Open DataAktivist:innen handeln, der Staat schaut zu

Die Bundesregierung verfolgt mit dem 2. Open-Data-Gesetz eine wichtige politische Vision – scheitert jedoch mal wieder an deren Umsetzung. Stattdessen übernehmen Ehrenamtliche die Aufgaben des Staates und demonstrieren wie einfach das mit Open Data eigentlich ist. Ein Kommentar.

Ein aufgeklappter Laptop zeigt die Bearbeitung von Datensätzen.
Eine Vielzahl von zivilgesellschaftlichen Projekten bereiten Daten der Bundesregierung auf (Symbolbild). CC-BY-NC-SA 4.0 Rahel Lang

Die Bundesregierung veröffentlichte diesen Sommer ihre Open-Data-Strategie. Nach dieser Strategie soll der Staat „als Vorreiter der neuen Datenkultur“ fungieren. Soweit das Wunschdenken der Regierung – denn die tatsächlichen Vorreiter:innen sind derzeit Aktivist:innen. Während die Regierung trödelt, setzen sie Vision von Open Government und Open Data in die Tat um, also die Bereitstellung und Wiederverwendung von Daten der öffentlichen Verwaltung.

Lilith Wittmann ist eine dieser Pionier:innen. Die IT-Expertin hat jüngst die Bundesstelle für Open Data ins Leben gerufen und damit eine Leistung, die uns eigentlich die Bundesregierung versprochen hatte. Unter dem Motto „Wir dokumentieren Deutschland“ präsentiert die Webseite Programmierschnittstellen (APIs) von Verwaltungsleistungen und Informationsportalen der Bundesregierung.

Inoffizielle „Bundesstelle für Open Data“

Mit der transparenten Darstellung von Datensätzen des öffentlichen Sektors, verweist Wittmann auf das 2. Open-Data-Gesetz, das eben jenen Datenaustausch zwischen Bürger:innen und der Regierung erleichtern soll. Ihr Bezug auf das Gesetz kann man durchaus ironisch verstehen, schließlich demonstriert ihre Initiative einmal mehr, dass nicht Politik und Verwaltung, sondern Ehrenamtliche die Vision von Open Government und Open Data realisieren. 

Die inoffizielle Bundesstelle stellt beispielsweise ein Python Paket bereit. Mit diesen Datensätzen können auch Programmieranfänger:innen die Finanzberichte deutscher Unternehmen, die an das Handelsregister berichten, abrufen. Auszüge ihrer Arbeit veröffentlicht die neue Bundesstelle für Open Data auch auf Twitter.  

In diesem Fenster soll ein Twitter-Post wiedergeben werden. Hierbei fließen personenbezogene Daten von Dir an Twitter. Aus technischen Gründen muss zum Beispiel Deine IP-Adresse übermittelt werden. Twitter nutzt die Möglichkeit jedoch auch, um Dein Nutzungsverhalten mithilfe von Cookies oder anderen Tracking-Technologien zu Marktforschungs- und Marketingzwecken zu analysieren.

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Ehrenamtliche verwirklichen die Aufgaben des Staates  

Die Bundesstelle ist nur die Spitze des Eisbergs von zivilgesellschaftlich getragenem Aktionismus im Bereich von öffentlichen Daten und öffentlichem Regieren. 

Es ist der Job der Landesparlamente und des Bundestags, die öffentlichen Daten und Dokumente den Bürger:innen zur Verfügung zu stellen. Allerdings passiert das entweder nur bedingt, oder die Daten sind schlecht strukturiert und damit schwer nutzbar. Deswegen sammeln Ehrenamtliche diese Daten und bereiten sie auf, um den Zugang zu ihnen zu erleichtern. Unter der gemeinnützigen Open Knowledge Foundation Deutschland e.V. sammeln sich eine Vielzahl dieser Projekte.

Auf diesem Wege sind einige nützliche Webseiten entstanden. Sie veröffentlichen unter anderem die Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags (sehrgutachten), Plenarprotokolle des Bundestags (OffenesParlament) und das Bundesgesetzblatt (Offene Gesetze) – das alles mit Sinn, Struktur und ordentlichen Funktionen.

Wo bleibt das Dankeschön? 

Die Zeit für einen fetten Dank und eine angemessene Entlohnung durch die Bundesregierung ist schon längst gekommen. Allerdings zeigen sich die zuständigen Stellen nicht gerade kooperationsfreundlich. So musste die Plattform Kleine Anfragen letztes Jahr abgeschaltet werden, da der Aufwand zu groß und der Kooperationswille der Parlamente zu gering war. Die Seite wurde von nur einer ehrenamtlichen Person betrieben, die die Dokumente der Parlament aufbereitete und sie damit maschinenlesbar, verlink- und durchsuchbar machte. Doch die Software musste ständig für die einzelnen Bundesländer angepasst werden. Die Begründung der Stilllegung lautet: 

Das Problem sind die Landesverwaltungen, die auch nach all den Jahren nicht aus ihren eigenen Erfahrungen gelernt zu haben scheinen, und die mit jedem großen Website-Relaunch wieder Links auf Dokumente kaputt machen, URLs brechen.

Zwar wünscht sich die Bundesregierung in ihrem Strategiepapier eine „stärkere Vernetzung mit Akteuren außerhalb der Verwaltung“, scheitert aber an der Unterstützung solcher Initiativen. Ein erster Schritt wäre die Wertschätzung von außerparlamentarischen IT-Aktivist:innen.

Stattdessen zeigte die CDU Lilith Wittmann an, nachdem diese auf Sicherheitslücken in der App „CDU Connect“ hingewiesen hatte. Auf die tatkräftige Unterstützung der Regierung ist somit kein Verlass. Dabei könnten die parlamentarischen Kräfte noch so viel von den ehrenamlichen Expert:innen lernen. Mit der Bundesstelle für Open Data zeigt Lilith Wittmann, was so alles möglich ist. Auf ihrem Blog schreibt sie: „Ich glaube, ich habe mit bund.dev gezeigt, wie unglaublich einfach es ist, diese Datenbestände zugänglich zu machen“.

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3 Ergänzungen

  1. Leider sind die Deutsche Wetter Dienst APIs nicht so einfach abzurufen (kein Endpoint um die Station IDs zu finden) wie hier https://dwd.api.bund.dev/ beschrieben. Zum Beispiel, es ist unmöglich die Wetter Prognose des Ortes Strausberg, Brandenburg abzurufen.

    Es gibt schon eine Vielzahl an Akuteren (eine suche bei github zeigt auf wie viele es schon gemacht haben) die das ausgeglichen haben oder mussten: https://brightsky.dev/ ist mein Favorit aber es gibt einige. Diese Anzahl an Institutionen und Individuen zeugen auch wie schwer es ist an die Staatliche Akteure oder ‚deren‘ Daten zu kommen. Ich bin selber am DWD gescheitert bis ich die oben genannte Alternative fand.

    Das ist, wohl bemerkt keine Kritik an api.bund.dev! bund.dev rocks!

  2. „Zum Beispiel, es ist unmöglich die Wetter Prognose des Ortes Strausberg, Brandenburg abzurufen. “

    Also mal ehrlich, ich versteh das Problem nicht.
    Was willst Du?
    Was passt Dir nicht an der Beschreibung: https://www.dwd.de/DE/leistungen/met_verfahren_mosmix/mosmix_kml_formatbeschreibung.pdf?__blob=publicationFile&v=12

    openData heisst nicht, das jeder seine präferierte Abrufmethode bekommt.
    openData heisst nicht, das für jede Koordinate in diesem Universum irgendwas gesammelt und zur Verfügung gestellt werden muss!

    Es gibt doch genügend zum lesen:
    https://www.dwd.de/DE/leistungen/opendata/hilfe.html
    Das was da angeboten wird, reicht um hier die nächsten 6 Monate Herkünfte, Inhalte und Formate zu studieren.

    Wenn Du tatsächlich verlangst, das Dir irgendwo eine Schnittstelle zur Verfügung gestellt wird, dann suche danach.
    Aber möglicherweise gibt es sowas gar nicht mehr. Ich erinnere daran, das an einer der wichtigsten Stellen der Wetterbeobachtungen die Anlagenteile nicht nur einmal geklaut wurden – nun gibt es keinen Forecast mehr. Nicht mal eine Aufzeichnung. Is halt so.
    https://www.berlin.de/ba-treptow-koepenick/aktuelles/pressemitteilungen/2020/pressemitteilung.1026739.php

    Nein. Dem DWD kann kein Vorwurf gemacht werden.
    Dem werden sogar noch Knüppel zwischen die Füße geworfen.
    Habt ihr selbst geschrieben.
    https://netzpolitik.org/2020/deutscher-wetterdienst-darf-keine-kostenlosen-wetterberichte-per-app-anbieten/

  3. Ich halte die Entwicklung, bei Bund.dev sich nur auf APIs zu konzentrieren und Softwareentwickler bei Open Data für falsch. Das haben wir vor Jahren auch im Bitkom kontrovers diskutiert. Der Größte Teil der Bevölkerung wird nur mit APIs ausgeschlossen.
    England macht das anders. Mein Lieblingsbeispiel: Price Paid Data sets. Die britische Regierung veröffentlicht alle Daten von verkauften Immobilien als txt oder CSV
    https://www.gov.uk/government/statistical-data-sets/price-paid-data-downloads
    Interessierte können sich ohne Programmierkenntnisse die Daten downloaden, z.B.. mit Excel zurecht schneiden, welche Gebiete sie interessieren, und dann in Google Maps hochladen. Dann können sie ohne Programmierkenntnisse sehen, was die Immobilien gekostet haben.
    In Deutschland geht das (noch) nicht, weil das Bundesbaugesetz ein berechtigtes Interesse fordert, während das Bundesberggesetz schon auf einfaches Interesse herunter geschraubt ist.
    Reine technische Betrachtung von Open Data mit Ausschluss fast der gesamten Bevölkerung ist m.E. der falsche Weg.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.