Peng-KollektivPolizei macht Terrorabwehr gegen Aktionskunst

Das Vorgehen der Berliner Polizei gegen das Peng-Kollektiv wird immer absurder. Nun meldete die Behörde die Aktionskünstler:innen beim Gemeinsamen Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum. Der linke Innenpolitiker Niklas Schrader nennt das Vorgehen „völlig unverhältnismäßig“.

Personen befestigen das Grundgesetz an dem Eingangsschild des Verfassungsschutzes
Aktivisten vom Peng-Kollektiv kleben das Grundgesetz an die Einfahrt des Bundesverfassungsschutzes. CC-BY 2.0 Peng! Kollektiv

Das Berliner Landeskriminalamt hat die Aktionskünstler:innen vom Peng-Kollektiv beim Gemeinsamen Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum gemeldet. Vor etwa einem Monat hatte die Polizei mehrere Wohnungen von Vereinsmitgliedern und das Büro des Vereins durchsucht. Die Durchsuchung gegen die Aktionskünstler:innen stand im Zusammenhang mit der Webseite TearThisDown.com, die Peng gemeinsam mit der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland veröffentlicht hat. Die Webseite zeigt eine Karte von Orten, an denen der Kolonialismus weiterlebt – und ruft zu Aktionen gegen diese auf. Die Staatsanwaltschaft wirft Peng wegen der Aktion eine Aufforderung zu Straftaten vor.

Durch eine Kleine Anfrage (PDF) des Berliner Innenpolitikers Niklas Schrader (Linke) kam nun heraus, dass das Landeskriminalamt Berlin „hinsichtlich der Websiteveröffentlichungen des Vereins ‚Peng!‘ oder damit im Zusammenhang stehender Sachbeschädigungen den zugrundeliegenden Sachverhalt im Hinblick auf die anstehenden Durchsuchungsmaßnahmen am 15. Juli 2021 in das Gemeinsame Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum eingebracht“ hat. Die taz hatte zuerst über den Fall berichtet.

Nicht das erste Mal gegen Kunst

Das Gemeinsame Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum (GETZ) ist eine Koordinierungsstelle von über 40 Geheimdiensten und Polizeien aus Bund und Ländern zur Abwehr von Rechtsextremismus, Linksextremismus, Ausländerextremismus und Spionage. Die Koordinierungsstelle steht in der Kritik, weil sie das Trennungsgebot zwischen Geheimdiensten und Polizei verletzen könnte. 

Schon in der Vergangenheit hatten der Berliner Verfassungsschutz und die Berliner Polizei Aktionskunst an das GETZ gemeldet, damals handelte es sich um veränderte Plakate – so genanntes Adbusting. Damals schon kritisierten Juristen das Vorgehen der Behörden: Vor dem Hintergrund des normalerweise geringen Sachschadens durch Adbusting entstehe der Verdacht, dass der Ermittlungseifer vom Inhalt der Adbustings befeuert würde.

Im Fall der interaktiven Karte von Peng lägen den Ermittlungsbehörden „Selbstbezichtigungsschreiben“ vor, meistens jedoch wurde der Schriftzug „tearthisdown“ oder ähnliche Schriftzüge im nahen örtlichen Zusammenhang von beschmierten Denkmälern gefunden, heißt es in der Antwort auf die kleine Anfrage. Diese listet neun Sachbeschädigungen, welche die Behörde in einen Zusammenhang mit der Aktion von Peng stellt.

„Prioritätensetzung aus der Balance“

Niklas Schrader hält das Vorgehen der Behörden für völlig unverhältnismäßig. „Es muss möglich sein, im Internet auf einen solchen Handlungsbedarf hinzuweisen, auch in zugespitzter und drastischer Form. Die Kunstfreiheit wird in Deutschland sehr umfassend gewährt, das LKA scheint das nicht zu kümmern“, so der linke Abgeordnete weiter. Dass das LKA Peng jetzt sogar ins Gemeinsame Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum eingebracht habe, zeige dass die Prioritätensetzung in den Sicherheitsbehörden aus der Balance sei.

„Wir beobachten beim Berliner Staatsschutz immer wieder, dass bei Kampagnen aus der linken Zivilgesellschaft nicht nur mit verhältnismäßigen Mitteln Straftaten ermittelt und verfolgt werden, sondern das ganze Arsenal von DNA-Analysen, Speicherung in Datenbanken bis zur Information des militärischen Geheimdienstes aufgefahren wird“, so der Innenpolitiker weiter.

Das Peng-Kollektiv selbst hält die Vorwürfe für „mega konstruiert“. Die Gruppe wertet die Ermittlungen und die Weitergabe an das GETZ als Einschüchterung auch an antirassistische Gruppen. Es gehe gar nicht so sehr um Peng, heißt es weiter: „Es geht um uns alle: um die Seenotrettungsbewegung. Um Antirassismus. Um öko-soziale Gerechtigkeit. Um alle, die für eine bessere Welt kämpfen wollen, trotz allem!“

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9 Ergänzungen

  1. Der Aufruf zur Sachbeschädigung historischer Denkmäler hat genau soviel mit „Kunst“ zu tun wie Aufrufe Synagogen bei Nacht niederzubrennen. Ja es wird voraussichtlich niemand verletzt oder getötet, aber das ist keine Entschuldigung. In Deutschland gibt es bedauerlicherweise keine Redefreiheit bezüglich Aufrufen zu Straftaten. Hier muss man gleiches Recht für Linke und Rechte walten lassen.

    1. Wie Bitte?
      Einen Aufkleber, der keinem schadet und auf dem ein Artikel des GG steht ist ebenso schädlich “ wie Aufrufe Synagogen bei Nacht niederzubrennen.“?
      Wenn man einen solchen Vergleich nutzt, muß mit Dir irgend etwas nicht stimmen!
      Denn dann hast _Du_ etwas nicht verstanden! Und ich würde Dir ein gutes Buch empfehlen (PDF):
      https://www.europarl.europa.eu/charter/pdf/text_de.pdf

      Lesen, sacken lassen und dann drüber nachdenken, was man so von sich gibt.

    2. Dein Vergleich ist Bullshit auf allen Ebenen. Die Gotteshäuser einer religiösen Minderheit niederbrennen ist im Kern etwas anderes als das koloniale Erbe der Mehrheitsgesellschaft anzusprühen oder vom Sockel zu reißen. Und dann tust Du so als steckte Peng hinter diesen Taten und verrührst das mit der Reichspogromnacht, die Du so relativieren willst. So geht rechtsradikale Argumentation.

      1. Ich bin für freie Assoziation und Freiheit von Äußerung. Mir fehlt jetzt noch die kontextuelle Einordnung, denn ganz ohne geht es nicht.

        Beispiele, die ein kontextuell vollständiges Post ergeben könnten:
        – Link auf NPD Parteiprogramm.
        – Link auf CDU Parteiprogramm.
        – Link auf Antiterrorgesetzestext.
        – Text: „L-O-L“
        – Ein ASCII-Bild von Scheuer.
        – Ein passendes Zitat aus „Galaxy Quest“.
        – Ein passendes Zitat aus dem Reigen äußerst schwachsinniger GROKO-Anleihen beim Teufel persönlich.

  2. Das ist die Bildung eines Repressionsregimes [mindestens lokal] in Echtzeit. Viel Spass beim Zugucken.

    Nix mit „nur Befehle ausführen“, oder „wir sind die Guten“. Das ist das der Verfassung verpflichtete Personal beim Ausloten von Spielräumen.

  3. Schönfärberei: „Zuletzt ist hier – aufgrund falscher Prioritätensetzung – der Pegelstand ein klein wenig aus der Balance geraten.“

    Das ist Deutsch. Nie wieder … verlieren?

  4. Hatte das Bundesverfassungsgericht nicht vor einer Weile die Latte recht hoch gelegt für die Anwendung von Antiterrormaßnahmen?

    Es wäre an der Zeit, die Definition von „Terrorismus“ zu überarbeiten.

    Entweder gilt der Begriff ausschließlich für Kriminelle und Organisationen, die bereit und in der Lage sind, Regierung und Staat in ihrer Existenz zu gefährden. Dann mag es akzeptabel sein, für die Bekämpfung auch Grundrechte ein zu schränken.

    Oder man definiert alle Menschen als Terroristen, die der Regierung insgesamt oder auf einzelnen Gebieten kritisch gegenüber stehen, um Polizei und Sicherheitsbehörden zur Durchsetzung einer Maskenpflicht im Freien oder einem Verbot des Anklebens von Plakaten durch zu setzen. Das rechtfertigt allerdings keinerlei Einschränkung von Grundrechten. Im Gegenteil. Sowohl Plakatekleben wie auch das Nicht-Tragen von Masken können beides vom Grundgesetz geschützte Formen der Meinungsäußerung sein.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.