TelegramDer Messenger ist nicht das Problem

Alles schießt gegen Telegram. Die einen wollen Geoblocking, die anderen wollen den Messenger aus den Appstores schmeißen. Aber für den Hass auf der Plattform ist das nicht die Lösung. Denn das Problem ist viel älter als der Messenger selbst. Ein Kommentar.

Telegram Logo
– Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch unsplash.com Dima Solomin

Wir haben ein Problem. Eines mit Hass, der sich massenhaft auf diejenigen entlädt, die Kinder gegen Corona impfen oder einfach Politikerinnen sind. Wir haben ein Problem mit Mordplänen gegen sächsische Ministerpräsidenten und einschüchternden Fackelmärschen vor Privathäusern. Und wir haben ein Problem mit Leuten, die mutmaßlich von irgendwo auf den Philipinnen darüber fabulieren, dass man alle Regierungsmitglieder hinrichten müsste.

Nicht erst seit Beginn der Corona-Pandemie ist das bekannt. Und auch wenn sich Pandemie-Leugner:innen auf Telegram zusammentun, um sich in oft öffentlichen Kanälen gegenseitig zu bestätigen und zu organisieren: Die App ist nicht das Problem. Das Problem sind die Menschen, die sich dort zusammenfinden.

Ein soziales Problem mit Technik lösen

Aber was ist die politische Antwort? Der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius fordert, dass der Messenger Telegram aus den App-Stores fliegen soll. Der Ex–Digitale-Infrastrukturminister Alexander Dobrindt fabuliert von Geoblocking und andere holen die Klarnamenpflicht aus der Mottenkiste der Grundrechtseingriffe.

Es ist ein Ausdruck von Hilflosigkeit und Ablenkung vom jahrelangen Versagen im Umgang mit Nazis, Verschwörungsideologen und Menschenfeinden. Realitätsverweigernde Symbolpolitik. Der Versuch, ein soziales Problem mit Technik zu lösen, hat sich schon derart oft als Irrweg erwiesen, dass es sich nicht einmal lohnt darauf einzugehen, dass manche der mittlerweile aufgekommenen technischen Wege nicht mal einfach möglich wären.

Hass ist nicht monokausal

Klar ist man als Staat verärgert, wenn irgendein Libertärer namens Pavel Durov irgendwo in Dubai einfach nicht auf die Briefe des deutschen Bundesamts für Justiz antwortet und sich von drohenden NetzDG-Bußgeldern offenbar nicht beeindrucken lässt. Aber es ist nicht hinnehmbar, damit vom eigentlichen Problem und der eigenen Ratlosigkeit abzulenken. Und dafür einen massiven grundrechtlichen Kollateralschaden in anderen Bereichen hinzunehmen, während man sich zusätzlich als ehrenvolle Blaupause für autoritäre Staaten feilbietet. Denn klar, was im demokratischen Deutschland gemacht wird, kann doch anderswo nicht so böse sein.

Telegram abzuschießen wird keinen hasserfüllten, fackelschwingenden Nach-Feierabend-Radikalisierten wieder zum Verteidiger der freiheitlich-demokratischen Grundordnung machen. Denn das war der schon vorher nicht. Vielleicht ist er dann motiviert genug, um auf andere Plattformen auszuweichen. Welche, bei denen die Polizei vielleicht nicht einfach mitlesen kann, bis man dann wieder panisch nach der Schwächung von Verschlüsselung ruft. Vielleicht ist er aber auch nicht ganz so motiviert. Bis die nächste Gelegenheit kommt, bequem und in großem Stil den gemeinsamen Hass zu kultivieren.

Vielleicht hat Telegram es leichter gemacht, dass die Bernds dieser Welt sich mit Gleichgesinnten auf einer riesigen öffentlichen Pinnwand zusammenfinden, sich zu Demo-Fahrgemeinschaften verabreden, hetzen und krude Desinformation verbreiten. Jeden Tag ein bisschen mehr, weil die Bestätigung der anderen sie antreibt. Aber Hass ist nicht monokausal. Dass Menschen zu hasserfüllten Faschist:innen werden, hat keine einzelne Ursache. Und keine einzelne Lösung.

Das Grundproblem gibt es länger als Telegram

Um überhaupt in die Nähe einer Lösung zu kommen, darf man keine Scheindebatte führen. Man muss Fehler eingestehen und aus ihnen politische Konsequenzen ziehen.

Dazu gehört, sich einzugestehen, dass die Polizei in Sachsen und anderswo offenbar nicht immer gewillt ist, geltendes Recht wie Demoauflagen oder coronabedingte Versammlungsverbote gegen Nazis und Coronaleugner auch effektiv durchzusetzen.

Sich eingestehen, dass man es nicht schafft, für die Sicherheit von Journalist:innen auf Demos von Corona-Leugner:innen zu sorgen. Sich klar werden, dass es offenbar einen Bericht im ZDF von ebensolchen Journalist:innen braucht, bis Polizei und Staatsanwaltschaft auf Mordpläne in öffentlich zugänglichen und mitlesbaren Chatgruppen aufmerksam werden und handeln. Und dass man dadurch übrigens ziemlich doof da steht mit der Mär von der bösen, verschlüsselten Kommunikation, wenn man in einer solch aufgeheizten Situation nicht einmal öffentliche Kommunikationskanäle mitliest.

Sich eingestehen, dass Leute wie Attila Hildmann unter ihrem Klarnamen öffentlich hetzen, drohen und beleidigen können, weil sie wohl aus der Staatsanwaltschaft heraus gesteckt bekommen, wenn ein Haftbefehl vorliegt.

Der wohl größte Fehler bleibt: Dass man jahrelang die Augen davor verschlossen hat, dass wir ein reales Problem mit Rechtsradikalen in diesem Land haben. Und das schon lange, bevor es Telegram überhaupt gab.

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45 Ergänzungen

  1. Ich als Foren Admin bin ja auch gesetzlich dazu verpflichtet Mord und Terror Aufrufe nachdem ich Kenntnis davon erlangt habe umgehend aus meinem Forum zu löschen. Das gleiche gilt für Verleumdung, Volksverhetzung und Holocaust Leugnung. Wenn ich dem nicht nachkomme dann würde ich mich als Forenbetreiber völlig zu recht strafbar machen.

    So, Telegram löscht aber selbst offene Aufrufe von Querdenkern zu Massenmord und Terroranschlägen nachweißlich NICHT. Damit verstößt der Dienst dann eben gegen geltendes Recht. Nur weil ein Konzern wie Telegram sich ins Ausland verziehen kann, sich hinter Tarnfirmen verstecken kann ist das noch lange kein Freifahrtschein für kriminelles Handeln.

    Forum soll hier dem Milliarden Schweren Konzern Telegramm Freiheiten zugesprochen werden gegen das Gesetz zu verstoßen die ansonsten kein seriöser Foren oder Blog Admin in Deutschland erhalten würde ? Vor dem Gesetz sollten doch alle gleich sein.

    In diesem Sinne gibt es nur 2 Möglichkeiten: 1.) Telegram lenkt ein und Löscht Mord und Terrorismus Aufrufe.

    Oder aber Telegram tut dies nicht, dann muss es konsequenterweise als kriminelle Organisation eingestuft werden die Hetze und Terrorpropaganda unterstützt. In dem Fall sind Strafrechtliche Ermittlungen gegen alle Manager und Mitarbeiter dieser Firma angemessen sowie eben auch ein Strafbewährtes Verbot der Benutzung dieser APP in Deutschland sowie entsprechende Netzsperren gegen IPs und Domains von Telegram um dieses unzugänglich zu machen.

    Schon allein das ist notwendig um klar zu machen das für Konzerne keine Privilegien gelten welche man anderen kleineren Internetanbietern niemals zugestehen würde.

    1. Sehe ich anders. Was kann TG dafür, das mit dem Messenger Schindluder getrieben wird. Das passiert in TOR und vergleichbaren Netzen auch, sind aber aus gutem Grund nicht illegal. Oder wollen sie Hämmer/Messer verbieten, nur weil Jemand sie als Waffe benutzt?

    2. Das Problem der Regulierung sehe ich aber auch darin, dass dem moderierten Forum konzeptionell kein Platz eingeräumt wird.

      Als Kleiner hast du dann demnächst:
      – Wirksame Moderation.
      – Uploadfilter […weitere Filter…] *eingekauft* bei Konkurrenzplattform.
      – Haftungsrisiken wg. Fokussierung der Gesetzgebung auf automatische Masseninhalteverwurster (beide Seiten: Big Tech und Verwerter+Verlage).

      Das was bisher war, bzw. was das Internet ausgemacht hatte, bevor „social media“ eine Riesenmenge Menschen mit Leim reingeklebt haben, das wurde in so einigen Entwürfen bzw. auch Gesetzen zunächst mal erst ignoriert, Umsatz hatte man schön im Blick. Wird spannend, wie das weitergeht, bis auf das ich eigentlich raus bin. Ich fange jetzt nicht an X Teuro und Stunden in nicht vorhandenes Potential zu stecken.

    3. Telegram verzog sich nicht ins Ausland, es war schon immer dort. Mit dem NetzDG wird versucht, ein deutsches Gesetz auf ausländische Personen anzuwenden. Eine ähnliche Anmaßung wird mit dem „Recht auf Vergessen“ probiert, mit dem z.B. Suchergebnisse bei Google verschwunden werden können. Glücklicherweise grenzt Google den Schaden auf Clients in EU ein.

      1. Da das Land vom Firmensitz nicht mitspielen will, und die Firma selbst wohl auch nicht, hat man hier nicht viele Möglichkeiten.

        Das Realistischste ist noch den legalen Umsatz in EU und Partner- bzw. Bündnisländern zu unterbinden, also das Herauslösen aus den Appstores.

        Ansonsten bleibt fast nur noch die EU-Firewall, mit VPN-Blockade und allen Bells and Whistles. Konzeptionell geht die Umsetzung kaum anders. Ein Scan auf dem Endgerät wäre noch schlimmer, dann hast du die EU-Firewall auf dem Endgerät, zuzüglich Risiken, Problemen, und bestimmt als nächstes kein Linux mehr (mindestens für Privat).

  2. Wenn Telegram Gewalt Aufrufe von Querdenkern, Nazis und Holocaust Leugnern vor der Löschung schützt. Dann handelt dieser Dienst klar Demokratie und Rechtswidrig.

    Ich erwarte hier von der Bundesregierung klare Kante. Telegram muss zerschlagen oder falls das nicht geht im Internet gesperrt werden.

    Eine Demokratie muss wehrhaft sein, vor allem in Zeiten in denen überall der Faschismus auf dem Vormarsch ist. Alerta Alerta Antifa !!!!!!

    1. Das deutsche Strafgesetzbuch wird niemals weltweite Gültigkeit erlangen. Viele Dinge, die in Deutschland strafbar sind (Paradebeispiel Holocaust-Leugnung) sind in anderen Ländern, z.B. auch den USA Free-Speech. In Frankreich gibt es das Recht auf Blasphemie, was in anderen EU-Ländern noch immer eine Straftat darstellen kann. Das muss man alles erstmal zusammenbringen.
      Am Ende werden von Telegram nur die „öffentlichen“ Kanäle/Gruppen abgeschafft. E2E-Verschlüsselt wird trotzdem weitergehetzt. Die Lösung kann nicht nur virtuell gesucht werden, da muss die Polizei am Ende des Tages doch noch irgendwo ins Wohnhaus gehen und denjenigen festnehmen, der die Quelle des Hasses darstellt. Man hat aber manchmal den Eindruck, dass man dafür einfach zu faul ist.

      1. Hass ist nichts illegales. Warum sollte es dafür einen richterlichen Durchsuchungsbeschluss geben?

  3. >>> Aber für den Hass auf der Plattform ist das nicht die Lösung.

    Der Artikel ist gut gemeint, aber die Art der Argumentation entspricht etwa dem, zu sagen, Waffen sind nicht das Problem, es sind die Menschen.

    Und Menschen können guten Argumenten oder gar Regeln völlig unzugänglich sein. Was bleibt, wenn man als Antwort bekommt „Geh mal weg, das interessiert mich nicht.“ Wobei im Fall Telegram noch nicht mal eine Antwort der Firma gegeben wird.

    Man kann nicht erst mal die Welt ändern wollen, bevor ein konkretes Problem zeitnah gelöst werden muss. Und da hilft auch der Hinweis wenig, dass das ein schon ziemlich altes Problem ist.

    Tatsache ist, dass man profitable global operierende Firmen nur dort empfindlich treffen kann, wo es weh tut: Bei den Finanzen.

  4. Zitat Telegram: „Tatsache ist, dass man profitable global operierende Firmen nur dort empfindlich treffen kann, wo es weh tut: Bei den Finanzen.“

    Das würde aber nichts nützen, denn Telegram ist eine Kommunikationsplattform. Man kann aus meiner Sicht nicht den Betreiber für die Einstellung oder die kriminellen Absichten diverser Nutzer verantwortlich machen. Dann könnte man ALLE Hersteller oder Betreiber von irgendwas haftbar machen, denn ALLES kann für dunkle Zwecke missbraucht werden.

    Die Frage ist: Warum machen das Leute überhaupt und wie kann man sie dazu bringen, so etwas nicht erst zu tun? – und nicht: Welche Mittel nutzen sie?

    Rechts- oder andere Radikalismen, Kinderpornografie, Hasskommentare usw. sind gesellschaftliche (!) Probleme, die auf dieser Ebene bekämpft werden müssen. Die Kommunikationswege zu beschneiden wäre – wenn überhaupt – reine Symptombekämpfung, würde aber die Übel an sich nicht beseitigen.

  5. Es sollte doch schon auch klar geworden sein, dass die aktuellen Demos keineswegs nur in Sachsen stattfinden und auch nicht, nur weil die Polizei sie nicht verhindert. Im Umkehrschluss ist doch ganz klar, dass eben nicht nur fackelnschwingende Nazis Telegramm nutzen.

  6. > aber die Art der Argumentation entspricht etwa dem, zu sagen, Waffen sind nicht das Problem, es sind die Menschen.

    Es enspricht nicht jener Argumentation, da Waffen für den einen Zweck des Tötens geschaffen wurden. Waffen sind also beim Töten das Problem. Telegram wurde nicht für den Zweck der Desinformationsverbreitung und des Hasses geschaffen, genauso wenig wie eine Straße fürs Überfahren von Fußgängern geschaffen wurde. Telegram ist also beim Desinformationsverbreiten nicht das Problem, es sind die Menschen.

    > Und Menschen können guten Argumenten oder gar Regeln völlig unzugänglich sein.

    Willst du sie die guten Argumente einsehen lassen? Wie wäre es mit einem Ministerium für Liebe? Mit Ratte und Eimer und so?

    > Was bleibt, wenn man als Antwort bekommt „Geh mal weg, das interessiert mich nicht.“

    Bleiben sollte die Beherzigung eben jenes „Fuck Off“. (Solange es sich nicht um strafverfolgungswürdige Äußerungen handelt.)

    > Wobei im Fall Telegram noch nicht mal eine Antwort der Firma gegeben wird.

    Finde ich gut, dass die Firma nicht bei deinem Holzhammer mit anpacken will.

    > Man kann nicht erst mal die Welt ändern wollen, bevor ein konkretes Problem zeitnah gelöst werden muss.

    Die Welt soll nicht verändert werden, nur das Problem wirklich gelöst werden, denn dein Holzhammer löst das Problem nicht.

    > Tatsache ist, dass man profitable global operierende Firmen nur dort empfindlich treffen kann, wo es weh tut: Bei den Finanzen.

    Schon möglich, aber wie löst es das Problem?

  7. Naiv oder bewusst schlecht verkürzt?
    Es gibt kein Problem mit Telegram. Auf Telegram existieren viele Facetten, Links, Rechts und Weltbilder, die sich nicht einfach so einordnen lassen – oder Leute, die einfach nur jemanden für dies oder das suchen. Heute ist es Telegram, morgen Threema. Telegramhatz ist nur Ausdruck, nur ein Symptom globaler Interessen, die Informations- und Deutungshoheit wieder zu erlangen und zu kontrollieren – es ist das was auf allen Kanälen, in allen Medien jeden Tag passiert.

    1. Das stimmt. Ich bin vor ein paar Monaten trotzdem von Telegram weg gewechselt, weil man da als Nutzer inzwischen in Verruf geraten ist. Jetzt ist es eben bis auf weiteres Signal (obwohl ich auch Element/Matrix in der engeren Auswahl hatte).

  8. Viele haben doch gar keine eigene, auf genug Zeit zum Nachdenken darüber, beruhende Meinung mehr und auch die Konzentrationsfähigkeit anderen Meinungen, anhand vernünftiger schlüssiger Argumentation vorgetragen, zu folgen, ist sehr kurz bis nicht vorhanden. Selbst Menschen mit hohem IQ geben meiner Erfarung nach, sehr viel nachgekauten unschlüssigen Unsinn von sich, der dann je nach geistiger Schieflage wieder nachgekaut weitergegeben wird. Der Nazisprech geht schon lange quer durch die Gesellschaft. Dafür braucht es keine Messengersoftware mit öffentlichen Kanälen. Man kann das Gefasel eben nur gespeichert auch noch später nachvollziehen. Es ist nicht neu. Gerade im öffentlichen Dienst und Beamtentum parken da seit Jahrzehnten ganz fiese, lästernde Münder aus der Mitte der Gesellschaft und wer weiß, was sie woanders anstellen würden, wären sie nicht fünf Tage die Woche genau dort, wo sie ‚gut geparkt‘ und sicher beschäftigt sind.

  9. China, Russland und andere Staaten dieser Colour haben den Kampf gegen diesen Messenger schon vor Jahren aufgegeben. Meist ging es dabei um den Kampf gegen Demokratiebewegungen und der Organisation entsprechender Proteste / Oppositionellen.
    Telegram kennt also diese Aktionen und wird natürlich nicht auf Bussgeldforderungen, Haftbefehle oder sonstiges reagieren und das ist gut so.
    Das nun entsprechende Forderungen aus der deutschen Politik kommen, macht mich schon besorgt. Auch unter den Telegram-Nutzern sind weit über 90% normale Bürger ohne „Aluhut“. Im Gegenteil sogar: Endlich konnte ich mich mal in die Querdenkerszene „einbuchen“ und einige Wochen mitlesen und entsprechende Gegenargumente erarbeiten. Wir brauchen in Deutschland eine andere, bessere Informationspolitik um den Querdenkern das Zweifeln oder zumindest das kritische Bewerten dieser „Informationsforen“ zu ermöglichen.

    1. „Wir brauchen in Deutschland eine andere, bessere Informationspolitik um den Querdenkern das Zweifeln oder zumindest das kritische Bewerten dieser „Informationsforen“ zu ermöglichen.“
      Ach ja, es gibt also gute Argumente für die Massnahmen gegen Kinder und Jugendliche?
      Dann her damit, ich habe noch keine gehört und der Schaden in dieser Gruppe ist schon echt unfassbar gross.

  10. Es liegt in der Natur eines Kommentars, dass es primär nicht um Lösungsansätze geht.
    Aber dennoch steckt im letzten Absatz unter „sich eingestehen“ ziemlich viel drin.
    Ich leite daraus ab, die Möglichkeiten konsequent nutzen, die man schon hat und vor allem endlich entschlossen gegen rechte und Demokratie-feindliche Strukturen in den Behörden und Institutionen selbst vorgehen.

  11. Hi,

    ich habe lange über diesen Artikel nachgedenken müssen und möchte glatt behaupten, das ‚Internet‘ hat die Menschen extrem verändert, und das Problem liegt an den Menschen selbst. Sich hinter hinter einer Wand zu verstecken und anonym krasse Dinge raus zu hauen ist doch mittlerweile gang und gäbe. Telegram bietet hier eine Bühne. Wobei im eigentlichen Sinne auch wiederum nichts Verwerfliches an Telegram ist, weil es ja als Alleinstellungsmerkmal um die Freiheit geht. Telegram ist aber halt auch nur ein Krümel vom riesen Kuchen. Sind wir doch mal ehrlich, selbst Zeitungen, Fernsehsender, sogar Politiker bedienen sich z.T. öffentlich der vulgären Sprache und benutzen Wörter, die vor ein paar Jahren noch auszusprechen undenkbar gewesen wären. Aber Telegram-User setzen dem z.T. eben die Krone auf. Es gibt kein Recht auf Gewalt und Kriminalität.

    Ich erinnere mich manchmal daran, dass vor (das weiß ich allerdings nicht mehr so genau, ca 30-40 Jahren?) im Radio sogar angekündigt wurde, dass im Fernsehen am kommenden Tag das Wort Scheiße zum ersten mal verwendet würde. Das wurde in den Medien gefeiert. Und heute sind Wörter wie Scheiße, Arschloch, Bullen, unsw gesellschaftsfähig? In manchen Online-Zeitungen wackeln einem sofort nackte Brüste entgegen und von den Wortkreationen möchte ich gar nicht weiter sprechen. Blut und Gewalt kann man inzwischen doch überall sehen. Da jetzt zu behaupten Telegram sei per se schlecht und alleine veräntwortlich ist deshalb nicht ganz fair. Es ist mehr ein allgemein menschliches Problem.

    Meine Eltern haben mir in meiner Kindheit nicht erlaubt Starsy & Hutch zu gucken, weil Gewalt gezeigt wird. Ich fand es natürlich saudoof, habe mich aber gefügt. Wörter wie Scheiße durften auch nicht gesagt werden. Heute verstehe ich, was sie mir vermitteln wollten. Habe ich was verpasst? Ganz klares Nein! Bei Bonaza gabs noch Schießereien ohne Blut und Schägereien ohne Tote. Dann steigerte sich die dargestellte Gewalt im TV und im Kino deutlich. Zu Rambo I gab es sogar Diskussionen, wieviele Tote es pro Minute gab. Alles wurde immer spektakulärer! Und think, zu der Zeit gab es noch kein Internet! Nur Festnetz-Telefon, TV mit Sendeschluss und Tageszeitungen. Irgendwie friedlicher, oder?

    Was will ich damit sagen? Zurück zu Telegram und dem Kuchen. Telegram wird missbraucht, weil es da möglich ist, sich auf seine persönliche Art und Weise mitzuteilen, da seine freie Meinung äußern zu können. Es ist in meinen Augen so etwas wie ein Kriegsgebiet der Wörter, weshalb ich da auch keinen Account haben möchte. Es belastet mich einfach wie die Menschen inzwischen miteinander reden, genauso wie Facebook oder wie sie alle heißen. Flache, stumpfsinnige und billige, unüberlegte Kommantare zu lesen ist nicht mein Ding – micht ‚mein‘ Ding, schrieb ich;)

    Das Problem mit Telegram wird sich auf alle Fälle nicht von selber lösen, denke ich. Deswegen muss da eingeschritten werden, irgend jemand muss sich darum kümmern, es geht ja inzwischen auch um allgemeine Sicherheit. Klar, die Einschränkung und Kontrolle des Ausgesprochen ist mega hart, voll DDR II, ich weiß, aber es geht doch nicht anders.

    Die Frage, die sich mir nun zum Schluss stellt lautet, was ist bloß mit den Menschen los? Ich kann dem nicht mehr folgen, Ich habe hier bisher immer den Medien die Schuld gegeben. Mit zunehmender Gewaltdarstellung im TV und Kino hat sich eben auch der Mensch in seiner praktischen Lebensweise sehr schnell angepasst. Ich bin sozusagen ein Zeitzeuge, vom Münz-Telefon, welches im Nachbardorf stand, bis zum Quantencomputer, alles erlebt.

    Eine globale User-Registrierung für alle sozialen Medien, mit verifiziertem Echtnamen, ist in meinen Augen die absolute Löung, wenn man denn das Internet weiter so haben möchte, wie und wofür es gedacht ist. Ich weiß, das will keiner. Nur dann wird es halt anders kommen, da mache ich mal den Nostradamus. Natürlich, Gewalt gibt es auch ohne Internet, aber damit hat die Polizei doch genug zu tun.

    Sorry, musste ich los werden. Jetzt erstmal Frühstück. Wünsche allen ein schönes Weihnachten und guten Rutsch!

    CK

  12. Alles wohlfeil und sicher politisch irgendwie richtig. Aber was genau wären denn jetzt Lösungsmöglichkeiten?
    Die gibt’s in dem Artikel nicht.
    Wenn der Weisheit letzter Schluss die Verbannung aus den Appstores und Geoblocking sind, dann bitte. Sobald Telegram dann auf den Pfad der Rechtsstaatlichkeit zurückkehrt, kann man diese Sanktionen ja wieder aufheben. Aber nur dann.
    Dass inzwischen Polizei und Staatsanwaltschaft umgehend an die Arbeit müssen, versteht sich von selbst, finde ich.

  13. Ich finde auch, der Artikel hat schon fast einen Hauch von Whataboutism, wenn hier eine Reihe von Versäumnissen aufgezählt wird, aber keine Lösung, was der Staat tun soll, wenn da strafbare Inhalte sind und Telegram einfach nicht reagiert. Ich würde das Rechtsstaat nennen, wenn angestrebt wird, dass alle Akteure sich an die Gesetze halten müssen. Ich finde auch, man macht es sich zu einfach, wenn man sagt, die sind doch so oder so radikalisiert. Ich würde schon denken, dass es einsame instabile Menschen gibt, die durch einen niederschwelligen Zugang in so was reingezogen werden.

    1. Der Artikel sagt auch nicht, dass nichts getan werden sollte. Der Artikel stellt die Situation als Symptom des Versagens dar.

      Sollen wir also nie an die Ursachen herangehen und immer nur den Symptomhammer schwingen? Hätten wir immer gut zu tun, bis es mal wieder richtig knallt…

      1. Natürlich nicht nur Symptome bekämpfen – aber auch. Und das geht wohl nicht ohne die Kooperation von Telegram.

        1. Kooperation ja, aber wie denn bitte? Sind Google und Facebook schon voll dabei zu kooperieren, oder nehmen wir die Verlags- und Verwertergroschen als Bestechung an? Es geht ja um das „wie was eigentlich“…

        2. Naja, es ist auf Boden eines Landes (+-Plural), das nicht kooperiert. Mordaufruf ist in vielen Ländern strafbar, auch wenn es hier und dort eine freiere Auslegung gibt.

          Die Leute könnten auch eine verklausulierte Formulierung nehmen, und gegen Verabredung zum Mord (real) hilft sowieso nichts. Was hier passieren soll, ist wohl, Trottel am Aufheizen und aus Dummheit ausführen hindern zu helfen. Also quasi den overly trigger happy lone wolf oder so, falls man daran glauben will.

          Es gibt unzählige Länder, die nicht kooperieren, und wenn man das Hirn dazuschaltet, wird man das bereits von klugen Menschen hervorgebrachte Argument verstehen, dass wir in interpretatorischen Schwierigkeiten sind, wenn jeder Dienst der Welt, jeder Regierung nach der Nase tanzt. Dann helfen wir denen nämlich bei böser Zensur, währunde unsere Zensur die gute Zensur zu sein hat. Klar kann ein größerer Anbieter alles für jedes Land einzeln anbieten, so dass jeder nur noch sieht, was qua Gesetz kann, bzw. eben soll. Was kleine Anbieter dann machen, und ob es dabei bleibt, ist dann eine der lustigen Fragen.

          Auch IPs aus Deutschland anzufordern ist ja nicht sehr helle, dann nutzen die eben VPNs in einem anderen Land. Der Ansatz das zu regeln, führt unweigerlich in die Deppeninternetfalle.

          Ziemlich legetim finde ich den Ansatz, legalen Kommerz anzugreifen, wenn sich ein Dienst nicht an die Regeln hält. Allerdings müssen die Regeln auch umsichtig und mit Vernunft gebaut werden. Würde man alles regeln wollen, ist dann auch Auslieferung an die USA, für Todesstrafe (positiv formulieren!), dann auch wieder nötig, weil Abstraktion im Geiste doch automatisch folgt?

  14. Danke Anna für diesen großartigen Kommentar. Alles drin, gründlich durchdacht und gut formuliert – ein Meister:innen:stück! Ich werde ihn gerne in meinem Blog verlinken.
    Herzliche Grüße und frohes Fest!
    Christoph

  15. Eine offene Gesellschaft verträgt auch radikale Ansichten. Eine Gesellschaft die ihre Diskursfähigkeit verloren, freiwillig aufgegeben hat, benötigt hier den Eingriff der Instanz an die sie eben diese Bürgerpflicht abgegeben hat. Das zeigt sich durch das hier ebenfalls mehrfach erwähnte Mantra (sinngemäss): „Recht und Gesetz, rechtswidrig“. Verstösse gegen Gesetze sind demnach immer zu verachten und zu verfolgen. Wir brauchen also ein Gesetz gegen sowas wie Telegram, offen formuliert, universell, nach Bedarf durch grosszügige Auslegung erweiterbar. An dieser Stelle mögen diejenigen, die solche Forderungen aufstellen mal durchatmen und versuchen Transferleistungen zu erbringen. Was könnte das Ergebnis dieser Forderungen sein? Mich erinnert das an Goethes Zauberlehrling – mit dem Unterschied das der alte Hexenmeister dann wohl nicht auftauchen wird.

  16. „Wir haben ein Problem. Eines mit Hass,…“
    Und auf Regen folgt Sonne!
    Was für eine Einleitung – Willkommen in der Menschheitsgeschichte, ich bin mir sicher wir finden hier eine Lösung per Gesetz und am besten auch technisch. Für die Hamburger, die nicht zur Generation Schneeflocke etc. gehören: In Hamburg „besiegte“ man vor vielen Jahren das Problem des Handels mit illegalen Substanzen in St.Georg, rund um den Bahnhof, mit einer Null-Toleranz Politik. Nach dem Motto: Was man nicht mehr sieht, ist auch nicht mehr da (also DA AM BAHNHOF)

  17. Wichtiger Artikel! Ich finde es total wichtig, die Debatte um Telegram differenziert zu betrachten und dabei klarzustellen, dass Verschwörungstheorien und Antisemitismus unter Verwendung des Klarnamen verfolgt werden muss, die App ab sich aber nicht das Hauptproblem ist.

  18. Es wird wenigstens endlich diskutiert, wie das Problem angegangen werden kann. Am Ende müssen wir Wege finden, dass die bestraft werden, die Straftaten begehen, nicht die Social Media Betreibern oder andere Nutzer der Software.

    Ich bin überzeugt, dass heute problemlos diverse Anheizer aus der radikalen Ecke ermittelt werden können. Wenn bei denen mal die Polizei im Vorgarten steht und eine Hausdurchsuchung macht, kann das für manche schon reichen als Schuss vor den Bug.

    Allerdings halte ich es auch, als Schuss vor den Bug, für sinnvoll, die Einkommensquellen von Social Media Betreibern zu beschneiden, wo es geht. Ein effektiver Weg ist die Entfernung aus den App Stores.

    Wir werden es nie ganz vermeiden können, dass es Nischenanbieter gibt, die speziell auf Verschwörungsgläubige, Radikale und Querdenker ausgerichtet sind. Trumps „Truth Social“ oder „FreeDoLine“ der deutschensprachigen Querdenkerszene sind in Arbeit. Dazu brauchen wir dringend ausreichend wiederverwendbare Handlungskonzepte, um sie klein zu halten und aus populären Unterhaltungsangeboten auszuschließen.

    1. Ist der Witz nicht, dass das Land in dem der Messenger offiziell angesiedelt ist, nicht kooperieren will?

      Ich dachte der Firmensitz sei in der Schweiz, aber es ist doch irgendwie nahöstlich-divers oder was?

      Da gibt es nicht viel mehr Potential als Krieg, Seeblockade, Sanktionen (…), Netzsperren, DNS-Sperren, Appstoreschmiss, Nutzungsverbot (sic!), Totalüberwachung auf dem Endgerät.

  19. Leute, die von TELEGRAM nur gehört haben, den Messenger aber nicht wirklich kennen, kann man mit banalem Anprangern dieses Werkzeugs leicht auf seine Seite ziehen. Vielleicht ist deshalb solch einseitige Berichterstattung auch bei vielen Journalisten gerade so populär. Ich habe unzählige Artikel gelesen, die TELEGRAM so darstellen, als würde und könne dort nur Unsinn, Hass und Gewalt verbreitet werden. Dass das im Verhältnis zu der gesamten Nutzerzahl eine ganz kleine Minderheit ist, wird unterschlagen. Und dass man solchen Kanälen nicht beitreten MUSS, auch.

    Umso erfreuter bin ich über diesen Bericht hier, weil endlich mal jemand einen Unterschied macht zwischen dem Werkzeug und den Menschen, die es missbrauchen.

    Die allermeisten Menschen schlagen mit einem Hammer auf Nägel. Wenn jemand aber damit auf andere Menschen schlägt, sollten wir den Schläger bestrafen, nicht den Hammer.

  20. Ich fänd’s gut, wenn die ganzen Massenbespielungsklitschen auf Medienseite kartätscht wurden. Ich wette, der Radikalisierungseffekt wäre dann nahe Null (Prozent über dem theoretischen Minimum).

    Dummerweise ist das nicht so einfach, wenn alle überall sein können. Der Haken den ich sehe: mit aufgebrochener Verschlüsseliung oder Endgerätescans sind wir Nirgendswo. Also katapultieren wir uns ins Nirgendswo, um überall sein zu können. Sowas machen sonst nur Physiker.

  21. Es ist gut und richtig über andere Maßnahmen zur Verringerung von Hass zu schreiben – danke dafür!

    Bildung, Zivilcourage und Vorbeugung wären noch andere denkbare Maßnahmen. Eventuell auch Aussteigerprogramme. Da die Telegram-Gruppen öffentlich sind, können wir dort auch hinschicken.

    Auch als Demokratie müssen wir Menschen vor dem Hass schützen und dass bedeutet auch gegen die Betreiber:innen und Organisationen von Telegram anzugehen, wenn diese z.B. menschenverachtende Aktionen über ihre Plattform dulden.

    Nebenbei:
    * „Bernds“ werden in dem Artikel irgendwie negativ angesehen, warum? Was können Leute die „Bernd“ heißen dafür?
    * Gegen die Nutzung von Telegram sprechen die technischen Eigenschaften, siehe https://www.kuketz-blog.de/telegram-sicherheit-gibt-es-nur-auf-anfrage-messenger-teil3/

        1. Ich sag mal so. Bernd ist ein Insider! Wenn mich jemand schräg anguckt, denke ich mir, was guckt der Bernd mich so an?, also als Beispiel. Wie Otto, Horst, Karen, uvm. Es ist nicht persönlich gemeint.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.