Wochenrückblick KW25Gesetzes-Endspurts und Impf-Odysseen

In dieser Woche hat der Bundestag im Endspurt noch einige Gesetze durchgebracht. Die IT-Konsolidierung des Bundes bleibt hingegen im gemütlichen Tempo zurück. Und der Weg zum Impftermin wird für einige zum Dauerlauf – während in anderen Ländern der Startschuss nicht mal gefallen ist.

Ente rennt übers Wasser
Schnell noch ein Gesetzesendspurt und dann ab ins Wochenende. – Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch unsplash.com Zdeněk Macháček

Das politische Jahr geht zu Ende. Und immer wenn etwas zu Ende geht, heißt das: Es muss schnell gehen. Jede Menge Gesetze müssen noch kurz vor Schluss durch den Bundestag. Dazu gehört ein Open-Data-Gesetz für die Verwaltung. Das bleibt leider hinter seinen Möglichkeiten zurück, finden einige. Einen Rechtsanspruch auf offene Daten enthält es nämlich nicht und man wird zunächst weiter darauf angewiesen, dass die Behörden ihre Daten freiwillig zur Verfügung stellen.

Letzter Aufruf für Gesetze: jetzt

Mit dabei im Last-Minute-Gesetzesregen sind auch drei Strafrechtsverschärfungen zu Feindeslisten, Cyberstalking und kriminellen Handelsplattformen. Über einige davon hat die Große Koalition schon seit Monaten diskutiert, dennoch kam es kurz vor Schluss noch zu Änderungen. So ist im Feindeslistengesetz jetzt auch verhetzende Beleidigung erfasst.

Zwei weitere Gesetze mit sehr langen Namen, die in der Nacht durch den Bundestag gingen, beschäftigen sich etwas kürzer gesagt mit den Rechten von Verbraucher:innen beim Kauf von Smart-Home Produkten. Die im Gesetz vorgesehene Update-Pflicht ist noch unzureichend, aber ein erster Schritt, schreibt Markus Beckedahl.

Doch nicht nur der Bundestag feilt noch an Gesetzen, auch Nordrhein-Westfalen hat noch etwas vor. Armin Laschets Landesregierung will das Demonstrationsrecht erheblich einschränken. Die weißen Overalls von Klima-Demonstrant:innen sind der schwarz-gelben Koalition dabei so sehr ein Dorn im Auge, dass sie in einer Reihe mit Nazi-Uniformen von SA und SS genannt werden. Und auch an anderer Stelle im Gesetzentwurf scheint es eher, als ginge es um Kriminelle statt um Demonstrierende.

Impfen, impfen, impfen, bis der Arzt kommt

Neben dem politischen Gesetzesgeschehen beschäftigt uns die Corona-Pandemie weiter – auch wenn die Inzidenzen glücklicherweise sinken. Damit das zuverlässig so weitergeht, müssen wohl noch mehr Menschen geimpft werden. Mittlerweile dürfen die meisten, doch der Weg zum Impftermin ist oft noch voller Hindernisse. Buchungssysteme sind intransparent – stundenlanges Neuladen von Websites ist oft Grundvoraussetzung, um einen Termin zu bekommen. Im Podcast haben wir uns das genauer angeschaut und Menschen bei ihrer persönlichen Impfreise begleitet.

Mit dem Impfen verbunden ist zumindest in Berlin der Terminvergabedienst Doctolib. Dessen App soll Medienberichten zufolge sensible Suchanfragen seiner Nutzer:innen mit Facebook und der Werbeplattform Outbrain geteilt haben. Nicht die besten Voraussetzungen für Vertrauen – umso weniger, wenn Doctolib auf Anfragen erstmal nicht antwortet.

Hier in Deutschland ist der Impfstoff mittlerweile zwar nicht mehr ganz so knapp, wie zu Beginn – in vielen Ländern der Welt sieht das jedoch anders aus. Dabei blockiert die Bundesrepublik den sogenannten „TRIPS-Waiver“, der die Impfstoffproduktion in ärmeren Ländern ermöglichen würde, schreibt Julia Reda in ihrer Kolumne Edit Policy.

Es ist nicht alles schlecht

Die Pandemie betrifft alle von uns – persönlich wie auch beruflich. Welche Auswirkungen sie auf das weltweite, digitale Mediengeschäft hat, beschreibt der neue Digital News Report. Pia Stenner hat die wichtigsten Erkenntnisse zusammengefasst: Demnach hat die Situation die Entwicklung für digitale und mobile journalistische Angebote beschleunigt.

Weiter im Sinne von „Es ist nicht alles schlecht“: ARD und ZDF werden ihre Mediatheken zu einem Streaming-Netzwerk verschränken, berichtet Leonhard Dobusch in seiner Fernsehrat-Serie. Die technische Basis der Mediatheken soll in Zukunft gemeinsam entwickelt werden. Das müsste man auch zum Anlass nehmen, verstärkt auf Open-Source-Software und eine interaktivere Gestaltung der Mediatheken zu setzen, findet unser Autor.

Hoffentlich gehen die öffentlich-rechtlichen Sender ihr Projekt ein wenig geschickter an als der Bund, dessen IT-Infrastrukturmodernisierung ziemlich aus dem Ruder gelaufen ist. Tomas Rudl berichtet über das Großprojekt IT-Konsolidierung, das von Pleiten, Pech und Pannen geprägt ist. So sehr, dass manche Vorhaben wohl erst im Jahr 2032 abgeschlossen sein werden. Hoffen wir, dass die IT-Modernisierung nicht zum nächsten Flughafenprojekt wird.

Von zu viel und zu wenig Zugang

Dicke Bretter bohrt gerade auch der Bundesgerichtshof. Es ist ein Ende des Urheberrechtsstreits um „Framing“ in Sicht, bald dürfte ein endgültiges Urteil kommen. Dabei geht es um den Zugang zu Kultur im Internet. Die Deutsche Digitale Bibliothek streitet mit der Verwertungsgesellschaft Bild-Kunst darum, wie Bilder von Kunstwerken zugänglich sein dürfen.

Zu einfach zugänglich sind laut Ansicht der Kommission für Jugendmedienschutz manche Porno-Plattformen im Netz. Sie will deshalb den Zugang zu xHamster direkt beim Hoster sperren lassen, da die Seite keine Altersverifizierung durchführt. Das könnte aber nur ein Zwischenschritt sein, um letztlich Netzsperren durchzusetzen, schreibt Markus Reuter.

In anderen Bereichen wäre ein Verbot aus freiheitlicher Perspektive wünschenswerter: Zum Beispiel bei der Gesichtserkennung im öffentlichen Raum. Der Europäische Datenschutzbeauftragte und der Europäische Datenschutzausschuss haben sich für ein solches Verbot ausgesprochen. Auch für andere Anwendungen, die mit biometrischen Daten und Künstlicher Intelligenz arbeiten, fordern sie schärfere Gesetze. Die Pläne der EU-Kommission zur Regulierung von Künstlicher Intelligenz gehen ihnen nicht weit genug. Denn automatisierte Entscheidungssysteme können diskriminieren und Grundrechte einschränken.

Um biometrische Daten geht es auch bei den sogenannten Gefechtsfeldinformationen, die EU-Strafverfolgungsbehörden zur Terrorismusbekämpfung nutzen. Die EU-Behörden können beispielsweise Tatortspuren aus dem Irak und Syrien zur heimlichen Verfolgung Verdächtiger und zur Migrationskontrolle nutzen. Dafür sollen sie künftig enger mit Geheimdiensten und Militär kooperieren, so ein Aufruf des scheidenden EU-Antiterrorismus-Koordinators Gilles de Kerchove.

Weitere Neuigkeiten aus Brüssel gibt es im Bereich IT-Sicherheit: Die EU plant eine eigene „Cyber-Eingreiftruppe, die Institutionen und Mitgliedstaaten bei Angriffen auf ihre Infrastruktur schützen soll. Die jüngsten Erpressungsangriffe seien ein „Albtraum-Szenario“, vor dem die EU sich schützen müsse, sagt die Kommission. Besonders die jüngsten Ransomware-Angriffe machen den Politiker:innen wohl Bauchschmerzen.

Die Ideen zur Cybersicherheit hingegen sind es, die bei Akteur:innen aus der Zivilgesellschaft Bauchschmerzen auslösen: In einem offenen Brief, über den Denise Stell berichtet, fordern sie eine „echte Cybersicherheitsstrategie“ ohne Überwachungsmaßnahmen von der Bundesregierung. Diese plant nämlich derzeit, dass der Staat Verschlüsselung schwächen und Sicherheitslücken nutzen soll, statt sie zu schließen.

Das Wochenende ist zum Greifen nah ist, aber vorher noch eine kurze Meldung aus der Arbeitswelt: Zahlreiche Firmen bieten Software an, die Beschäftigte am Arbeitsplatz automatisiert überwacht – man nennt sie auch „Bossware“. Die gängelt Arbeitnehmer:innen dann beim Surfen im Netz, überwacht ihre Mausklicks und petzt manchmal sogar Screenshots an den Chef. Europäische Gewerkschaftsverbände halten das für rechtswidrig, es fehle aber an speziellen und strengen Regeln gegen den Missbrauch.

Jetzt aber genug, wir entlassen euch mit einer erfreulichen Nachricht in die hoffentlich freien Tage: Für die Recherche von Daniel Laufer und Sebastian Meineck zur Gesichtersuchmaschine PimEyes erhielten sie eine lobende Erwähnung beim Surveillance-Studies-Preis für Journalist:innen. Gratulation den beiden und den anderen Preisträger:innen dazu und ein schönes Wochenende euch allen!

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4 Ergänzungen

  1. Und der Bundesrat hat bei den Staatstrojanern für die Bundespolizei bewiesen, dass er hätte stoppen können – hat es aber nicht getan ! bei den Geheimdienst-Staatstrojanern.
    Und von einer Normenkontrollklage der Opposition im Bundestag fehlt mir bis heute auch jede Spur: … es muss wirklich erst wieder Reporter-ohne-Grenzen nach Jahren in Karlsruhe bestätigen lassen, dass es Verfassungsbeugung ist, einem unkontrollierten ( keine Archivpflicht mehr seit Snowden ) Geheimdienst Hacking-Werkzeuge zu geben ? Was ist hier los bei uns ?

  2. So werden Sie im Netz manipuliert

    https://www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/dark-patterns-so-werden-sie-im-netz-manipuliert-a-327d6804-5896-4f6f-aa9c-22cc339e7c85

    Dark Patterns

    „Bei Dark Patterns handelt es sich um Designmuster die Nutzer:innen zu einem bestimmten Verhalten verleiten, das ihren Interessen widerspricht, und dabei die Gestaltungsmacht einseitig im Interesse ihrer Verwender:innen ausnutzt.“

    Für meinen Geschmack tragen Anglizismen wie ‚Nudging‘ oder ‚Dark Patterns‘ eher zu eine verharmlosenden Verständnis bei, bei dem die Tragweite von Manipulation das absichtsvoll Bösartige nicht erkennen lassen.

    https://dapde.de/de/

    Dort findet man auch hammerharte Literatur zum Thema. Was mich besonders beeindruckt hat ist, ist die böse Schwester des ohnehin manipulativen Nudgings und dieser Artikel:

    https://dapde.de/de/news/dark-patterns-als-herausforderung-f%C3%BCr-das-recht/

    Im Volltext hier:
    https://rsw.beck.de/rsw/upload/NVwZ/NVwZ-Extra_2020_15.pdf

    Es ist nicht schwer, bösartiges manipulatives Verhalten besonders im Online-Geschäft zu vermuten. Schwieriger ist es schon fundierte Informationen darüber zu finden. Ein Thema, das nicht nur Juristen interessieren sollte.

    Sicherlich auch ein Thema das die netzpolitik.org Redaktion vertiefen könnte

    1. Prinzipiell stimme ich dir zu, allerdings denke ich, dass man bei den Anglizismen differenzieren muss. Speziell wenn diese aus einer Fachsprache stammen.
      Der Begriff Dark Pattern kommt z.B. aus der Softwareentwicklung und wurde aus dem Begriff Design Pattern abgeleitet.
      Design Pattern sind sind abstrakte Muster, die sich im Softwareaufbau bewährt haben. Um das negative und manipulative hervorzuheben, wurde dann Dark davor gesetzt.

      Insgesamt nutze ich in der Informatik auch deutlich lieber die ursprünglichen Begriffe, anstatt dafuer deutsche Wörter zu verwenden. Das liegt natürlich auch sehr stark an der Tatsache, dass man in diesem Bereich generell viel auf englisch kommuniziert. Ich muss sagen, dass es einige Begriffe gibt, wo ich auf anhieb garkeinen deutschen Begriff wüsste und selbst wenn, würden viele im Umkehrschluss, mich dann nichtmehr verstehen.

      Als kleine Anekdote aus meinem Studium fällt mir da, der vom Dozenten verwendete Begriff, Verklemmungen ein. Der offizielle Fachbegriff wäre hier Deadlocks. Dazu kann man sich gut eine Kreuzung vorstellen, in die 4 Autos gleichzeitig einfahren, bis niemand mehr vorwärts kommt, da sich alle gegenseitig blockieren.
      Und ich muss sagen, bei dem Begriff Verklemmungen streubt sich in mir alles. :D

      Ich frage mich auch, ob wir uns nicht teilweise zu sehr auf die Sprache und die verwendeten Begriffen versteifen. Ich denke man sollte stattdessen auf die problematischen Begriffe eingehen und moegliche subjektive Beeinflussungen herrausstellen. Am Ende führt einfach kein Weg an Medienkompetenz vorbei.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.