DatenschutzgrundverordnungWichtiger Baustein für Cookie-Banner ist illegal

Der technische Standard, mit dem Werbefirmen DSGVO-Einwilligungen im Netz einsammeln, ist rechtswidrig. Die belgische Datenschutzbehörde neutralisiert damit einen zentralen Mechanismus des digitalen Werbe-Ökosystems. Die Konsequenzen könnten gewaltig sein, auch für deutsche Medien und Branchengrößen wie Google oder Amazon.

Nahaufnahme eines Kekses, der mit einem kleinen Hammer zerschlagen wird und in Einzelteile zersplittert
„Harter Schlag gegen die Datenindustrie“: Ein wichtiger Standard für Cookie-Einwilligungen verstößt gegen die DSGVO – Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch unsplash.com Theo Crazzolara

Einer der wichtigsten Standards des Ökosystems für Online-Werbung verstößt in einer Vielzahl von Punkten gegen die Datenschutzgrundverordnung. Zu diesem Schluss kommt die belgische Datenschutzbehörde APD in einer lange erwarteten Entscheidung zum sogenannten Transparency and Consent Framework (TCF). Das System, mit dem Werbetreibende im Internet Einwilligungen für Targeted Advertising einsammeln, entspreche nicht den Grundsätzen von Rechtmäßigkeit und Fairness, teile die Aufsichtsbehörde mit.

Die Entscheidung ist mit den anderen europäischen Datenschutzbehörden abgestimmt und hat Konsequenzen für Cookie-Banner und verhaltensbasierte Online-Werbung in der gesamten EU. Der Werbeverband IAB Europe, der den TCF-Mechanismus entwickelt und betreibt, muss nun die so gesammelten personenbezogenen Daten löschen und eine Strafe von 250.000 Euro zahlen. Weitaus bedeutender sind jedoch die Auflagen, die die APD der Werbebranche macht, damit sie das Transparency and Consent Framework überhaupt weiter nutzen darf.

Tausende Websitebetreiber:innen, fast alle Online-Medien und auch große Werbefirmen wie Google oder Amazon nutzen den Mechanismus, um das vermeintliche Einverständnis von Nutzer:innen in die Verarbeitung ihrer persönlichen Daten zu Werbezwecken weiterzugeben. „Menschen werden eingeladen, ihre Zustimmung zu geben, doch die meisten von ihnen wissen nicht, dass ihre Profile vielfach am Tag verkauft werden, damit sie personalisierter Werbung ausgesetzt werden“, fasst Hielke Hijmans von der APD die Kritik ihrer Behörde zusammen.

Auch wenn die Entscheidung nicht direkt das gesamte Werbesystem im Netz betreffe, werde sie großen Einfluss auf den Schutz der persönlichen Daten von Internetnutzer:innen haben, so Hijmans.

Zentraler Baustein für Targeting und Cookie-Banner illegal

Vereinfach gesagt funktioniert das System von zielgerichteter Werbung im Netz heute so: Jeder Besuch bei einer teilnehmenden Website löst eine Auktion unter den Anbietern von Werbeanzeigen aus. Unter anderem anhand der gewünschten Preise und des Datenprofils der Nutzerin entscheidet sich in Millisekundenschnelle, welche Werbung sie zu sehen bekommt. Damit dieses Real-Time-Bidding (RTB), also das Bieten in Echtzeit, funktioniert, müssen die Werbefirmen wissen, mit wem sie es zu tun haben: Alter, Geschlecht, Interessen, besuchte Websites, Wohnort, Kaufkraft und so weiter sind wichtige Kriterien, nach denen die Zielgruppen für Anzeigen zusammengestellt werden.

Hier kommt das Transparency and Consent Framework von IAB Europe ins Spiel. Wenn Nutzer:innen auf „Cookies akzeptieren“ klicken oder nicht widersprechen, dass die Nutzung ihrer Daten im legitimen Interesse des Anbieters ist, erzeugt das TCF einen sogenannten TC-String. Dieser Identifier bildet die Grundlage für die Erstellung von individuellen Profilen und für die Auktionen, in denen Werbeplätze und mit ihnen die Aufmerksamkeit der gewünschten Zielgruppe versteigert werden, und wird an aberhunderte Partner in dem OpenRTB-System weitergeleitet.

Den belgischen Datenschützer:innen zufolge sind es vor allem zwei Probleme, die das Consent Framework in seiner heutigen Form praktisch unbenutzbar machen. Zum einen hält die Behörde fest, dass bereits die TC-Strings personenbezogene Daten darstellen. Gemeinsam mit der IP-Adresse und den vom TCF gesetzen Cookies ermöglichen sie es nämlich, Nutzer:innen genau zu identifizieren. Zum anderen ist der Werbeverband IAB Europe nach Ansicht der Datenschutzaufsicht für jede Datenverarbeitung über das Framework rechtlich mitverantwortlich.

Bislang hatte der Verband sich als neutraler Anbieter eines technischen Standards inszeniert und eine Rolle als Datenverarbeiter stets von sich gewiesen – und damit auch die Verantwortung dafür, dass die Prozesse auch wirklich DSGVO-konform sind. Dass Werbetreibende sich in ihren Cookie-Bannern auf ein „legitimes Interesse“ an der Datensammlung berufen, statt um Einwilligung zu bitten, müsste das Framework zum Beispiel grundsätzlich untersagen, um rechtskonform zu sein.

Auch darüber hinaus verstoße der TCF-Mechanismus gegen diverse Vorgaben der DSGVO, zum Beispiel gegen die Grundsätze von Privacy by Design und by Default. Die Aufsichtsbehörde gibt IAB Europe zwei Monate Zeit, um einen Aktionsplan vorzulegen, wie es die Mängel beheben will.

IAB Europe prüft rechtliche Schritte

Der Werbeverband widerspricht unterdessen der Darstellung der Datenschutzbehörde in wesentlichen Punkten und kündigt an, die Entscheidung gerichtlich überprüfen lassen zu wollen. Er betont zudem, dass die Behörde das TCF nicht grundsätzlich verboten habe und dass man die Mängel innerhalb von sechs Monaten beheben könne.

Für die Online-Werbeindustrie und auch für viele Medienhäuser ist die Entscheidung ein herber Rückschlag. Das von ihnen genutzte Ökosystem des Targeted Advertising ist an einer entscheidenden Stelle illegal: der Einwilligungen der Nutzer:innen und damit der Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung.

Datenschützer:innen bezweifeln seit langem, dass es überhaupt möglich ist, dass System des Targeted Advertising und des Real-Time-Biddings datenschutzkonform zu betreiben. Die Datenflüsse zwischen den hunderten Playern des Systems sind für Nutzer:innen weder nachvollziehbar, noch können sie sinnvoll intervenieren und Einwilligungen zurückziehen – von den unlauteren Design-Tricks, um sich die Einwilligung zu erschleichen, mal ganz abgesehen.

„Harter Schlag gegen die Datenindustrie“

Entsprechend euphorisch wird die Entscheidung der belgischen Behörde von vielen begrüßt. „Das war ein langer Kampf“, resümiert etwa Johnny Ryan vom Irish Council for Civil Liberties, der das Verfahren zusammen mit anderen NGOs wie der Digitalen Gesellschaft oder Panoptykon aus Polen in Gang gebracht hatte. Die heutige Entscheidung befreit hunderte Millionen Europäer:innen vom Einwilligungs-Spam und der weitreichenden Gefahr, dass Informationen über ihre intimsten Online-Aktivitäten zwischen Tausenden Firmen hin- und hergereicht werden.

Estelle Masse von der Nichtregierungsorganisation Access Now sieht durch die Klarstellung, dass das Framework keine gültige Rechtsgrundlage habe, „seine gesamte Existenz infrage gestellt“. Für Online-Medien, die auf das TCF setzen, hat sie eine dringende Empfehlung: „Verlage sollten so schnell wie möglich damit aufhören, denn sie tragen eine datenschutzrechtliche Mitverantwortung für die Verarbeitung. Dieses Mal trifft die Strafe IAB Europe, doch das dürfte noch nicht das Ende der Geschichte sein.“

„Die Entscheidung der belgischen Datenschutzaufsicht gegen das TCF ist ein harter Schlag gegen die Datenindustrie, die ihrem invasiven digitalen Tracking gerne einen DSGVO-konformen Anstrich verleihen wollten, indem sie uns allen die permanente Auseinandersetzung mit nutzlosen ‚Einwilligungs“-Bannern aufzwingen“, twittert der österreichische Überwachungsforscher Wolfie Christl.

Ebenfalls auf Twitter begrüßte auch der deutsche Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber die „wichtige Entscheidung zu Einwilligungsbannern durch die belgischen Kollegen und den europäischen Datenschutzausschuss.“

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4 Ergänzungen

  1. Bei DHL habe ich letzt gesehen:
    – 1Cookiebanner
    – 1Allesknopf
    – 1Nurnotwendigesknopf

    Kein Spuk, ein Click, seltsam…

  2. Eine Strafe von 350000€ ist viel zu gering, wenn man die Millionenumsätze der Werbeindustrie betrachtet. Die Hätte ruhig mal deftig im zwei bis dreistelligen Millionenbereich ausfallen können. Abschreckend ist das sonst nicht. Und das die Daten gelöscht werden sollen ist ja schön und gut, aber die sind schon längst abgegriffen und werden weiter verwertet. Außerdem – wer soll das kontrollieren und wie?

  3. Wieder eine begrüßenswerte Entscheidung. Aber was nützt das, wenn die Landesdatenschutzbeauftragten all das nicht durchsetzen, weil sie dramatisch unterbesetzt und unterfinanziert sind? Dann ist es eben nur ein weiterer Rechtsverstoß, der fortgeführt wird, weil man keine Strafe fürchten muss.

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