Privatleben im NetzSollen wir personalisierte Werbung verbieten?

Google und Facebook verdienen ihr Geld mit Werbung, die auf persönliche Profile zugeschnitten ist. Das erfordert umfassende Überwachung von Nutzer:innen. Einige fragen nun: Sollten wir personalisierte Werbung nicht lieber ganz abschaffen?

Personalisierte Werbung
Wer sitzt hinterm Spiegel? Werbung im Netz beruht auf ausgespähten Daten. CC-BY 4.0 Oliver Hinzmann

Werbung im Netz ist fast immer angepasst an die Person, die sie sieht. Wer nach Rucksäcken googelt, bekommt Anzeigen für Rucksäcke zu sehen. Das klingt für manche vielleicht praktisch, beruht aber auf aggressiver Datensammelei.

Tatsache ist: Die meisten Webseiten und viele Apps spähen ihre Nutzer:innen aus. Die Daten fließen in persönliche Profile in der Hand privater Firmen. Die Datensammelei ist der Kern des Geschäftsmodell von Google und Facebook, aber auch von dubiosen Datenbrokern. Unser Alter, Geschlecht und selbst unser genauer Standort sind im Netz kein Geheimnis, sondern Handelsgut.

Die großen Datenkonzerne nutzen ihre Profile von Milliarden von Nutzer:innen, um die Vorherrschaft über den digitalen Werbemarkt zu erlangen. Die Datensammelmaschine weckt Sorgen vor einem Ende der Privatsphäre im Netz, Kritiker:innen sprechen von „Überwachungskapitalismus“.

Sogar Axel-Springer-Vorstandschef Matthias Döpfner, der bislang nicht als erklärter Feind des Kapitalismus aufgefallen ist, äußert die Befürchtung, die Menschen würden zu „Marionetten kapitalistischer Monopole“. Döpfner fordert, den Plattformen müsse das Datensammeln verboten werden.

Im EU-Parlament gründete sich vor wenigen Tagen eine Koalition von Abgeordneten, die Maßnahmen gegen Tracking im Netz fordert. „Tracking Ads basieren auf Vorhersagen und Manipulation unseres Verhaltens und haben in einer freien Gesellschaft nichts zu suchen“, sagt die Mitgründerin und grüne Abgeordnete Alexandra Geese.

Alexandra Geese
Die Grünen-Abgeordnete Alexandra Geese will personalisierte Werbung verbieten. - Alle Rechte vorbehalten EU-Parlament/Melanie Wenger

Setzt sich die Koalition durch, träfe dies das Geschäftsmodell von Google und Facebook ins Mark. Doch ist etwas, dass zwei mächtige Konzerne stark behindern würde, überhaupt politisch denkbar? Mehr dazu später.

Werbung für Weiße und „Judenhasser“

Wie problematisch Werbung sein kann, die auf persönlichen Daten und Tracking beruht, zeigen zahlreiche Beispiele. Dass etwa in den USA Facebook über Jahre hinweg zuließ, dass Immobilienwerbung nur Weißen angezeigt wird. Oder dass Werbekunden ihre Anzeigen selbsterklärten „Judenhassern“ zeigen durften.

Facebook entschuldigte sich in beiden Fällen und gelobte Besserung, doch das Problem bleibt: Wer Millionen Kund:innen erlaubt, in Echtzeit Werbung auf kleine und kleinste Zielgruppen zuzuschneiden, der hat dabei offenkundig Mühe, Diskriminierung zu verhindern.

Der Fall Cambridge Analytica brachte die drastische Wirkung manipulativer Werbung in das öffentliche Bewusstsein. Von der dubiosen Datenfirma unterstützt, machte die Trump-Kampagne in zwei US-Wahlkämpfen vor, was eine Heerschar an autoritären Politiker:innen inzwischen weltweit nachahmen: den gezielten Einsatz von Desinformation, die über personalisierte Werbung direkt an Zielgruppen gelangt.

Trump-Video auf Facebook
Donald Trump warf Joe Biden ohne Beweise korrupte Deals mit der Ukraine vor

Auch wenn Donald Trump inzwischen das Weißen Haus verließ und von Twitter und Facebook flog, die Bedenken über die massiven Datensammelei der Konzerne bleiben. Datenschützer:innen halten sie für unvereinbar mit den europäischen Regeln.

Schrems wartet bis heute auf Antworten

Vor rund drei Jahren legte der Aktivist Max Schrems europaweit Beschwerde gegen Google und Facebook ein. Die „erzwungene Einwilligung“ zum Werbe-Tracking sei ein Verstoß gegen die Datenschutzgrundverordnung, sagte Schrems an dem Tag, an dem sie europaweit wirksam wurde – dem 25. Mai 2018. Es folgten zahlreiche weitere Beschwerden.

Passiert ist seither wenig. Für die Kontrolle von Google und anderen Konzernen ist die Datenschutzbehörde in Irland zuständig, da die Firmen dort ihren EU-Sitz haben. Doch die irische Behörde schaffte es bislang nicht, auch nur eines ihrer zahlreichen Verfahren gegen Google und Facebook abzuschließen.

Schleppend gehen auch die Bemühungen voran, Datenschutzregeln für Kommunikationsdienste im Netz zu schärfen. Nach rund vier Jahren an Grabenkämpfen haben die EU-Staaten endlich ihren Entwurf für ein Gesetz vorgelegt, das eine Art digitales Briefgeheimnis für Kommunikation im Netz schaffen soll.

Doch die EU-Staaten drängen darauf, diese so genannte ePrivacy-Verordnung entscheidend zu verwässern. Ob sie damit Erfolg haben, wird sich in den kommenden Monaten zeigen.

EU erwägt Eingriffe in Werbemarkt

Vorwürfe gegen Google und Facebook gibt es nicht nur wegen Datenschutzproblemen, sondern auch wegen des offenkundigen Ungleichgewichts am Werbemarkt – die beiden Firmen scheffeln allein in den USA mehr als die Hälfte aller Einnahmen aus digitaler Werbung. Expert:innen warnen vor Wettbewerbsverzerrung, denn ihre Schlüsselposition bei personalisierter Werbung gibt den Konzernen viel Handlungsspielraum.

Die EU-Kommission hat Voruntersuchung gestartet, ob Google und Facebook ihre Doppelrolle als Vermittler und Verkäufer am Werbemarkt ausnutzen, um sich Vorteile zu verschaffen. Leitet die Behörde ein Verfahren ein, könnte es am Ende Milliardenstrafen setzen.

Um Verzerrungen am Werbemarkt strukturell zu beseitigen, schrieb die Kommission neue Bestimmungen in ihren Entwurf für ein neues Gesetzespaket zur Regulierung von Plattformen. Die Kommission möchte großen Plattformen Transparenz bei personalisierter Werbung vorschreiben.

Nutzer:innen müssten erfahren, warum und in wessen Namen ihnen Werbung gezeigt werde. Sie sollen wissen, wenn sie wegen ihres Alters, Geschlechts oder anderer Merkmale gezielt mit Werbung konfrontiert werden. Auch müssten Vermittler wie Google offenlegen, welche Preise sie an beiden Enden des Marktes verlangen.

Doch bloß Transparenz vorzuschreiben, das geht aus Sicht des EU-Datenschutzbeauftragten Wojciech Wiewiórowski nicht weit genug. Das neue Gesetz müsse, um wirklich die Grundrechte der Betroffenen zu wahren, schrittweise zum Verbot personalisierter Werbung auf Basis von Tracking führen.

Facebook-Explainer: Warum du diese Werbeanzeige siehst
Pseudotransparenz: Facebook nennt zwar bereits Targeting-Kriterien für einzelne Anzeigen – aber es könne auch „weitere Gründe geben“

Auch müsse es klare Grenzen geben, welche Kategorien an persönlichen Daten überhaupt für Werbezwecke genutzt werden dürften, sagt Wiewiórowski.

„Müssen mit hartem Lobbying rechnen“

Damit sich etwas ändert, brauche es harte Bestimmungen gegen Tracking, sagt auch der niederländische Sozialdemokrat Paul Tang. Was offline nicht erlaubt sei, müsse auch online verboten sein. „Wenn wir andauernd und überall mit Kameras überwacht würden, würden wir uns auch dagegen wehren“, sagt er.

Gemeinsam mit 13 weiteren EU-Abgeordneten und dem NGO-Bündnis European Digital Rights gründete Tang die Tracking-Free Ads Coalition. Harte Maßnahmen gegen Tracking werde es nicht ohne Streit geben, glaubt der Abgeordnete. „Wir müssen mit hartem Lobbying der Tech-Konzerne rechnen.“

Der Gruppe gehören Politiker:innen aus den Fraktionen der Liberalen, Linken, Grünen und der Sozialdemokratie an. Bislang fehlen allerdings Namen aus der größten Fraktion, der Europäischen Volkspartei, der auch CDU und CSU angehören. Der Plan sei, auch Abgeordnete von dort einzubinden, sagt Tang. Das brauche aber Zeit.

Paul Tang
Der Abgeordnete Tang: „Müssen mit hartem Lobbying rechnen“ - Alle Rechte vorbehalten European Union 2020 - Source : EP

Ein Komplett-Verbot für personalisierte Werbung ist bislang eine von mehreren Option, über die die Koalition nachdenkt. Eine Alternative sei, nur die Verwendung besonders sensibler Daten zu beschränken, Tracking durch Drittparteien auf Seiten zu verbieten oder vorzuschreiben, dass Browser eine Do-not-track-Option standardmäßig eingestellt haben.

Ein Verbot würden viele Bürger als Bevormundung wahrnehmen, sagt der FDP-Abgeordnete Moritz Körner, der sich der Koalition nicht angeschlossen hat. Auch bedeute dies Probleme für kleine und mittlere Unternehmen, die heute über personalisiert Werbung lokale Zielgruppen erreichen könnten. „Als Liberaler trete ich dafür ein, den Bürgern eine Wahlmöglichkeit zu geben“, betont Körner.

Braucht die Presse personalisierte Werbung?

Ob die Anti-Tracking-Koalition unentschlossene Abgeordnete und Skeptiker wie Körner von einer starken Einschränkung oder sogar einem Verbot von personalisierter Werbung überzeugen kann, das liegt auch an der politischen Stimmung in Teilen der Wirtschaft. Eine Schlüsselrolle dafür spielen die Presseverlage.

Jahrzehntelang finanzierten Verlagen den Journalismus durch Werbung, doch im Netz geriet das Geschäftsmodell in die Krise. Das machte Google und Facebook für die politische einflussreiche Verlagsbranche lange zum roten Tuch.

Auf Druck der Verlage schufen Staaten von Frankreich bis Australien Gesetze, die die Digitalkonzerne zwingen sollten, einen Teil ihrer Einnahmen abzugeben. Allerdings scheiterten Versuche wie das Leistungsschutzrecht in Deutschland und Spanien.

Inzwischen gibt es aus Sicht der Presseverlage zumindest Teilerfolge: In Frankreich einigte sich Google mit Verlagen auf Lizenzzahlungen, in Australien schuf die Regierung ein Gesetz, dass Google und Facebook an den Verhandlungstisch zwingt. Doch in beiden Fällen geht es um Kleckerbeträge, die nichts an der Vorherrschaft der Konzerne am digitalen Werbemarkt ändern. Die wirtschaftlichen Probleme der Verlage bleiben ungelöst.

Einige, etwa der eingangs erwähnte Springer-Chef Döpfner, wollen angesichts der Schwierigkeiten Werbe-Tracking verbieten – allerdings nur für Plattformkonzerne. Der Springer-Verlag soll hingegen nach Vorstellung Döpfners weiterhin Nutzer:innen ausspähen und ihre Profile für Werbezwecke verwenden dürfen.

Mathias Döpfner
Springer-Chef Döpfner will weiter tracken - CC-BY-NC 2.0 Deutsche Welle

Das Festhalten am Werbe-Tracking hat finanzielle Gründe. Verlagsverbände schätzen hinter vorgehaltener Hand, auf Tracking zu verzichten könnte bis zu zwei Drittel aller Werbeeinnahmen kosten. Verantwortliche gestehen zugleich ein, dass es an unabhängigen wissenschaftlichen Untersuchungen dazu fehlt.

Einige Stimmen argumentieren, dass ein Verbot personalisierter Werbung Verlagen sogar nutzen könnte. Denn Werbung auf Basis von Tracking erlaube es, gutverdienende und gebildete Kund:innen selbst auf unseriösen Webseiten und Fake-News-Pages zu erreichen. Ein Verbot trockne den Sumpf der Desinformation aus, argumentiert etwa der Aktivist Johnny Ryan bei einem Webinar der Anti-Tracking-Koalition.

Am Ende bleibt es eine Frage der Weltanschauung. Privatsphäre sei eben ein Handelsgut, das sich auch veräußern lassen müsse – etwa durch gläserne Nutzer:innen, die dafür Gratis-Dienstleistungen bekommen, argumentieren die einen. Während für die anderen die Freiheit, unveräußerliche Rechte preiszugeben, eben keine echte Freiheit ist.

19 Ergänzungen

  1. Es würde nicht schaden – stattdessen vielleicht spezialisiertere, dafür funktionierende Suchvarianten?

    Werbung und Shopping ausblenden zu können, wäre vielleicht auch nützlich – mittelson-site-one-click sowie URL-Argument, erzwungen durch Gesetz natürlich. Nützliches wird allerdings nicht mehr so gerne gebaut, da die stetige Unerfülltheit uns alle treiben soll.

  2. „Einige Stimmen argumentieren, dass ein Verbot personalisierter Werbung Verlagen sogar nutzen könnte. Denn Werbung auf Basis von Tracking erlaube es, gutverdienende und gebildete Kunden selbst auf unseriösen Webseiten und Fake-News-Pages zu erreichen. Ein Verbot trockne den Sumpf der Desinformation aus, argumentiert etwa der Aktivist Johnny Ryan bei einem Webinar der Anti-Tracking-Koalition.“

    Ich verstehe diese Absatz nicht wirklich. Was ist die Kernaussage? Ist es „Weniger Tracking trocknet den Sumpf aus“ oder „mit Tracking erreicht man Leute auch auf unseriösen Seiten“?
    Aber warum wäre dies dan für Verlage gut, wenn sie diese Möglichkeit nicht mehr haben?
    Gut gebildete Leute von unseriösen Inhalten wegzulocken ist doch erst mal positiv.

    Verstehe ich hier irgendwas falsch?

    1. Ist es „Weniger Tracking trocknet den Sumpf aus“ oder „mit Tracking erreicht man Leute auch auf unseriösen Seiten“?

      Es ist beides. Mit Tracking ist es möglich, einzelnen Usern bestimmte Werbung anzuzeigen, egal wo im Internet sie sich gerade aufhalten. Damit wird es möglich, dass eine grundseriöse deutsche Firma für, sagen wir, Haushaltsgeräte, mit Werbung auf irgendeiner Esoterik-Webseite mit medizinischen Falschinformationen anzeigt. Und das, obwohl die deutsche Firma dort sicher nie werben wollte. Tracking zu verbieten, macht es schwerer für die Esoterikseite, mit Werbung Geld zu verdienen, ergo „trocknet das den Sumpf aus“, um es blumig zu formulieren.

      1. @ Alexander Fanta

        „Und das, obwohl die deutsche Firma dort sicher nie werben wollte. “

        Ach ja? Nein, es ist ihr schlichtweg egal. Wenn sie auf unseriösen Seiten wirbt, dann nur, weil sie liebend gern die herrlich bequeme Online-Werbewelt nutzt, ohne sich allzuviel Gedanken machen zu müssen. Klar, dabei kann man prima ins Klo greifen. Aber dahinter steckt letztlich nur Faulheit.

        Du glaubst gar nicht, wie unprofessionell Marketing teilweise ist und wie wenig ernst das Thema von Firmen genommen wird. Das ist aber das Problem der Firmen und kein Grund, immer mehr Staatseingriffe zu fordern.

        1. „Das ist aber das Problem der Firmen und kein Grund, immer mehr Staatseingriffe zu fordern.“

          Stimmt, aber die negativen gesellschaftlichen Auswirkungen des privatisierten Überwachungsapparats sind ein Grund radikale Verbote zu fordern.

  3. Ein Problem an dem ganzen Tracking ist, das vieles davon (ganz bewusst) im verborgenen passiert, und vielen Nutzer nicht einmal ansatzweise klar ist, was da alles gesammelt und mit anderen Quellen verknüpft wird, weiterverkauft wird…
    Deutlich mehr Transparenz würde schon mal weiterhelfen, aber man sieht es am aktuellen Beispiel (Apple wird Anwendern mit dem kommenden Update auf iOS 14.5 die Möglichkeit einräumen, systemweites Tracking abzulehnen, faceblöd sträubt sich mit Händen und Füßen und zum Teil hanebüchenen Argumenten dagegen) wie dünnhäutig die darauf reagieren. Dabei will Apple nichts verbieten, sie setzen sich nur für die schon erwähnte bessere Transparenz ein. Wenn sich eine Firma dagegen allerdings so wehrt, dann läßt das tief blicken, was die für eine Einstellung ihren eigenen Kunden gegenüber haben (Melkvieh).
    Als erster Schritt wäre das schon mal gut, reicht aber nicht. Die gern angeführte Behauptung, ohne Tracking ließen sich viele Angebote im Netz nicht finanzieren ist eben genau das, eine Behauptung, Beweise das dem tatsächlich so ist fehlen. Dabei könnte es so einfach sein. Ein großer Teil dessen, was im Internet zu sehen ist richtet sich an Menschen mit speziellen Interessen. Statt personenbezogener Werbung könnte man es doch einfach mal mit kontextbezogener versuchen. Auf Seiten, auf denen es um Apple-Themen geht (Macs, iPhone…) Werbung für windows oder android machen? Nicht wirklich durchdacht. Seiten, auf denen Verkehrspolitische Themen rund ums Radfahren besprochen werden und Autowerbung? Eine Sammlung von vegetarischen oder veganen Rezepten und dann Fleischwerbung? Ich könnte ewig so weitermachen. Allein durch den Aufruf einer bestimmten Seite ist ein Interesse des Nutzers bekannt, ganz ohne fragwürdige Datensammelei. Es käme auf einen Versuch an, inwiefern sich dadurch Inhalte im Netz finanzieren lassen.
    Was die Befürworter des hemmungslosen Trackings gern übersehen ist, das sie mit ihrer Datensammelwut manchen Nutzer förmlich dazu treiben, Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Ob das jetzt ein Adblocker ist, ein Trackingblocker wie der Privacy Badger der Electronic Frontier Foundation (https://privacybadger.org) oder ob die sich auf Basis eines Raspberry Pi ein Pi-hole einrichten (https://pi-hole.net) ist dabei zunächst von untergeordneter Bedeutung. Allerdings sind diese Nutzer für die Werbung verloren. Über eine Tracking-freie Werbung hingegen könnte die Akzeptanz von Werbung womöglich deutlich höher ausfallen. Wie viel das dann bei den Einnahmen bringt bleibt abzuwarten, sollte aber auch bedacht werden.
    Von daher, der Status-Quo wurde von einigen Firmen unter völlig einseitiger Berücksichtigung ihrer Bedürfnisse geschaffen. So etwas sollte aber immer ein Kompromiss sein, in den auch die Kundenwünsche einfließen. Nur dann kann das ganze auf Dauer funktionieren.

  4. @Uli

    „Auf Seiten, auf denen es um Apple-Themen geht (Macs, iPhone…) Werbung für windows oder android machen? Nicht wirklich durchdacht. Seiten, auf denen Verkehrspolitische Themen rund ums Radfahren besprochen werden und Autowerbung? Eine Sammlung von vegetarischen oder veganen Rezepten und dann Fleischwerbung? Ich könnte ewig so weitermachen. Allein durch den Aufruf einer bestimmten Seite ist ein Interesse des Nutzers bekannt, ganz ohne fragwürdige Datensammelei.“

    GENAU DIESEN ANSATZ haben die Verlage in ihrer unfassbaren Inkompetenz versemmelt. Exakt mit dieser Werbeform könnte man Google & Facebook starke Konkurrenz machen. Alle Werbetreibenden scharren seit 20 Jahren mit den Hufen und warten darauf, dass das kommt. Aber bis vor wenigen Jahren haben die Verlage eigentlich nur andere Verlage als Konkurrenz wahr- und ernst genommen.

    Und eben wegen ihres historischen Versagens wollen sie es jetzt Google & Co. möglichst schwer machen und fahren in Berlin und Brüssel schwerste Lobbygeschütze auf – und wir hier fallen auf ihre Argumente auch noch rein.

    Die Hauptgegner sind die Verlage, nicht Google.

    1. Diesen Ansatz setzen Unternehmen wie z.B. Duckduckgo schon seit Jahren ein. Werbung wird einfach auf Basis der Sucheingabe ausgespielt, ohne den Nutzer weiter tracken zu müssen.

      1. „machen deutlich wie schwierig es geworden ist ohne Google. “
        Nein, hier wird deutlich wie sich überall gemütlich in die digitale Hängematte fallen gelassen wurde.
        „Google macht das schon.“ Kein Aufwand, keine Kosten.
        Jetzt: Katzenjammer.
        Anstatt sich an die eigene Nase zu fassen, wird mit dem Finger wie immer auf andere gezeigt.

    2. Media Buyer die sich es bei Google bequem machen sind das Problem. Logistisch gesehen ist es am einfachsten beim Monopolisten einkaufen zu gehen. Und google generiert seit ewig am meisten mit Werben. AdMob, AdSense, and DoubleClick AdExchange, etc, etc. Die laufende Anti-trust Verfahren in den USA und in Europa machen deutlich wie schwierig es geworden ist ohne Google.

      Nicht das die Verlage es nicht selbst können, aber die Marge ist dünn wenn man selber die Technik betreibt. And there’s the rub. Das nenne ich aber weder unfaßbar noch Inkompetenz.

      1. @ Mark Washeim

        „Das nenne ich aber weder unfaßbar noch Inkompetenz.“

        Im Jahr 2010 hätte ich diesen Satz vielleicht noch unterschrieben. 2021 sicher nicht mehr.

        Die Verlage bringen jetzt plötzlich die Argumente von uns Bürgerrechtlern, weil sie einfach 15-20 Jahre verschlafen haben. Darauf sollten wir nicht reinfallen.

    3. Zum Thema Kontextbezogene Werbung ist der Fall der niederländische öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt (Nederlandse Publieke Omroep (NPO)) interessant. Die haben nach Einführung der DSGVO auf Tracking verzichtet und selbst ein Tool zur Vermarktung von Kontextbezogener Werbung entwickelt. Eine Studie kommt zu dem Ergebnis, dass die Einnahmen nur um 4 % zurrückgehen und sie müssen nicht auf Google/Facebook zurückgreifen. Details Siehe in den Links unten.

      Artikel dazu (auf Englisch):
      https://www.wired.com/story/can-killing-cookies-save-journalism/

      Gekürzter Artikel auf Deutsch (automatisch übersetzt glaube ich):
      https://www.publizer.de/Blog/kontextbezogene-werbung-vs-programmatic-advertising-das-haette-niemand-gedacht-2855610

      Die Studie:
      https://weis2019.econinfosec.org/wp-content/uploads/sites/6/2019/05/WEIS_2019_paper_38.pdf

      Auch interessant, Google versucht sich auch an neuen Methoden der Personalisierung.
      Google testet personalisierte Werbung ohne Tracking:
      https://www.golem.de/news/chrome-google-will-personalisierte-werbung-ohne-tracking-2101-153677.html

      1. @Stefan
        Von meiner Seite aus ein ganz herzliches Dankeschön für den Hinweis, das die NPO das Experiment gewagt hat und komplett auf Tracking verzichtet. Das zeigt doch, das die Einnahmen entgegen dem, was sonst gern so behauptet wird (ohne das auch belegen zu können) keinesfalls völlig einbrechen. Die Werbung wird nach wie vor angeklickt, und durch die Direktvermarktung bleibt fast alles Geld beim Inhalteanbieter hängen, und es kommt sogar mehr rein.
        Es gibt eine kleine Macseite (https://www.macgadget.de), die komplett auf Tracking verzichtet und die angezeigte Werbung von Hand einbaut. Leider liegen mir keine Zahlen zu deren Verdienst vor. Umso schöner ist es das Beispiel der NPO zu sehen, wo über ein automatisiertes System Werbung ausgespielt wird und sich das ganze rechnet. Jetzt müssen wir das ganze nur noch bekannt machen in der Hoffnung, Nachahmer zu finden und das leidige Tracking so nach und nach zurück zu drängen.

  5. Ein Verbot wäre die einfachste Maßnahme, ich bezweifle aber, dass sich dafür die nötigen Mehrheiten finden lassen.

    Alternativ könnte man mit einer wirklich freien, informierten und ehrlichen Wahlmöglichkeit für die Nutzer*innen im Endeffekt vermutlich exakt das gleiche erreichen:

    „Dürfen wir Ihr Surf-Verhalten umfassend überwachen, persönliche Informationen über Sie abspeichern und sie letzten Endes besser kennen, als Ihre Familie, um Ihnen so manipulative und zu Ihnen passende Werbung zeigen zu können?“

    Da klickt doch kaum jemand auf „Ja!“.

    Personalisierte Werbung ist durch die Endnutzer*innen nicht gewünscht. Das Geschäftsmodell funktioniert allein durch Unwissen (über Umfang und mögliche Konsequenzen) und mangelnde Wahlfreiheit. Mit einem klaren Rechtsrahmen, der dieses Ungleichgewicht behebt & eine Benachteiligung bei Ablehnung verbietet, sollte es langfristig ebenfalls verschwinden. Und damit auch der Mythos, dass personalisierte Werbung ja „gewünscht“ sei.

  6. Müssen wir Werbung in der Art wie wir sie aus Prinzip blocken nicht generell abschaffen und sind die Konsequen daraus nicht mehr als begrüßenswert für Kultur, Gesellschaft und Zivilisation?
    Ich habe in den letzten 25 Jahren gefühlt vermutlich ganze drei Minuten lang Werbung im WWW gesehen; eher weniger. Wie kann es dann sein, dass Dritte, Vierte und Fünfte mit Werbung so viel Geld verdienen, dass sie sich aus dem gesetzlichen Rahmen herausbewegen können und sogar immer stärkeren Einfluss darauf nehmen, gerade weil sie damit Geld gemacht haben? Heruntergebrochen muss ich einfach fragen, ob die meisten Menschen gefühlt zu naiv sind oder naiv gemacht worden, oder waren wir früher einfach genauso naiv wie die jüngere Generation heute und haben uns den ganzen Dreck jahrelang freiwillig reingezogen, um jetzt, wo es für uns persönlich fast zu spät ist, kluge Sprüche reißen zu können? Der schiere Wahnsinn entsteht für mich dann, wenn sich der sogenannte Mainstream solch ernsthafte Gesellschaftskritik auf die eigenen Fhnen schreibt aber genau das Gegenteil weiter vorantreibt, siehe die Frage nach der Abschaffung von personalisierter Werbung. Das ist Spalten und Aufwässern, denn der gemeinte „Gegner“ ist die Werbeindustrie allgemein nicht personalisierte Werbung. Hat aus meiner Sicht das Schreiben von kritischen Beiträgen in den letzten 25 Jahren etwas bewirkt? Nein. Also, was nun? :P

  7. Weiterer Aspekt von Werbung: Je mehr Zeit der Nutzer bestimmte Dienste nutzt, desto mehr Einnahmen.

    Also werden die Dienste so designt, dass sie süchtig machen.

    Ein anderer Effekt ist die Extremisierung durch Algorithmen, die für die möglichst lange Benutzung sorgen sollen.

  8. Vielleicht sollte darüber nachgedacht werden, ob „personalisierte Werbung“ wirklich etwas bringt.
    Vergleichen wir das doch einfach mit den unseligen Statistiken über die beliebtesten Fernsehbeiträge.
    Weil also Krimis die beliebsten Fernsehbeiträge sind, kann ich mich kaum noch vor Krimis in allen möglichen und unmöglichen Varianten retten.
    Ganz ehrlich … ich kann’s einfach nicht mehr sehen.

    Und viel anders funktioniert auch die „personalisierte“ Werbung nicht.
    Ich bekomme also nur noch Werbung zu sehen, für die ich mich offensichtlich unheimlich interessiere. Genau… irgendwann kann ich’s dann nicht mehr sehen, weil ich zwar Sportnachrichten folge, aber ich mir diese Sportklamotten einfach nicht anziehe.
    Vielleicht würde ich mich ja für andere Werbung interessieren, aber das kommt eben so gut, wie nicht vor, … beim „Tracken“ …

    Es ist wirklich lächerlich, wie penetrant auf die personalisierte Werbug bestanden wird.
    Warum gibt es nicht die, wie früher, die allgemeine Werbung wie in der gedruckten Zeitung.
    Wäre doch ok – und alle zufrieden.
    Ja, gut .. auf dem Papier gibt es keine Animation, bunt schrill und hüpfend.
    Da kann ich noch vernünftig den Artikel (quer-) lesen.
    Auf dem Handy gibt es kaum noch zusammenhängenden Text.
    Da lösen sich Textschnipsel mit Werbung, anderen Beitragshinweisen und „Links“ in atemberaubender Geschwindigkeit beim Hochscrollen ab..
    Da wird Lesen zur Qual oder rheinländisch ausgedrückt:
    „… kömmste von et Höckske auf et Stöckske ..“

    Nein, danke. Bitte keine personalisierte Werbung.

  9. Es hat mir niemand eine personalisierte Werbung vorzusetzen!
    Dies verstößt gegen meine Selbstbestimmungs- und Freiheitsrechte!
    Ich bezahle für meinen Internetzugang und muss mir aufgrund eines von welchem Dummkopf auch immer erfundenem Algorithmus, die Werbung anschauen die er für richtig hält?
    Welche Werbung ich mir anschauen möchte, bestimme ich und nicht mein Verhalten im Netz, das Zeitweise auch durch andere über meinen Rechner genutzt wird!
    Nur weil sich einer ein Pfandkuchenrezept anschaut, will der nicht die nächsten Jahre nur Pfandkuchenrezepte und die Zutaten dazu präsentiert bekommen…
    Zumal ich auf der I-Net-Seite vielleicht nur verweilte, weil ich gerade einen Anruf bekommen habe und mich die Seite sonst gar nicht interessiert!

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.