Social MediaRTL sagt Übernahme von Instagram-Account durch CDU-Mitarbeiterinnen ab

Was könnte es im Wahlkampf besseres geben für eine Partei als den Social-Media-Account einer Nachrichtensendung zu übernehmen? Dass diese Art von Werbeaktion schaden könnte, stellte RTL dann doch noch fest – und blies die Aktion ab.

Screenshot aus Instagram-Post
Mit diesem Posting warben die CDU-Influencerinnen für die Aktion. (Ausschnitt) – Alle Rechte vorbehalten Screenshot / instagram.com/insta.politik

Die Nachrichtensendung RTL Aktuell hat eine Kooperation auf Instagram mit Mitarbeiterinnen der CDU kurzfristig abgesagt. Am Mittwoch Abend hatte ein mittlerweile gelöschtes Posting des Instagram-Accounts insta.politik für Aufregung gesorgt. In diesem hieß es, dass der Account für einen Tag das Instagram-Profil von RTL Aktuell kapern würde.

Der Account gehört zwei Influencerinnen, die direkt mit der CDU verbunden sind. Janine Klose ist Mitarbeiterin des CDU-Bundestagsabgeordneten Patrick Sensburg, Lara Urbaniak ist Referentin in der CDU-Pressestelle. Der Instagram-Account der Nachrichtensendung hat mehr als 450.000 Follower, der Account der CDU-Mitarbeiterinnen lediglich 15.000.

Timm Giesbers, Reporter bei ARD und DLF, twitterte: „Ich will mir nicht im Ansatz vorstellen, was zurecht los wäre, wenn die Grüne Jugend oder Kevin Kühnert einen Tag auf den Accounts der @tagesthemen oder von @heutejournal freie Fahrt hätten.“

Posting von RTL Aktuell
Posting von RTL Aktuell - Alle Rechte vorbehalten Screenshot RTL Aktuell

RTL reagierte mittlerweile auf die Kritik und sagte die Aktion ab. „Es gibt grundsätzlich keine Übernahme unserer journalistischen Kanäle! Hier ist schlicht und einfach ein Fehler im Social Team passiert“, verkündete der Sender auf Twitter.

Der Deutsche Journalistenverband (DJV) lobte die Rücknahme als „konsequent“Die geplante Übernahme des Instagram-Accounts von RTL Aktuell hätte nichts mit Journalismus zu tun gehabt: „Unverständlich, wie man auf so eine Idee kommt – noch dazu in der heißen Phase des Wahlkampfs.“

Offenbar handelte es sich um eine schon länger geplante Werbe-Aktion von RTL. Der ZDF-Journalist Daniel Bröckerhoff berichtet, dass er am 10. August eine Anfrage von RTL Aktuell erhalten habe, ob er den Account für einen Tag im September übernehmen wolle. So genannte Take-Over-Aktionen sind in sozialen Medien nicht ungewöhnlich, eine Übernahme von Nachrichtenkanälen ist allerdings ein Novum in Deutschland. 

Die beiden konservativen Influencerinnen zeigten sich auf ihrem Instagram-Kanal enttäuscht über die „erhitzten Gemüter“ im Wahlkampf. Sie wollen die für RTL Aktuell geplanten Inhalte nun auf ihrem Kanal abspielen.

Kurzfristige Presseanfragen zur Aktion haben die Pressestellen von RTL und der CDU bisher nicht beantwortet. Wir reichen diese gegebenenfalls nach.

Update 13:00 Uhr:

Eine Sprecherin von RTL teilte uns nun mit: „Das Social Team ist im engen Austausch mit den Redaktionen, arbeitet aber im Tagesgeschäft weitestgehend selbständig. In diesem Fall hat die Chefredaktion leider erst spät von den geplanten Takeover erfahren und diese dann sofort gestoppt.“

 

Deine Spende für digitale Freiheitsrechte

Wir berichten über aktuelle netzpolitische Entwicklungen, decken Skandale auf und stoßen Debatten an. Dabei sind wir vollkommen unabhängig. Denn unser Kampf für digitale Freiheitsrechte finanziert sich zu fast 100 Prozent aus den Spenden unserer Leser:innen.

8 Ergänzungen

  1. Geschicktes Marketing. Einmal ans Wespennest treten und alles rastet aus. Verrückt wie das funktioniert wa? Selbst ihr macht jetzt hier PR für diese beiden Kasperbuden…

    1. Nein, den Vorwurf halte ich für daneben, denn das war keine PR-Falle. RTL Aktuell konnte mit diesem Ding als Nachrichtenredaktion nichts gewinnen und da bleibt jetzt auch nichts Positives hängen. Was die CDU-Influencerinnen angeht, gibt es natürlich keinen Image-Verlust und in der Tat etwas Aufmerksamkeit. Deswegen aber das Thema nicht zu berichten, halte ich für falsch. Dann könnte man über viele Themen gar nicht mehr berichten.

      1. Ihr hättet die Influencerinnen aber anonym beschreiben können. Der Leser hat durch die Nennung der Namen und Funktionen nichts zu gewinnen. Die Influencerinnen (ich hoffe, das wird aus ihrer Betitelung klar) haben alles daraus zu gewinnen.

        1. Da muss ich dem Poster von 10:52 beipflichten. Das Konzept mit jeder Art von Bericht seinen Namen bekannt zu machen geht ja nachweislich auf. Primitivlinge und aufgeblasene Nichtskönner erlangen inzwischen mehr Aufmerksamkeit als stille Macher, und dem sollte der Journalismus entgegenwirken.

        2. Diese beiden Damen agieren ja nicht wie gewöhnliche Influencer, die einfach nur Produkte verkaufen und damit Geld verdienen. Wir reden hier von politischen Akteuren einer großen Partei, die im Moment noch Führungspartei der Regierungskoalition ist.
          Man bekommt in den Medien ja oft nur die erste Garnitur an aktiven Politikern zu Gesicht, Politik wird aber weniger vor der Kamera und mehr in den Büros und mittlerweile auch im Social Media gemacht. Die Idee für diese „Übernahme“ war sicherlich nicht allein auf dem Mist der beiden Damen gewachsen, das war höchstwahrscheinlich mit weiteren Parteivertretern der CDU abgesprochen.

          Hier hätten Sprachrohre der CDU einen reichweitestarken Instagram-Kanal für ihre Inhalte einen ganzen Tag zur Verfügung gehabt. Das ist bei einer Bundestagswahl ein nicht zu unterschätzender Wahlkampfvorteil. Im Beitrag wird zu recht gefragt, wie wohl die Reaktion ausgefallen wäre, wenn die Grünen oder die SPD so eine Aktion hätten durchführen können.

        3. Naja, was mir das zumindest gebracht hat, ist dass mir vorher nicht bewusst war, wie CDU-nah dieser Account ist. Und man sieht es ihm auch nicht sofort an, was ich einigermaßen verwerflich finde. Die bezeichnen sich selbst nur als „privater Erkläraccount“.

          1. – Bürgermeister „erklären“ die Flut.
            – „Erklärende“ Artikel mit „wie-das-soundso-weil-wir-erkläre-es-euch“-Überschriften in Medien.
            – Politiker „erklären“ Sachen. Z.B. das Klima, die Klimawende, die nicht stattfindende Kehrtwende, den Abzug aus Afghanistan, sich zu den besseren Erklärern, usw.
            – Factchecker „erklären“ Sachen, die nicht zu erklären sind, jedenfalls nicht mit „Fakten“.
            – „Erklären“ als Kunstform der neuen Medien.
            – „Erkären“ die nächste Flut?

    2. Ich weiß zwar nicht genau, wen Sie mit „Kasperbuden“ meinen, aber vermutlich sprechen Sie von der CDU, die die Mehrheit der Regierungskoalition stellt und RTL, einem der reichweitestärksten Privatsender Deutschlands.
      Hätte niemand von der geplanten Aktion was mitbekommen, wären an besagtem Tag nur CDU-freundliche Inhalte auf dem Instagram-Kanal von RTL gepostet worden und unter Umständen hätten viele Nutzer gar nicht gemerkt, dass da nicht RTL der Urheber ist, sondern eben die CDU.

      Außerdem frage ich mich ja schon, ob andere Parteien da nicht sogar hätten wegen unerlaubter Wahlkampfhilfe vor Gericht ziehen können. Die „Übernahme“ keine 4 Wochen vor der Wahl war doch nicht zufällig gewählt und garantiert auch keine Einzelidee der beiden Damen.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.