Aufhebung von Roe v. WadeMeta zensiert Beiträge zu Abtreibungen

Nach dem Ende des bundesweiten Rechts auf Abtreibung in den USA hat Meta schnell reagiert. Seitdem löschen Instagram und Facebook Hinweise über Schwangerschaftsabbrüche und sperren Beiträge zu Abtreibungspillen. Der Tech-Konzern gesteht Fehler ein.

Vier Frauen umarmen sich.
Ungewollt Schwangere finden sich in vielen US-Bundesstaaten in einer prekären Situation wieder. (Symbolbild) – Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch unsplash.com Vonecia Carswell

Der Konzern Meta zensiert auf seinen Sozialen Netzen Äußerungen zu Abtreibungen. Grund dafür dürfte die Entscheidung des Supreme Courts vom vergangenen Freitag sein: Der Oberste Gerichtshof der USA hat das Grundsatzurteil Roe v. Wade gekippt und damit das bundesweite Recht auf Abtreibung aufgehoben. Instagram und Facebook löschen nun Hinweise, wie ungewollt Schwangere an Abtreibungspillen kommen und sperren informelle Beiträge, die Betroffene über Schwangerschaftsabbrüche aufklären.

Von der neuen Gangart ist etwa die Fotografin Zoë Noble betroffen, die in London und Berlin arbeitet. Sie dokumentiert mit ihrem Projekt „We Are Childfree“ Frauen, die sich dazu entschlossen haben, keine Kinder zu bekommen. Das Projekt setzt sich unter anderem für das reproduktive Selbstbestimmungsrecht ein und fordert, dass Frauen selbst über ihre Schwangerschaft entscheiden sollen dürfen. Die Initiative hat nach der Aufhebung des Roe-Urteils einen Instagram-Beitrag verfasst, der erklärt, wie Menschen Abtreibungen in Amerika unterstützen können. Daraufhin hat Instagram diesen Beitrag als „sensibel“ markiert. Viele Nutzer:innen erhalten derart gekennzeichnete Inhalte nur dann zu Gesicht, wenn sie dem ausdrücklich zustimmen. Dazu müssen sie ihre Volljährigkeit bestätigen. Minderjährige bekommen die Inhalte nicht zu sehen.

Informative Posts erhalten Warnsymbole

„Zuerst war ich überrascht und verwirrt“, so Zoë Noble auf Englisch gegenüber netzpolitik.org. Sie habe nicht verstanden, warum der Beitrag von Instagram zensiert wurde. Sie führt an: „Wir haben in der Vergangenheit Inhalte geteilt, die Abtreibung befürworten, ohne dass es zu Konsequenzen gekommen ist.“ Allerdings habe sie dann von der Zensur anderer Konten gehört. Sie sei so zu dem Schluss gekommen, dass alle Beiträge, die Wörter und Hashtags wie „Abtreibung“ und „Roevwade“ enthalten, von Meta blockiert würden. „Das war der Moment, in dem ich anfing, wütend zu werden!“ 

Instagram hat den Informationspost außerdem mit einem Warnsymbol gekennzeichnet, der auf explizite, grafische Inhalte hinweist. Das betrifft üblicherweise Bilder, die traumatisierend wirken können, etwa da sie Gewalttaten oder sexuelle Handlungen darstellen. Der Beitrag des „We Are Childfree“-Projekts ist allerdings nicht bildlich, sondern enthält lediglich Informationen über die Unterstützung schwangerer Menschen in den USA. 

Noble kritisiert, dass Meta so wichtige Informationskanäle abschalte, die seit der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs noch wichtiger geworden seien. Sie erklärt:

Meta macht sich dabei mitschuldig und sendet die Botschaft aus, dass Abtreibung etwas Illegales und potenziell Schädliches ist – genau die Botschaft, die Abtreibungsgegner:innen seit Jahrzehnten gegen den Rest von uns einsetzen. 

Ein Einzelfall ist das nicht. Die US-amerikanische Presseagentur Associated Press berichtet, dass duzende weitere Instagram-Beiträge von einer solchen unverhältnismäßigen Zensur betroffen seien. Die Social-Media-Plattform des Mutterkonzerns Meta hat sich gestern auf Twitter zu den Vorfällen geäußert. Demnach soll es sich um einen „bug“ (Fehler) handeln, an einer Lösung werde derzeit gearbeitet.

Facebook erschwert Zugang zu Abtreibungspillen

Der neuen Rechtslage nach entscheiden nun die Bundesstaaten selbst, ob sie Abtreibungen erlauben oder nicht. In 26 davon sollen Schwangerschaftsabbrüche sicher oder wahrscheinlich verboten werden. Schon jetzt zeichnet sich eine extrem prekäre Versorgungssituation für ungewollt Schwangere ab, die in Staaten ohne Abtreibungsrechte leben. 

Eine der wenigen noch verbleibenden Möglichkeiten für Betroffene ist es, Abtreibungspillen aus Staaten zu bestellen, in denen diese Praxis noch legal ist. Organisationen, die Abtreibungspillen verschicken und eine telemedizinsche Betreuung anbieten, haben nach der Entscheidung des Supreme Courts vermehrt Informationen dazu im Netz geteilt. Auch Privatmenschen haben auf Sozialen Medien angeboten, Abtreibungspillen an ungewollt Schwangere zu senden.

Facebook und Instagram schieben diesem Hilfsangebot nun einen Riegel vor: Die Plattformen sperren Beiträge, in denen es um den Handel von Abtreibungspillen geht. Bereits Minuten, nachdem der Supreme Court das bundesweite Abtreibungsrecht aufgehoben hatte, entfernte Instagram den Beitrag einer Frau, in dem sie Abtreibungspillen angeboten hat. Indes zeigen Recherchen von Motherboard/VICE und der Associated Press auf, dass Nutzer:innen auf Facebook zwar problemlos Schmerzmittel, Waffen oder Marihuana anbieten können, jedoch keine Abtreibungspillen.

Motherboard erhielt auf den Facebook-Post „abortion pills can be mailed“ („Abtreibungspillen können per Post verschickt werden“), den Hinweis, dass der Beitrag gegen die Gemeinschaftsstandards von Facebook verstoße. Die Gemeinschaftsstandards verbieten auch den Verkauf von Waffen, Drogen und rezeptpflichtigen Medikamenten.

Versand von Abtreibungspillen soll legal bleiben

Offenbar ist das Tech-Unternehmen aber stärker bemüht, den Handel von Abtreibungspillen einzudämmen – dabei hat das US-amerikanische Gesundheitsministerium (FDA) im Jahr 2021 ermöglicht, dass Abtreibungspillen per Post verschickt werden dürfen. Zuletzt hatte der US-Justizminister Merrick Garland bekräftigt, dass der Zugang dazu nicht eingeschränkt werden dürfe.

Andy Stone, ein Sprecher für Facebook, hat vergangenen Montag getwittert, dass die Plattform zwar erlaube Informationen auszutauschen, aber eben keine Ware. Er schreibt auf Englisch: „Wir haben einige Fälle von falscher Durchsetzung entdeckt und korrigieren diese.“

Für die Fotografin und Pro-Choice-Aktivistin Zoë Noble ist es essenziell, über Schwangerschaftsabbrüche offen und frei sprechen und diskutieren zu können – auch im Netz. Sie erklärt:

Der Schwangerschaftsabbruch wird niemals als Gesundheitsfürsorge akzeptiert werden, solange wir nicht in der Lage sind, offen darüber zu sprechen und frei darüber zu diskutieren. 

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11 Ergänzungen

  1. „Meta macht sich dabei mitschuldig und sendet die Botschaft aus, dass Abtreibung etwas Illegales ist“

    Ich mag mich irren, aber ist es nicht das, was der Supreme Court geurteilt hat?
    So falsch, rückständig und typisch konservativ ich das Urteil halte und auch wenn die USA nur eine unvollständige Demokratie sind – die Amerikaner haben sich für dieses Rechtssystem entschieden, erkennen es als legitim an und damit ist das Urteil bindend.

    Warum ein reiner Text mit bildlichem Warnhinweis versehen wird, weiss ich nicht. Aber dass nach dem Urteil des Supreme Court Facebook seine Regularien angepasst hat, ist doch korrekt.

    Oder gehen wir jetzt dazu über, Urteile nur noch anzuerkennen, wenn sie unserer Meinung entsprechen und alle zu verurteilen, welche sich an ebendiese Urteile halten?
    Ich meine, dann können wir das Rechtssystem gleich abschaffen.
    Denn mehr haben die Fotografin und dieser Artikel nicht zu bieten: die Forderung an Meta, das Urteil zu ignorieren.

    „Frei darüber sprechen“ und „Unterstützung für Abtreibungen anbieten“ sind zwei verschiedene Dinge. Ich kann in Deutschland frei über verbotene Gegenstände reden, aber mache mich strafbar zu empfehlen, wie man sie bekommt und welche Gesetze man dafür missachten muss.

    1. Ja eben, Sie sagen es selbst im letzten Satz: „Frei darüber sprechen“. Dazu ist ein „Soziales Netzwerk“ da (dass FB das selbst in vielen Punkten nicht einhält, ist ein anderes Thema).

      Das Urteil verbietet Abtreibungen an sich und meines Wissens auch Werbung dafür. Aber das darf keinen Einfluss darauf haben, dass auf FB nicht darüber diskutiert werden kann und Leute, die sich des Themas annehmen, ausgeklammert werden.

      Ganz abgesehen davon ist es juristisch und hier vor allem nach internationalem Recht fragwürdig, ob Facebook oder anderen Institutionen, die quasi überall abrufbar sind (also auch ausserhalb der USA), durch ein US-Urteil in ihrer Freiheit beschnitten werden dürfen, Leuten zu erlauben, über ein bestimmtes Thema zu diskutieren oder es anzusprechen. Das würde bedeuten, dass die USA für sich beanspruchen, die Meinungsfreiheit auch ausserhalb ihres Landes zu beschneiden und so anderen Ländern ihren von mir oben angesprochenen politischen Willen aufzwingen.

    2. Die Art der Urteile, die in letzter Zeit gefallen sind, ihre bevorzugten „Angriffsziele“ und die hohe Taktrate, in der die Urteile gefällt werden, hinterlassen doch arg das Geschmäckle, dass die amerikanische Judikative sich nebenbei auch als Legislative betätigen will. Und das war ja auch ganz unverhohlen das Ziel, als Trump entsprechende Richter ernannt hat.

      Statt also darauf zu pochen, „dass das jetzt nun mal die Entscheidung“ sei, sollte jeder Demokrat in so einem Fall ganz besonders aufhorchen. Denn die Gewaltenteilung ist essenzieller Bestandteil der Demokratie – auch in den USA.
      Hier in Deutschland haben wir den einen oder anderen Querdenker-Richter ja schließlich auch in seine rechtlich festgelegten Schranken verwiesen, ohne gleich das Rechtssystem in seiner Gesamtheit in Zweifel zu ziehen.

      1. Die US-Legislative ist seit Jahrzehnten gelaehmt und disfunktional, weswegen viele Grundsatzentscheidungen eben ueber SCOTUS gefaellt wurden.

        Die Reps bekommen Dinge mit Tricks noch hin, die Dems sterben lieber in Schoenheit. Wobei die etablierten Dems persoenlich nicht von den Reps zu unterscheiden sind und daher zumindest finanziell bestens profitieren. Da will man nicht unbedingt gewinnen, da will man sich vor allem gut fuehlen koennen. Die Gruenen sind auf dem gleichen Weg.

    3. Du irrst. SCOTUS hat geurteilt, dass die Bundesstaaten das nach Gusto regeln koennen, da die US-Verfassung dieses Recht nicht garantiere (und es gibt kein entsprechendes Bundesgesetz).

      Verboten (= illegal) ist Abtreibung uebrigens in Deutschland, und nur unter gewissen Umstaenden trotzdem straffrei.

  2. Tja, da zeigt sich, wie „sozial“ die sogenannten „Sozialen Medien“ wirklich sind. Nämlich gar nicht! Und das sich jetzt die Strahlwirkung offenbart, die sie weit über die USA hinaus beanspruchen und so der Welt, respektive hier den ungewollt Schwangeren ihren Willen aufzwingen.

    Es gilt dagegen anzukämpfen!

    Andererseits: Ich kann verstehen, wenn Menschen wie Zoe Noble möglichst viele Frauen erreichen wollen. Ratsam wäre es aber (gewesen), andere, nicht-kommerzielle Kanäle zu wählen.

  3. Erst wurde der Globalisierung alles geopfert, jetzt noch kurz den politischen Diskurs in die Tonne, stets weil sonst ja alles abbrennt. Frage zur Deglobalisierung: haben wir denn das Grundproblem schon gelöst??

    1. „Deglobalisierung“ – was soll das, zurück zum Nationalismus?
      Das endet wieder nur im Krieg.

      1. Globalisierung und Nationalismus sind kein Widerspruch, die meisten „westlichen“ sind nationalistisch.

        Das Gegenteil von Globalisierung ist Regionalisierung. Was innerhalb etablierter Strukturen natürlich einfacher ist.

      2. US-Think-Tanks reden von Deglobalisierung. Ob als totale Prinzip wie beim Kapitalismus, sei mal dahingestellt. Die Frage geht also zu den „jetzt so“-Leuten.

      3. Das Gegenteil von Globalisierung ist Regionalisierung, und die ist bitter noetig.

        Globalisierung und Nationalismus ist kein Widerspruch, letztlich erlaubt Globalisierung die globale Ausbeutung ohne Kolonialkriege. Mit dem zusaetzlichen Vorteil fuer die global agierenden Reichen, grosse Teile der eigenen Bevoelkerung gleich mit ueber den Tisch ziehen zu koennen.

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