PresseförderungDie Krux mit der digitalen Transformation

Das Bundeswirtschaftsministerium wollte Zeitungen und Zeitschriften bei der digitalen Transformation unterstützen. Das Ansinnen misslang, weil reine Online-Medien sich benachteiligt sahen. Auch der Bundesrechnungshof kommt zu einem vernichtenden Urteil.

Zwei Stände mit Zeitungen.
Die ausschließliche Förderung von Medienhäusern mit Printprodukten bekam das Ministerium nicht durch. – Alle Rechte vorbehalten IMAGO/Michael Gstettenbauer

Mit 220 Millionen Euro wollte das Bundeswirtschaftsministerium die digitale Transformation der deutschen Zeitungen- und Zeitschriftenverlage unterstützen. Diese haben seit Jahren mit rückläufigen Abo-Zahlen und Konkurrenz im Online-Werbegeschäft durch Google und Facebook zu kämpfen.

Nachdem jahrelang um die Förderung gerungen wurde, musste Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) das Projekt im April kurz vor der Auszahlung einstampfen. Der Grund: verfassungsrechtliche Bedenken.

Die Finanzierung von Medien durch staatliche Mittel ist grundsätzlich heikel. Zu groß ist die Gefahr, auch nur in den Verdacht der finanziellen Einflussnahme auf die freie Presse zu geraten. Auch deshalb sind Verleger:innen-Verbände gar nicht immer sofort Feuer und Flamme für die Idee, Geld vom Staat zu erhalten. Gelöst werden sollte dieses Problem mit der Zweckbindung der Mittel für die Förderung der digitalen Transformation.

Nach dem ursprünglichen Förderkonzept hätten Medienhäuser Fördergelder für verschiedenste Investitionen erhalten können, zum Beispiel für den Aufbau von Online-Shops oder Apps, die Entwicklung und Umsetzung von Bezahlsystemen und Abo-Modellen oder die Entwicklung neuer Content Management Systeme. All diese Posten sind aber auch bei rein digitalen Medienhäusern Grundvoraussetzungen zum wirtschaftlichen Überleben. 

Krautreporter kündigten Klage an

Das Problem: Das Geld sollte nur an Medienunternehmen gehen, die gedruckte Zeitungen oder Zeitschriften direkt an die Leserschaft zustellen. Die Idee dahinter war, dass der Druck und die Zustellung von Printprodukten so teuer geworden sei, dass das Geld diesen Verlagen an anderer Stelle fehlen würde, eben bei der Digitalisierung.

Darin sahen reine Online-Medien aber eine Benachteiligung. Das Online-Magazin Krautreporter kündigte an, gegen die Presseförderung aus dem Hause Altmaier zu klagen, sollten wirklich nur Verlage mit Druckerzeugnissen davon profitieren. Krautreporter sah darin eine Verzerrung des publizistischen Wettbewerbs: „Wenn der Staat einige Medien fördert und andere nicht, dann greift er in den freien, geistigen und wirtschaftlichen Wettbewerb von Presseunternehmen ein“, schrieb der Vorstand in einer Mitteilung an die Mitglieder.

In die Kritik am ohnehin schon gescheiterten Programm des Ministeriums reihte sich auch der Bundesrechnungshof ein. Dessen Bericht von Anfang Juni zerlegt das Konzept aus dem Ministerium komplett. Die Behörde betont, dass der Staat nur finanziell fördern dürfte, wenn ein „erhebliches Bundesinteresse“ bestünde, das ohne die Förderung nicht umsetzbar sein.

Digitalisierung ist kein Selbstzweck

Die Digitalisierung sei aber kein solches Interesse, so der Bundesrechnungshof: „Das BMWi erwartet, dass auch ohne Förderung in den nächsten Jahren digitale Angebote der Verlage die Umsatzverluste im Printgeschäft ausgleichen werden.“ Die könne darauf hindeuten, dass staatliches Eingreifen durch eine Förderung der Transformation aus Bundesmitteln nicht erforderlich sei.

Das Wirtschaftsministerium habe nicht begründet, warum eine Förderung der Digitalisierung von den Verlagen erforderlich sei, die Zeitungen, Zeitschriften und Anzeigenblätter physisch zustellen. „Insbesondere belegte es nicht, dass den Verlagen finanzielle Ressourcen für diese Digitalisierungsmaßnahmen fehlen“, heißt es in dem Bericht.

Der Bundesrechnungshof rügt außerdem die intensive Lobbyarbeit seitens der Verbände, die die jahrelangen Verhandlungen über die Fördergelder begleitet haben: „Der Bundesrechnungshof sieht den Einfluss der Verlagsbranche auf das Förderprogramm insgesamt kritisch.“ Das Ministerium habe bei Details wie dem Förderschlüssel, nach dem das Geld verteilt werden sollte, die Angaben der Verleger:innen einfach übernommen, ohne sie nochmal zu prüfen.

Kritik an intensiver Lobbyarbeit

Die Frage nach der Zukunft des Journalismus in der digitalen Welt bleibt also weiter ungelöst. Dabei ist sie dringlich. Jüngst zeigte eine Studie des Wissenschaftszentrums Berlin einen Zusammenhang zwischen der Polarisierung der Wählerschaft und dem Sterben von Lokalzeitungen. Viele Medien lassen sich von Google, dem großen Konkurrent in Sachen Werbeeinnahmen finanzieren und machen sich damit abhängig vom Digitalkonzern.

Allerorten klagen Lokalzeitungen über Nachwuchsmangel, während erfahrene Lokalreporter:innen den Beruf scharenweise ganz an den Nagel hängen. Das verdeutlicht zum Beispiel die Entwicklung in Rheinland-Pfalz, wo die Landeskorrespondenten von drei der vier Regionalzeitungen innerhalb kurzer Zeit als Sprecher in Landesministerien wechselten.

Nach dem Ende seines Konzepts im Frühjahr startete Wirtschaftsminister Altmaier keinen neuen Versuch, die Presseförderung neu aufzustellen. Die neue Bundesregierung wird das Problem erben.

2 Ergänzungen

  1. „Jüngst zeigte eine Studie des Wissenschaftszentrums Berlin einen Zusammenhang zwischen der Polarisierung der Wählerschaft und dem Sterben von Lokalzeitungen.“

    Tja, die Medienpolitik. Das ungeliebte Kind der deutschen Gesellschaft. Nicht mal bei ARD & ZDF findet eine Diskussion über ihre Zukunft statt.

    Wir hätten schon vor 20 Jahren mit dem Umbau des öffentlich-rechtlichen Rundfunks beginnen müssen. Molochanstalten mit Ewigkeitsgarantie und Fokus auf Fernsehen und Radio ergeben in der heutigen Welt einfach keinen Sinn mehr. Wir brauchen eine Vielzahl kleinerer, beweglicher Anbieter, die nicht auf bestimmte Medienarten festgelegt sein sollten und durchaus auch lokal orientiert sein können. Am besten wäre ein System, bei dem der Bürger selbst entscheiden kann, wer wieviel von seiner Medienabgabe erhält. Die Leitgedanken müssen Dynamik, Bürgernähe und Innovation sein.

    Das Problem bei all dem ist das Bundesverfassungsgericht, das medial in seiner Entwicklung irgendwo in den 80ern stehengeblieben ist und die heutigen Probleme der medialen Öffentlichkeit einfach nicht mehr versteht.

  2. Ich finde es auch schade, dass Zeitungen und der Printbereich immer mehr an Popularität verlieren – ich bin zwar auch kein Leser von Zeitungen, auch wenn ich ab und zu mal eine lese, aber trotzdem haben sie mir immer gefallen.

    Dass online aber auch nicht das bunte Paradies ist und man einfach umsteigen und groß mitverdienen kann, sollte hier aber halt auch nicht vergessen werden. Das Feld ist dabei nicht weniger umstritten. Jetzt fürs reine Bleiben auf einem abgestorbenen Ast Geld zu zahlen wäre nicht richtig, wie schon gesagt, weil die Online-Präsenzen ihre Beiträge oft noch nicht einmal für Geld anbieten können, sondern einerseits auf Google angewiesen und andererseits massiv unterbezahlt sind. Da zahlt aber auch keiner.

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