Online-TrackingApple AirTags bieten zu wenig Schutz gegen Stalking

Apples neue AirTags sollen beim Finden verlorengegangener Gegenstände helfen. Kritiker:innen bemängeln jedoch mangelhaften Datenschutz und Sicherheit. Das Produkt biete zu wenig Schutz gegen einen möglichen Einsatz als Überwachungsinstrument.

Eine Hand vor rot-schwarzem Hintergrund, die ein AirTag hält.
AirTags dienen zur Lokalisierung von Gegenständen, würden jedoch auch Tracking von Personen ermöglichen. – Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch unsplash.com Onur Binay

Apple-Nutzer:innen können seit kurzem AirTags als Zubehör für das iPhone kaufen. Wer ein iPhone besitzt, kann das kleine Gadget beispielsweise an Handtasche oder Rucksack befestigen. Mithilfe der App „Wo ist?“ können Nutzer:innen auf einer Karte verlorengegangene Gegenstände ausfindig machen. Laut Apple seien die Standortdaten anonymisiert und mit einem „Höchstmaß an Schutz der Privatsphäre“ versehen. Man habe bei dem Entwurf des Produkts sorgfältig darauf geachtet, wie man Datenschutz richtig umsetzen könne, sagte Apple iPhone Marketing-Managerin Kaiann Drance.

Dennoch gibt es Kritik an den Sicherheitsmaßnahmen des neuen Produktes. Denn AirTags erlaubten durch ihre Design-Mängel „günstiges, effektives Stalking“, schreibt die Washington Post. Auch das National Network to End Domestic Violence (NNEDV) sieht in AirTags ein „besorgniserregendes Überwachungstool“, das Täter:innen für die heimliche Verfolgung von Partner:innen missbrauchen könnten. Einem deutschen Sicherheitsforscher mit dem Pseudonym Stack Smashing ist es nach eigenen Angaben sogar gelungen, den AirTag zu hacken und die Software zu manipulieren.

Sicherheitsmaßnahmen weisen Lücken auf

Zwar hat Apple Funktionen wie Alarm-Ton und Benachrichtigung in sein neues Produkt implementiert, um potentielle Opfer vor Stalking zu warnen. Jedoch seien diese Maßnahmen laut Washington-Post-Journalist Geoffrey Fowler leicht zu umgehen. Er ließ sich für einen Test eine Woche lang mit einem im Rucksack platzierten AirTag begleiten. Mithilfe der zugehörigen App und vom Gadget ausgehenden Bluetooth-Signalen habe der mit dem AirTag verbundene Nutzer über eine Karte einsehen können, wo sich Fowler befindet. Bei Bewegung reichte die Lokalisierung bis auf etwa einen halben Block. Dabei sollten laut Apple vom AirTag gesendete, häufig wechselnde Bluetoothsignalkennungen eine unerwünschte Standortverfolgung verhindern.

Auch andere Anti-Stalking-Maßnahmen seien unzureichend. Ein kurzer und nicht sehr lauter Alarm-Ton sei ertönt, nachdem der AirTag drei Tage lang vom Besitzer getrennt war. Fowler schreibt: „Drei Tage zu warten, um ein Opfer zu alarmieren, ermöglicht eine Menge Stalking.“ Was zumindest im Falle von Stalking helfe, sei die jeweilige Seriennummer des AirTags. Apples Marketing-Managerin Drance erklärt im Interview mit Fast Company, dass man bei Verdacht damit zumindest nach geltender US-Rechtslage für eine strafrechtliche Verfolgung die Identität von Täter:innen mithilfe der Apple ID feststellen könne, mit der auch der AirTag verbunden ist. Auch in Deutschland ist gerade im Netz immer noch eines der Hauptprobleme die Identifikation von Täter:innen, um diese vor Gericht zu bringen.

Stalkende Partner:innen nicht bedacht

In einem Interview mit dem Medium Fast Company erläutert Corbin Streett, Technologie-Sicherheitsexperte von NNEDV, Apple habe zwar die Möglichkeit des Stalking durch eine fremde Person auf der Straße bedacht, jedoch nicht zu Hause. Da der Alarm-Ton nur angeht, wenn der AirTag drei Tage lang nicht in der Nähe des zugehörigen iPhones ist, könnten Täter:innen zu Hause den Alarm-Countdown jede Nacht neu setzen. In der App können Alarme zudem ohne PIN- oder Passworteingabe einfach deaktiviert werden. Zusätzlich seien nicht alle Maßnahmen für Android-Nutzer:innen verfügbar. Eine schriftliche Warnmeldung bekommen beispielsweise nur iPhone-Nutzer:innen, die mindestens iOS 14.5 nutzen.

Streett betont daher, Apple hätte mit Google zusammenarbeiten können, um zumindest die gleichen Sicherheitsstandards für alle Nutzer:innen von AirTags zu garantieren. Auf die Frage von netzpolitk.org, ob Apple bereits an den Datenschutz- und Sicherheitsmaßnahmen arbeitet, antwortete das Unternehmen bisher nicht.

In Deutschland hat die Bundesregierung den Stalkingparagrafen vor kurzem verschärft, um auch Fälle von digitalem Stalking besser erfassen zu können. Allerdings landen nach wie vor viele Fälle nicht vor Gericht, weil Täter:innen nicht ermittelt werden können. Gerade zu den Formen digitaler Gewalt und zur Anzahl betroffener Personen gibt es hierzulande so gut wie keine Erkenntnisse. In der Kriminalstatistik wird zwar Stalking erfasst, Cyberstalking ist jedoch kein eigener Straftatbestand. Expert:innen gehen zudem von einer hohen Dunkelziffer aus. Verbände und Politikerinnen wie Anke Domscheit-Berg fordern daher seit einiger Zeit mehr Forschung und Studien zu dem Thema.

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3 Ergänzungen

  1. Als ob dies eine neue Erfindung und die einzige Möglichkeit ist jemanden zu überwachen.
    Ich glaube von allen Tools die zur Überwachung genutzt werden können ist vermutlich der Apple AirTag das einzige welches potenzielle Opfer überhaupt warnt.

    1. Wie warnt es denn? Auch nach „leicht zu umgehen“ noch?

      Es ist ein weit verzweigtes Netz von Überwachungsgeräten (Apple), das hat schon ein gewisses Potential.

  2. Für uns in der erweiterten Familie von 4 Geschwistern mit Partnern und Kindern überwiegt der Nutzen sowohl der App ‚Wo ist‘ von Apple als auch der Airtags.
    Durch die Wo-ist-App können wir Geschwister den an Reisen der anderen Geschwister teilhaben, sinnlose Anrufe entfallen Dank kurzer Feststellung ob der- oder diejenige überhaupt daheim ist und Dank Airtags gehören verlegte Schlüssel der Vergangenheit an.
    Dass man mittels Airtag auch sein eigenes E-Bike, Motorrad oder Auto gegen Klau absichern bzw. im Falle eines Diebstahls wiederfinden kann, sollte nicht unerwähnt bleiben. Dank der ‚Wo ist‘-Funktion konnte das verlorene iPhone einer Schwester zu Findern verfolgt und polizeilich wiedererlangt werden.
    Wie alle großartigen Erfindungen kann man auch diese segensreich verwenden oder sie in ihr Gegenteil verkehren. Die Vorteile und der Sicherheitsgewinn sollten aber nicht zu Gunsten der Schilderung der Datenschutzbedenken unterschlagen werden.

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