Trend auf Instagram eskaliert„Wir wollten doch nur den neuen Sticker ausprobieren“

Die Organisation Plant A Tree Co. verspricht auf Instagram, für jedes hochgeladene Tierfoto einen Baum zu pflanzen, und nutzt dafür die neue Stickerfunktion „Add yours“. Bereits nach einigen Minuten wächst ihr die Aktion über den Kopf. Ein Paradebeispiel für leere Versprechungen und misslungene Öko-Trends.

Zwei Hände halten einen Setzling vor belaubtem Waldboden.
Wer soll jetzt über vier Millionen Bäume pflanzen? (Symbolbild) – Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch unsplash.com Noah Buscher

„Für jedes Bild von einem Haustier, pflanzen wir einen Baum“ kündigte die Organisation Plant A Tree Co. am Dienstagmorgen in einer Instagram Story an. Der Aufruf schlug ein wie eine Bombe: Nur wenige Minuten nach der Veröffentlichung erreichten den Account mehr als vier Million Bilder von flauschigen Katzenbabys, Hunden in Halloween-Kostümen und tapsigen Hamstern.

Ganz zum Entsetzen von Plant A Tree Co. Normalerweise teilt die Organisation regelmäßig Spendenaufrufe für nachhaltige Projekte und Tierschutz mit ihren Abonnent:innen. Diesmal löschte sie zehn Minuten nach der Veröffentlichung den Aufruf wieder – wegen des zu großen Erfolges. „Wir haben sofort verstanden, welches Potenzial dieser Post hatte, und waren der Meinung, dass wir nicht die Ressourcen haben, um unseren Teil des Beitrags zu erfüllen“, erklärt Plant A Tree Co. nun auf seinem Instagram-Account. Aber auch das konnte die Flut an Tierfotos nicht stoppen, die über die Seite hereinschwappte. Der Post löste einen globalen Trend aus, der immer noch anhält. Mehr als 4,5 Million Menschen haben sich bisher daran beteiligt.

Die hohe Reichweite verdankt der Aufruf auch einer neuen interaktiven Sticker-Funktion namens „Add Yours“. Instagram hatte diese letzte Woche für das Format „Stories“ eingeführt. Mit dem Tool können Nutzer:innen öffentliche Themen in Stories erstellen und andere User:innen dazu auffordern, mit eigenen Beiträgen darauf zu antworten. Der interaktive Sticker erstellt dann eine Art „Thread“, bei dem Nutzer:innen ihre eigene Story hinzufügen können.

Wie genau „Add yours“ funktioniert, das schien Zack Saadioui, der bei Plant A Tree für die Instagram-Kampagne verantwortlich gewesen war, zumindest vor der Veröffentlichung des Posts am Dienstag noch nicht klar gewesen zu sein. Gegenüber der Washington Post erklärte er, dass er die Funktionsweise des neuen Features nicht wirklich verstanden habe. Außerdem sei man davon ausgegangen, dass nur ein kleiner Teil der Abonnent:innen der Aufforderung tatsächlich nachkommen würde. Die Organisation hat auf Instagram mehr als eine Million Abonnent:innen. „Wir wollten einfach nur einen neuen Instagram-Sticker ausprobieren und dachten, wir würden ihn auf eine lustige Art und Weise nutzen, die der Umwelt zugute kommt“, erklärte Saadioui weiter.

Mit leeren Versprechungen zu mehr Klicks

Obwohl die Organisation den Post enfernt hat, kursiert der Sticker mit dem Aufruf immer noch weiter im Netz. Allerdings fehlt mittlerweile der Absender. Das sorgte bei vielen Nutzer:innen für Verwirrung. Viele fragen: „Wer soll denn nun über vier Millionen Bäume pflanzen?“ Plant A Tree Co. ist es jedenfalls nicht. Das machte die Organisation in einem Statment auf ihrem Instagram-Account am Dienstag noch einmal deutlich. Überraschen dürfte das wohl die Wenigsten.

Es ist nicht das erste Mal, dass Plant A Tree für eine Baumpflanz-Aktionen auf Instagram öffentlich in der Kritik steht. Die Organisation wirbt auf Instagram regelmäßig dafür, dass Nutzer:innen ihre Spendenaufrufe zu verschiedenen Kampagnen reposten, um mehr Sichtbarkeit zu erhalten. Bereits im Jahr 2019 fiel der Account durch leere Versprechungen negativ auf. Damals kündigte die Organisation an, für jeden Repost 100 Bäume zu pflanzen. Umgesetzt hat Plant A Tree Co. das offenbar aber nicht. Der aktuelle Vorfall lässt viele Nutzer:innen nun einmal mehr an der Glaubwürdigkeit der Angaben zweifeln.

Wer steckt hinter

Für ihre leeren Versprechungen erntet die Organisation Spott und Kritik in den sozialen Medien. Unzählige Memes nehmen die misslungene PR-Aktion bereits auf die Schippe. Auch der Berliner Suchmaschinenbetreiber Ecosia, der selbst damit wirbt, alle 45 Suchanfragen einen Baum zu pflanzen, ließ es sich nicht nehmen, die Aktion zu kommentieren. Unter dem Instagram-Statement von Plant A Tree Co. zu der gescheiterten Aktion fragte er – ähnlich wie viele andere Nutzer:innen auch – wo die Organisation denn vier Millionen Bäume pflanzen wolle. Ecosia macht die Details zu seinen Baumpflanzaktionen weitgehend transparent. Nutzer:innen können so online nachvollziehen, in welchen Ländern und von welchen Partnerorganisationen die Bäume gepflanzt werden, welche die Suchmachschine mit den Einnahmen aus Werbeanzeigen finanziert.

Weitaus undurchsichtiger geht die Organisation Plant A Tree Co. mit diesen Informationen um. Zwar heißt es auf der Webseite, dass schon mehr als 6.500 Bäume gepflanzt wurden – wo genau, das geht aus dem Eintrag allerdings nicht hervor. Auch zum Zeitraum der Pflanzaktion fehlen jegliche Angaben.

Einfach so stehen lassen, wollte Plant A Tree Co. den misslungenen Instagram-Stunt dann aber doch nicht. Nach der gescheiterten Aktion bittet die Organisation nicht länger um Bilder von putzigen Vierbeinern, sondern um Geld für eine Spendenkampagne für die Non-Profitorganisation Trees for the Future. Umgerechnet mehr als 26.000 Euro sind dabei schon zusammengekommen. Dennoch scheint das Vertrauen der Nutzer:innen in die Organisation angeknackst. Ob süße Tierbilder daran noch etwas ändern können, ist mehr als fraglich.

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3 Ergänzungen

  1. Der österreichische Wald hat 3.400.000.000 Bäume auf einer Fläche von 40.000 Quadratkilometer.

    Die hier genannten 4.500.000 Bäume ergibt auf dieser Basis berechnet somit eine Fläche von 52,9 Quadratkilometer die aufzuforsten wäre. Das wäre etwas mehr als die Fläche des Wiener Gemeindebezirks Floridsdorf mit 4.444,3 Hektar.

    Das waren keine leeren Versprechen, sondern schlicht eine Aktion ohne sich vorab Gedanken zu machen, und das passiert leide viel zu oft, und auch der renommierten Presse.

    Mein Lieblingsbeispiel wie eine ganzer Staat in die tiefste Gedankenlosigkeit fallen kann, ohne das es irgend wem auffällt. Das ist der Skandal um das Krankenhaus Nord, und der Umstand das keiner Nachgerechnet hat um welchen Quadratmeterpreis die Gemeinde Wien eine Krankenhaus errichten wollte.

    Dahingehend eine bitte, es gibt ein altes Sprichwort, „zuerst denken und dann Handeln“, Leute überlegt euch zuerst was ihr schreibt, und ob das Hand und Fuß habt was ihr Publiziert.

    Im übrigen wenn die 4.500.000 User jeder 1 Cent spendet wären das 45.000 Euro, soviel zu den 26.000 Euro. Dahingehend eine Tipp – setzt die Aktion fort, und jeder der eine Bild hochlädt spendet dazu ein Euro für Trees for the Future!

    Damit könnte aus einer misslungenen unüberlegten Aktion doch noch was werden.

  2. @ Randolf

    In der Tat. In einer typischen deutschen Stadt kostet das Anpflanzen eines Baumes durchaus mal mehrere tausend Euro, da es mit dem eigentlichen Anpflanzen des Baumes ja überhaupt nicht getan ist. Im Gegenteil: je schwieriger das ökologische Umfeld, desto aufwendiger die Baumpflege.

    Wenn Anbieter versprechen, dass sie für wenige Euro irgendwo in Afrika einen Baum pflanzen, kann ich nur müde lachen. Das ist Öko-Nepp par excellence.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.