ÜberwachungBundesrat lehnt Gesetz zur Bestandsdatenauskunft ab

Mit einer neuen Regelung sollte das alte, verfassungswidrige Gesetz repariert werden. Nun verweigerte der Bundesrat die Zustimmung. Das wirkt sich auch auf das Gesetz gegen Hasskriminalität aus.

Bundesrat-Schriftzug auf Säule
Der Bundesrat hat seine Zustimmung verweigert. – Vereinfachte Pixabay Lizenz LoboStudioHamburg

Dass es mit der Neuregelung zur Bestandsdatenauskunft Probleme geben würde, war klar. Expert:innen sahen in ihr das nächste verfassungswidrige Gesetz und erwarteten, dass es vor dem Bundesverfassungsgericht scheitern würde. Dabei musste die Bestandsdatenauskunft neu geregelt werden, gerade weil das Bundesverfassungsgericht die vorherige Fassung Mitte 2020 gekippt hatte. Die Große Koalition brachte das Gesetz durch den Bundestag. Aber der Bundesrat lehnte es nun in seiner 1000. Sitzung ab.

Zahlreiche Behörden können im Rahmen der Bestandsdatenauskunft bei Diensteanbietern mit geringen Hürden Daten wie Name und Adresse von Kunden erfragen. Damit lassen sich beispielsweise Anschlussinhaber:innen ermitteln. Das Gericht entschied, dass die Hürden zu niedrig seien und ein solcher Eingriff in die informationelle Selbstbestimmung nicht zulässig sei. Es reiche nicht, wenn eine Ordnungswidrigkeit vorliege, sondern die Behörden dürften die Daten nur beim Verdacht einer Straftat oder einer konkreten Gefahr abfragen.

Bei der Neureglung wurden diese Mängel laut Sachverständigen in einer Bundestagsanhörung nur unzureichend beseitigt. Es gebe weiterhin Probleme bei der Zuordnung von dynamischen IP-Adressen zu Anschlussinhaber:innen, außerdem behandle der Entwurf Daten von Telemediendiensten wie E-Mail und Messengern mit Telekommunikationsdiensten gleich.

Kompromiss durch Vermittlungsausschuss?

Eines der Länder, das seine Zustimmung verweigerte, ist Thüringen. In einer Pressemitteilung erklärte der innenpolitischer Sprecher der linken Landtagsfraktion, dass die geplanten Eingriffe „extrem grundrechtsbeschränkend“ seien. Steffen Dittes führt aus: „Mit dem Gesetz gefährdet die große Koalition im Bund das Vertrauen in die Integrität von IT-Systemen, zum Beispiel durch den geplanten grenzenlosen Zugriff auf Passwörter von Anbietern wie Facebook, eBay und WhatsApp und das Kommunikationsverhalten von Menschen.“

Laut dem grünen Bundestagsabgeordneten Konstantin von Notz hatte sich das Abstimmungsergebnis lange abgezeichnet: „Die Verantwortung hierfür trägt die Bundesregierung.“ Bedenken habe sie stets „in den Wind geschossen“, grundrechtsschonende Alternativen aus dem Parlament seien bewusst ignoriert worden.

Endgültig gescheitert ist die Neuregelung der Bestandsdatenauskunft noch nicht. Es bleibt noch der Weg zum Vermittlungsausschuss. Das gemeinsame Gremium von Bundestag und Bundesrat kann bei umstrittenen Gesetzesvorhaben involviert werden, um Kompromisse zu verhandeln.

Allen Beteiligten dürfte eine Einigung sehr wichtig sein, denn an der Bestandsdatenauskunft hängt ein weiteres Gesetzesvorhaben. Das sogenannte Hatespeech-Gesetz soll zu einer besseren Verfolgung von Hasskriminalität im Netz führen, das Bundeskriminalamt soll dafür Bestandsdaten für gemeldete IP-Adressen erhalten. Beschlossen ist das Gesetz längst, doch der Bundespräsident unterschrieb es nicht. Denn ohne Bestandsdaten läuft das ins Leere und die Zeit, bis die Legislaturperiode zu Ende ist, wird langsam knapp.

„Die rechtsterroristischen Anschläge der vergangenen Monate haben schmerzhaft gezeigt: Wir müssen im Kampf gegen Rechtsextremismus endlich vorankommen. Und wir brauchen verfassungskonforme gesetzliche Regelungen“, so von Notz. Er ist der Meinung, dass sich beides nicht ausschließt: „Hierfür werden wir uns gemeinsam mit den Ländern auch weiterhin einsetzen.“

Update, 17 Uhr: Das Statement von Konstantin von Notz wurde ergänzt.

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2 Ergänzungen

  1. „Es gebe weiterhin Probleme bei der Zuordnung von dynamischen IP-Adressen zu Anschlussinhaber:innen“

    Unser Provider hat schon vor Monaten ohne Mitteilung auf statische IPv4 und IPv6 Adressen umgestellt, bei allen Privatkunden wohlgemerkt. Teilt jemand diese Beobachtung?

    Interessant in diesem Zusammenhang ist auch folgende Stellungnahme des BKA Präsidenten:

    „Im konkreten Fall stelle aber ein Ersuchen an den Betreiber auf Bestandsdatenauskunft nur dann einen Mehrwert für die polizeiliche Arbeit dar, wenn der Anbieter auch die Kundendaten gespeichert habe, um hieraus Auskunft erteilen zu können. Dies gelte insbesondere für dynamische IP-Adressen.“

    Quelle: Ausschusses für Inneres und Heimat am Montag, 25. Januar 2021
    https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2021/kw04-pa-inneres-817278

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.