellt.

Unfall im Frontex-Einsatz

Vor drei Jahren hatte auch die Grenzagentur Frontex eine Hermes 900 zur Grenzüberwachung eingesetzt. Die Drohne war dazu auf Kreta stationiert, die Flüge erfolgten unter Verantwortung der EU-Agentur für die Sicherheit des Seeverkehrs (EMSA). Anfang Januar 2019 ist das Luftfahrzeug auf der Startbahn des Flughafens Tympaki bei der Landung verunfallt.

Laut der EU-Kommission habe es sich um eine „harte Landung“ gehandelt, nachdem Sensoren der Drohne zuvor „atypische Messwerte“ angezeigt hätten. Demnach wurden der Rumpf, Tragflächen und Sensoren beschädigt, es sei aber „weder zu Todesfällen noch zu Schäden an der Landebahn“ gekommen.

Zuvor flog eine Hermes 900 im Auftrag der EMSA für die Küstenwache in Island. Es war der erste mehrmonatige Einsatz der israelischen Drohne unter schwierigen Wind- und Wetterbedingungen.

Abstürze auch bei der Konkurrenz

Seit dem Crash auf Kreta haben EU-Agenturen keine Hermes 900 mehr genutzt. Vor zwei Jahren vergab Frontex einen Auftrag für Flüge mit Langstreckendrohnen im Mittelmeer, es gewann der Elbit-Konkurrent Israel Aerospace Industries mit seiner Heron 1.

Die Heron 1 flog in den letzten Jahren allerdings auch nicht unfallfrei. Die Bundeswehr nutzte die Drohne beispielsweise ab 2010 in Afghanistan, dort wurden sie von Airbus-Technikern gestartet und gelandet. Der Rüstungskonzern wurde vom Beschaffungsamt der Bundeswehr als Hauptauftragnehmer für den Rahmenvertrag ausgewählt.

Mindestens vier Heron 1 sind entweder auf dem Rollfeld oder im Flug in Afghanistan verunglückt und mussten ersetzt werden. In mindestens einem Fall auf der Startbahn sollen dafür Airbus-Piloten verantwortlich gewesen sein, in einem anderen Fall kollidierte die Drohne „mit einem Berg“.

„Rollversuche“ in der Schweiz

Auch die Armee in der Schweiz gehört zu den unglücklichen Kund:innen von Elbit, erst Ende April dieses Jahres erfolgte die jahrelang verspätete Lieferung von zwei Drohnen inklusive der nötigen Bodenstationen und Logistik. Das rund 300 Millionen Franken teure Programm hatte sich verzögert, nachdem eine für die Schweiz bestimmte Hermes 900 im August 2020 bei einem Testflug in Israel abstürzte und Totalschaden erlitt.

Im Unfallbericht heißt es, dass die Bremsklappen Vibrationen erzeugten, die das Flugzeug bei hohen Geschwindigkeiten an die Flattergrenze bringen. Dadurch brach das markante V-Leitwerk der Drohne ab. Elbit hat anschließend die Konfiguration der Klappen verändert und in „Flattertestflügen“ die Lufttüchtigkeit nachgewiesen.

In der Schweiz firmieren die Hermes 900 als Aufklärungsdrohnensystem 15 (ADS 15), sie sollen das Vorgängerprogramm ADS 95 mit mehreren Hermes 450 modernisieren. Derzeit finden auf einem Militärflugplatz erste „Rollversuche“ statt. Damit soll der einwandfreie Kontakt zur Bodenkontrollstation überprüft werden. Der Erstflug soll im Juni erfolgen, bis Ende 2023 werden vier weitere Hermes 900 ausgeliefert.

Flüge im zivilen Luftraum

Ungeachtet der mindestens drei schwerwiegenden Unfälle innerhalb von drei Jahren hat die israelische Zivilluftfahrtbehörde eine dauerhafte Erlaubnis für Flüge der Hermes 900 im dortigen zivilen Luftraum erteilt. Es dürfte sich dabei um die weltweit erste Musterzulassung für ein unbemanntes Luftfahrzeug dieser Größe handeln. Laut einem Sprecher arbeitete Elbit sechs Jahre daran.

Die beim Militär eingesetzten Drohnen werden nun – etwa für Trainings – von zivilen Fluglotsen koordiniert. Die Zertifizierung für das dafür notwendige Ausweichsystem („Sense-and-Avoid“) erfüllt laut der israelischen Luftfahrtbehörde die geltenden NATO-Standards für die Integration von schwergewichtigen Drohnen.

Ab Ende 2024 plant auch die Schweiz, ihre Hermes 900 im zivilen Luftraum fliegen zu lassen. Vorher wird jedoch noch eine nationale Zulassung des Ausweichsystems durch die Schweizer Luftfahrtbehörde benötigt. Anschließend soll die Drohne auch im Auftrag von Polizei- und Rettungsorganisationen sowie der Grenzwacht eingesetzt werden.

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