TinderNur noch verifizierte Liebe, bitte!

Nutzer:innen der Dating-App sollen die eigene Identität bald durch offizielle Ausweisdokumente verifizieren lassen können. Damit möchte Tinder für mehr Sicherheit sorgen – doch die Maßnahme schützt nicht jede:n.

Ein rotes Herz aus Nullen und Einsen erscheint auf einem Bildschirm.
Die eigene Identität auf Dating-Apps preiszugeben, kann auch gefährlich werden. (Symbolbild) – Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch unsplash.com Alexander Sinn

Tinder ist eine der beliebtesten Online-Dating-Plattformen weltweit. Die App möchte dabei auf ein respektvolles Verhalten der Nutzer:innen achten. Die eigene Identität zu verfälschen, ist deswegen verboten, so steht es in den Community-Richtlinien festgeschrieben. Vor wenigen Tagen verkündete Tinder in einem Blogeintrag ein neues Vorhaben, um die Sicherheit der Nutzer:innen zu erhöhen: die weltweite Verifikation der Accounts mit Hilfe offizieller Ausweisdokumente.

Die Dating-App plant die neue Funktion innerhalb der nächsten Monaten anzubieten. Welche Dokumente die App akzeptiert, etwa den Personalausweis oder Pass, ist je nach Land unterschiedlich und soll laut Tinder noch erprobt werden. Nach einer erfolgreichen Überprüfung der Identität, will Tinder den Verifikationsstatus auf dem Profil sichtbar machen. 

Die Identitätsüberprüfung sei vorerst freiwillig – es sei denn, gesetzliche Vorgaben des Landes schreiben sie vor. So müssen Tinder-Nutzer:innen in Japan schon seit 2019 ihre Volljährigkeit nachweisen. In einer Stellungnahme verspricht das Unternehmen, die vorliegenden Daten nur zu nutzen, um das Alter zu überprüfen und sie nach 90 Tagen zu löschen. Wie lange und in welcher Weise Tinder die Daten für die geplante ID-Verifikation speichern möchte, geht aus seiner aktuellen Mitteilung nicht hervor. 

Freigabe der Identität führt nicht immer zu mehr Sicherheit

Bisher konnten sich Dating-Willige allein mit einer Mobilfunknummer auf Tinder registrieren und damit ihre Identität weitestgehend versteckt halten. Diese Anonymität ist besonders für die Menschen von Vorteil, die von Diskriminierung betroffen sind, etwa aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität. Die gleichgeschlechtliche Liebe ist in 70 Ländern der Welt kriminalisiert.  

Seit letztem Sommer gibt es deswegen die Möglichkeit, eine „Reisewarnung“ auf Tinder zu aktivieren. Die App veröffentlicht dann nicht mehr automatisch die Profile queerer Nutzer:innen, sobald sich diese in den entsprechenden Ländern befinden. Der Status einer erfolgreichen Identitätsverifikation bleibt damit allerdings auch ein Privileg jener, die sich nicht vor einer möglichen Kriminalisierung fürchten müssen.  

Auch Tinder erkennt an, dass die geplante Funktion nicht gleichermaßen zu einem höheren Sicherheitsgefühl aller Nutzer:innen beiträgt. In seiner Mitteilung äußert sich die Match Group, der Tinder gehört, mit den Worten:

Wir wissen, dass Menschen, in vielen Teilen der Welt und in traditionell marginalisierten Gemeinschaften, zwingende Gründe dafür haben können, ihre reale Identität nicht mit einer Online-Plattform teilen zu können oder zu wollen.

Allerdings bleibt unklar, wie genau Tinder diese Diskrepanz zwischen dem Schutz von diskriminierten Personen und der kommenden Identitätsprüfung angehen möchte.

Deutsche Debatte um die Identifizierungspflicht im Netz

Der Beschluss von Tinder knüpft an eine Debatte um Identitätsprüfung im Netz an, die in Deutschland bereits geführt wird. Besonders das Innenministerium diskutiert schon länger über eine Identifizierungspflicht auf Sozialen Netzwerken. Dabei dient vor allem die Bekämpfung von Hassrede und Gewalt im Internet als Begründung. So möchte Innenminister Horst Seehofer eine Personalausweis-Pflicht für Messenger-Dienste wie Signal oder Telegram einführen.

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8 Ergänzungen

  1. … das ist nicht zu Ende geschrieben.

    Bei den mittlerweile rumfliegenden Kopien an Personalausweisen oder Pässen, mit denen Konten jeglicher Art eröffnet werden oder Schäden in Größenordnungen durch gefakte Profile bei FeWoPortalen etc. angerichtet werden, ist das Vorhaben unsinnig.

    Aber es gibt ja einen Ausweg! Der zweite Faktor.
    Da macht es doch Sinn, wenn der Fingerabdruck (zweier) Finger an das Dokument gekoppelt ist.

    Na da bin ich ja gespannt, was das BSI und die Datenschützer öffentlich diskutieren werden.
    Jedem seinen Fingerabdruck- und BiometrieScanner zu Hause.
    Angeschlossen an einen Windows-Rechner.

    1. „Herumfliegende Kopien von Personalausweisen und Pässen“ soll was sein?

      Eine „Kopie“ per Kopierer ist kein Dokument und trivial fälschbar. Wer sowas akzeptiert will bewusst betrogenen werden.

      Eine „Kopie“ im Sinne einer veritablen Fälschung ist nicht-trivial und selten, de facto kein Problem.

  2. Ausweispflicht für Plattformen finde ich richtig gut!
    Was was noch fehlt ist der Abgleich der User-Bilder mit dem Ausweis-Foto.
    Hinterlegung einer DNA-Probe vor dem Sex wäre Sahne-Schnittchen.

      1. > für Neukunden gleich mit anbieten, das Profil automatisch auszufüllen.

        Eine richtig gute Idee, das gegen Aufpreis anbieten. Die Bits für eine realistische Analyse haben User doch längst im Netz verstreut.

        Aber DAUser haben aus unerklärlichen Gründen viel Freude damit zu scheitern, Profile zusammenzulügen und sich letztlich als Blender und Aufschneider zu präsentieren.

        Aber vielleicht ist es ja gerade die verborgene Geschäftsidee von Tinder, jene User mittels Analyse zu identifizieren, welche einem Zwang unterliegen, die größte Differenz zwischen selbst- und Fremdbild anfertigen.

  3. „So möchte Innenminister Horst Seehofer eine Personalausweis-Pflicht für Messenger-Dienste wie Signal oder Telegram einführen.“

    Eine Pflicht, die sich nicht durchsetzen lässt ohne einen Kontrollapparat wie China einzuführen und das Filternet totalitär zu unterjochen. Der soll sich besser um seine bayerischen Reichsbürger kümmern, oder Steuerbetrug eindämmen – aber nein, das sind ja immer noch seine Wählergruppen! Aber hauptsache wieder einen Schritt weiter in Richtung Putins Russland gemacht.

  4. Gibt es Beschwerden und Probleme durch anonyme „Dater“, die durch eine Ausweispflicht behoben würden. Oder will Vorratsdaten-Horst nur sicherheitshalber alle Nutzer zwangsidentifizieren, für den Fall, dass das BKA mit den neuen Daten Terroristen verhaften will. Oder Grünen-Wähler.

  5. Meine Erfahrungen mit manchen Datingplattformen die letzten Wochen waren recht ernüchternd. Noch mehr Fakes als früher, noch mehr Drittanbieter denen egal ob an/aus meine Daten weitergeschoben werden. Sonst funktionieren manche Sachen auch schlicht nicht.
    Erst war ich wieder bei Lovoo weil früher gar nicht mal so schlechte Erfahrungen gemacht. Durch meinen Datenschutz/Block von vielen Diensten funktionierte das aber teils recht bescheiden. Dann überlegte ich Tinder aber da ist es noch schlimmer. Nach einer Suche landete ich dann bei Finya die erst einen guten Eindruck machen aber geht man da mal die Liste der Drittanbieter durch, die man einzeln abwählen muss wofür man knapp 30-60min bei der ewigen Liste braucht, war auch da mein Vertrauen weg.
    Ich hätte auch nicht wirklich etwas dagegen zu zahlen aber da gibt es keinen Anbieter der nicht trotzdem Unsinn mit den Daten treibt, versichern kann das da auch mehr/nur echte Menschen sind und was manche heute für Anforderungen von einem haben sind auch reines Wunschdenken fern der Realität. Da mangelt es auch sehr an Selbstreflektion warum man trotzdem Solo ist und sich mal weniger auf Oberflächlichkeiten verlässt sondern mehr auf den Mensch zu geht. Man will wohl aber lieber belogen werden.
    Leider sind die Leute heute online aufgeteilter denn je dank verschiedensten Messengern und Diensten. Ich erinnere mich da noch an die schöne iCafe Zeit im IRC. In Telegram bekomme ich auch mehr Spam bei „Leute in der Nähe“ als Nachrichten von interessierten Menschen. Noch schlimmer die Gruppensuche.
    Wenn ich geimpft bin werde ich es wohl einfach „draußen“ verstärkt versuchen. Eine klassische Abfuhr ist mir inzwischen lieber als die letzten Erlebnisse, bei denen ich meist schlicht gar keine Antwort bekam.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.