Strafrecht und StalkingVerschärfter Paragraf gegen Psychoterror

Das Bundesjustizministerium will Betroffene von Stalking besser schützen, auch in Fällen von Handy-Spionage oder unerlaubt hochgeladenen Fotos. In schweren Fällen sollen Täter:innen härter bestraft werden. Doch strengere Gesetze können nur einen Teil des Problems lösen.

Mann am Laptop
Das „Tatwerkzeug Internet“ wird statistisch nicht erfasst, das Justizministerium sieht dennoch Anpassungsbedarf beim Stalking-Paragrafen. – Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch unsplash.com Christin Hume

Nachstellung. Schon der Begriff wirkt so veraltet, dass ihn außerhalb von Gesetzestexten kaum noch jemand nutzt. Dabei ist der gleichnamige Paragraph 238 noch gar nicht so alt, er wurde erst 2007 in das Strafgesetzbuch eingeführt. Jetzt will das Justizministerium ihn überarbeiten, um ihn zumindest inhaltlich an die Gegenwart anzupassen. Auch Taten wie das unerlaubte Veröffentlichen von Nacktfotos im Internet, gefälschte Profile auf Dating-Plattformen oder das Ausspähen von Handys sollen nun darunter fallen. Vergangene Woche stellte Bundesjustizministerin Christine Lambrecht einen entsprechenden Entwurf vor.

Zum einen geht es um zwei kleine Worte aus dem geltenden Gesetzestext, die in der Praxis für Probleme sorgen. Strafverfolger:innen müssen Verdächtigen bisher nämlich „beharrliches“ Stalking nachweisen, das außerdem geeignet ist, die Lebensgestaltung Betroffener „schwerwiegend“ zu beeinträchtigen. Doch wo beginnt Beharrlichkeit, fragen sich seither Staatsanwaltschaften und Gerichte bei der Textauslegung, und was ist schon schwerwiegend? Nach einer Evaluation des Gesetzes mit teils ernüchternden Rückmeldungen will das Ministerium die Hürden der Strafbarkeit jetzt senken und die Anwendung des Paragraphen erleichtern: „beharrlich“ soll laut Entwurf durch „wiederholt“, „schwerwiegend“ durch „nicht unerheblich“ ersetzt werden.

Weitere Praktiken sollen explizit unter Strafe stehen

Zum anderen soll eine Reihe von Stalking-Praktiken neueren Typs mit der Reform Einzug in das Strafgesetzbuch halten. Im Prinzip ist Online-Stalking schon heute strafbar. Sowohl die wiederholte Belästigung über Social Media als auch die Bestellung von Waren oder Dienstleistungen, mit der Stalker ihre Opfer oft traktieren, sind im Paragrafen 238 bereits abgedeckt.

Stalking geschehe jedoch auch dadurch, dass Täter sich über Spionage-Apps Zugang zu E-Mail- oder Social-Media-Konten der Betroffenen verschafften und deren Bewegungsdaten abgriffen, heißt es in der Begründung zum Gesetzesvorschlag. Auch die Diffamation mit dem Vortäuschen einer Identität und das unerlaubte Veröffentlichen von Nacktbildern wird explizit erwähnt. Das Ministerium sieht hier „gesetzlichen Anpassungsbedarf“.

Tatsächlich sind viele dieser Taten derzeit rein auf Umwegen strafbar. So gilt im Falle von ohne Zustimmung veröffentlichten Nacktfotos – Fachleute sprechen von bildbasierter sexualisierter Gewalt – etwa die Verletzung des Persönlichkeitsrechts und das Kunsturheberrecht als Grundlage, um Bilder löschen zu lassen. Das will die Ministerin nun ändern. „Auch diese Taten möchten wir ausdrücklich als digitales Stalking unter Strafe stellen“, sagt Christine Lambrecht.

Grundsätzlich soll Stalking weiterhin mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder mit einer Geldstrafe bestraft werden. Der neue Entwurf sieht jedoch auch höhere Strafen für besonders schwere Fälle vor, etwa wenn eine Person ihr Opfer fast täglich oder über einen besonders langen Zeitraum belästigt. Das gleiche soll gelten, wenn jemand „das Opfer oder eine dem Opfer nahestehende Person durch die Tat in die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung bringt“. Das hatten zuvor mehrere Verbände gefordert. Länder und Verbände können nun bis zum 1. März Stellung zu dem Gesetzesvorschlag nehmen.

Lambrecht will mehr Täter vor Gericht

„Stalking ist für Betroffene oft schrecklicher Psychoterror – mit traumatischen Folgen“, sagte Justizministerin Lambrecht bei der Vorstellung des Entwurfs. Daher müssten mehr Fälle vor Gericht kommen und die Täter „konsequent zur Verantwortung gezogen werden“.

Doch es gibt erhebliche Zweifel, ob das allein über eine Gesetzesreform geschehen kann. Die Juristin Josefine Ballon von der Schutzorganisation HateAid, die Betroffene von Digitaler Gewalt berät, begrüßt die Änderungsvorschläge grundsätzlich. Zugleich weist sie darauf hin, dass eines der zentralen Probleme ungelöst bleibt: die Identifikation der Täter:innen. Gerade im Netz sei diese oft besonders schwierig. Selbst wenn ein Verdacht besteht, könne oft nicht „wasserdicht ermittelt werden“, wer etwas hochgeladen hat – auch weil die Social-Media-Plattformen nicht kooperierten. Eine Strafverschärfung allein nutze also wenig, so lange Täter nicht identifiziert würden und vor Gericht kämen.

Auch die Verbände, die sich in der Evaluation zu Wort meldeten, stützen diese Sicht. Es seien vor allem die Probleme in der Ermittlung, die die Zahl der Verurteilung derart gering hielten. In Polizeibehörden fehle es an Zeit und technischem Wissen, um Fällen von Online-Stalking oder unerlaubt veröffentlichten Bildern nachzugehen. Betroffene würden oft nicht ernst genommen. Häufig unternehmen Behörden dann nicht mal den Versuch, Beweise zu sichern. Über allem müsse daher die Weiterbildung von Polizeikräften, Sonderstaatsanwält:innen und Richter:innen stehen, schrieb damals die Frauenhauskoordinierung.

Sie machten noch einen weiteren plausiblen Vorschlag, der allerdings eher an die Gerichte und Staatsanwaltschaften gerichtet ist: So sollten Täter neben Geldstrafen auch verpflichtet werden, Therapien und Tätertrainings zu besuchen. Das geschehe derzeit selten, obwohl die Justiz damit zur Prävention und zum Opferschutz beitragen könnte.

Das Problem bleibt: Stalking ist ein undankbarer Straftatbestand, das berichteten viele Staatsanwaltschaften dem Ministerium. Oft handelt es sich um Tausende von Einzelhandlungen, der Ermittlungsaufwand ist riesig und Betroffene sind mit der akribischen Dokumentation der einzelnen Taten oft überlastet. In der Praxis werden Anklagen auf Basis von Paragraf 238 deswegen häufig fallen gelassen zugunsten von anderen Delikten wie Hausfriedensbruch oder Verstößen gegen das Gewaltschutzgesetz, die mehr Erfolg versprechen.

Zweite Gesetzesänderung in vier Jahren

Es ist nicht das erste Mal, dass der Paragraf 238 überarbeitet wird. Erst 2017 hatte der damalige Justizminister Heiko Maas das Gesetz nachgeschärft, um auch Täter bestrafen zu können, denen es nicht gelingt, ihr Opfer einzuschüchtern. Seitdem ist die Strafbarkeit von Stalking nicht mehr an das Verhalten des Opfers geknüpft, sondern an die Handlungen des Stalkenden. Die Quote der Verurteilungen ist danach leicht gestiegen. 2016 wurden von knapp 19.000 angezeigten Täter:innen 150 verurteilt. 2018 waren es bei gleicher Zahl der Anzeigen etwa doppelt so viele.

Wie viele Stalking-Fälle es tatsächlich gibt, wie oft dabei Technologien eingesetzt werden und wer die Täter:innen sind, dazu gibt es in Deutschland so gut wie keine Erkenntnisse. In der Kriminalstatistik wird Stalking erfasst, Cyberstalking ist kein eigener Straftatbestand. Expert:innen gehen zudem von einer hohen Dunkelziffer aus. Verbände und Politikerinnen wie Anke Domscheit-Berg fordern daher seit einiger Zeit mehr Forschung und Studien zu dem Thema.

5 Ergänzungen

  1. Das Bundesjustizministerium will Betroffene von Stalking NICHT besser schützen. Wollte es noch nie. Der größte Stalker ist der Staat. Lest mal, was dazu im Anti-Stalking Gesetz steht. Na? Was wohl? Dass jegliche staatliche Handlung, obwohl sie unter die Definition von Stalking fällt, nicht als Stalking verfolgt werden darf, also kein Schutz vor Stalking besteht, wenn die Stalker Staatsdiener sind.

    Weil sonst könnten wir ja sagen, hört auf uns zu stalken, lasst uns in Frieden, wir wollen euch nicht, wir brauchen euch nicht, niemand braucht euch, wir wollen einfach nur in Ruhe leben. Gut für uns. Schlecht für sie, denn dann würden sie ihre Macht über uns verlieren.

    Es geht nicht um unseren Schutz. Es geht um usnere Kontrolle.

  2. Es gibt auch Arbeitgeber, die in krimineller Weise ihre Mitarbeiter abhören. Das Problem besteht darin, dies nachzuweisen, das Opfer wird als paranoid abgestempelt und lächerlich gemacht. Die Methode erinnert an die STASI der DDR oder an kriminelle Sekten und Ämter decken dies noch oder spielen sogar mit. Die Täter verraten sich durch ihre Wortwahl oder bestimmte Themen selbst. Es gibt Zufälle, aber es gibt keine andauernden Zufälle, wodurch der Täter irgendwann auffliegt, das er kriminell handelt. Das ist auch eine Form von Stalking. Körperverletzung ist es definitiv, denn die Psyche lässt so etwas nicht kalt, wenn man jedes Wort auf die „Goldwaage“ legen muss. Doch wie soll man sich in so einer Situation verhalten? Für eine Anzeige braucht man Beweise, die man kaum erbringen kann, außer man hat entsprechende Technik, was aber meist nicht der Fall ist.

    1. Stalking scheint mir ein Mittel von skrupellosen, nicht empathischen Menschen zu sein, auch Psychopathen genannt. Sie gehen prädatorisch vor, sind auf das Plünden ihrer Opfer aus, sei es Geld, Macht oder Arbeitskraft. Sie können viele Emotionen bestens simulieren, auch wenn sie selbst nur eine Untermenge empfinden können (die prädatorischen Emotionen, sowie sexuelle Emotionen, die jedoch ein Spiegel der prädatorischen Emotionen sind). Wie verhalten … Flucht scheint die beste Wahl zu sein. Du kannst es auch auf Empath vs Psychopath anlegen, was jedoch viel Training braucht.

      Das war eine kleine verdaute Wiedergabe vom „Psychopath Code“ von Hintjens.

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