Leichter-als-Luft-PlattformenFrontex schließt Überwachungslücken in der Luft und im Weltall

Hochfliegende Drohnen sollen EU-Außengrenzen aus der Stratosphäre aufklären, ein statischer Zeppelin beobachtet schon jetzt in Bodennähe. Mit Abhöranlagen im All will die Grenzagentur Satellitentelefone auf dem Mittelmeer orten und womöglich auch abhören. Bislang ist die Technik nur in Flugzeugen verbaut.

Die Abbildung zeigt Ballons, Zeppeline und Segler in der Stratosphäre.
Europäische Rüstungskonzerne sollen die Lücke zwischen der Grenzüberwachung aus dem All und in der Luft schließen. – Alle Rechte vorbehalten ESA

Die Europäische Grenzagentur Frontex weitet ihre „Überwachungsfähigkeit“ mit hochfliegenden Plattformen aus. In einer Ausschreibung werden Systeme für den Einsatz in der Stratosphäre gesucht. In 20 Kilometern Höhe und sollen sie die Lücke zwischen den bereits genutzten Flugzeugen, Drohnen und Satelliten schließen.

Zu den gesuchten Systemen gehören sogenannte Höhenplattformen (HAPS) oder Leichter-als-Luft-Lösungen (LTA), wie sie etwa der europäische Rüstungskonzern Airbus mit dem „Zephyr“ oder der französische Konkurrent Thales mit dem „Stratobus“ derzeit zur Serienreife entwickeln und deren Ausdauer Monate oder sogar Jahre beträgt. Auch Anbieter von Mikrosatelliten, die heutzutage äußerst kostengünstig ins All befördert werden können, können sich bewerben.

Die Einführung von HAPS wird seit 2017 von der EU-Weltraumagentur vorangetrieben, ihr Marktanteil soll ihren damaligen Schätzungen zufolge bis 2024 über 7 Milliarden Euro betragen. Frontex könnte demnach wie bei der „Weltraumdatenautobahn“ zu den ersten Nutzer:innen der neuen Technologie gehören.

Flugzeuge, Drohnen und ein Zeppelin im Dauereinsatz

Frontex ist unter anderem zuständig für die Überwachung der EU-Außengrenzen. Ursprüngliches Ziel der 2005 gegründeten Agentur war die Koordination der Grenz- und Küstenwachen aus den Mitgliedstaaten in „Gemeinsamen Aktionen“. Seit 2016 darf Frontex eigene Ausrüstung beschaffen, entsprechende Mittel flossen zuerst in den Aufbau einer eigenen Luftüberwachung.

Seit 2017 fliegt eine Flotte privater Chartermaschinen über zahlreichen Land- und Seegrenzen der Europäischen Union. Der aktuell ausgeschriebene Zweijahresvertrag für die kleinen zweimotorigen Maschinen des „Frontex Aerial Surveillance Service“ (FASS) hat einen Umfang von 101,5 Millionen Euro.

Das Bild zeigt eine Drohne "Hermes 900" auf einer Luftfahrtausstellung.
Etwa zum Jahresende folgt eine „Hermes 900“ auf die in Malta stationierte „Heron 1“. - CC-BY-SA 3.0 Mirgolth

Im Mai dieses Jahres hat Frontex die Flugzeugflotte durch hochfliegende Drohnen ergänzt. Sie verfügen über eine bis zu vierfach höhere Flugdauer als die bemannten Maschinen. Derzeit stationiert Airbus im Auftrag von Frontex eine „Heron 1“ von Israel Aerospace Industries auf Malta. Nach sechs Monaten folgt eine „Hermes 900“ des ebenfalls aus Israel stammenden Rüstungskonzerns Elbit. Für Einsätze in Bodennähe sucht Frontex außerdem Firmen, die kleinere Quadrokopter anbieten und Trainings zu deren Steuerung durchführen.

Seit diesem Jahr ist auch ein sogenannter Aerostat am griechisch-türkischen Grenzfluss Evros sowie über der Insel Limnos im Frontex-Einsatz. Dabei handelt es sich um ein an einer mehrere Hundert Meter langen Leine befestigtes Luftschiff, das bis zu 40 Tage in der Luft bleiben und rund 200 Kilogramm Nutzlast befördern kann. Auf See beträgt der Überwachungsradius bis zu 60 Kilometer. Zunächst hatte Frontex die Zeppeline in einem Pilotprojekt mit der griechischen Küstenwache vor der Insel Samos getestet.

Mehr Satellitenüberwachung

Mit Einrichtung des Überwachungsnetzwerks EUROSUR beobachtet Frontex die EU-Außengrenzen seit 2014 dauerhaft mit optischen und radarbasierten Satelliten. Das Frontex-Hauptquartier in Warschau nutzt hierfür das EU-Satellitenprogramm „Copernicus“, das auch Daten zu Umwelt- und Klimaveränderungen liefert. In verschiedenen Forschungsprogrammen hat Frontex auf Basis der EU-Satelliten verschiedene Dienste für Grenzbehörden aufgebaut, darunter die Verfolgung verdächtiger Schiffe, das automatische Aufspüren von kleinen Booten oder die Beobachtung von Flüchtlingscamps.

Die Grafik zeigt die Erdkugel von Satelliten umkreist.
Die „Sentinel“ im EU-Satellitenprogramm „Copernicus“. - Alle Rechte vorbehalten ESA

Im „EUROSUR Fusionszentrum“ führt Frontex sämtliche Daten aus der Luftüberwachung zusammen. Dort werden sie mit Informationen aus anderen Geoinformations- und Schiffsmeldesystemen oder Schiffsdatenbanken angereichert und ausgewertet. Eine solche, mit maschinellem Lernen arbeitende Analyseplattform hat Frontex von dem israelischen Unternehmen Windward beschafft, das auch Geheimdienste und Militärs zu seinen Kund:innen zählt.

Die Überwachung aus dem Weltall wird nun auf hochfrequente Funksignale ausgeweitet. Frontex vergibt 5 Millionen Euro an eine unbekannte Firma, die Radargeräte, Funkverbindungen oder Satellitentelefone aus dem All verfolgen soll. Mit dieser als COMINT („Communication Intelligence“) bezeichneten Aufklärung will Frontex zum Beispiel Schiffe identifizieren, die ihre Transponder ausschalten und daher nicht mehr geortet werden können. Auch Boote mit Geflüchteten könnten auf diese Weise ausfindig gemacht werden, sofern die Insassen für den Seenotfall entsprechende Telefone mitführen.

Details über die Vergabe nennt Frontex bislang nicht. Den Auftrag könnte die Firma HawkEye360 erhalten haben, die nach einem Pilotprojekt bereits 2019 einen entsprechenden Vertrag mit Frontex geschlossen hat und exakt die geforderten Dienste anbietet. Die benötigten Mikrosatelliten hat das Unternehmen 2018 mit einer „SpaceX“ des Weltraum-Magnaten Elon Musk ins All geschossen.

Abhörtechnik in Frontex-Flugzeugen?

Es ist unklar, inwiefern Frontex Satellitentelefonie nicht nur ortet, sondern auch abhört. Laut dem britischen Unternehmen Horizon Technologies gehört die EU-Grenzagentur mit der NATO zu den Kund:innen ihrer luftgestützten Plattform „FlyingFish“, die ebenfalls auf Mikrosatelliten basiert und etwa Telefonate der Anbieter Thuraya, Iridium und Inmarsat mitschneiden kann. Bereits 2017 hat ein NATO-Mitgliedstaat der Firma zufolge derartige SIGINT-Technik („Signal Intelligence“) für die Überwachung im Mittelmeer bestellt; gemeint ist womöglich Frankreich, das ein Militärflugzeug damit ausgerüstet haben soll.

Das Bild zeigt ein von Frontex gechartertes Flugzeug mit dessen posierender Besatzung.
Gechartertes Frontex-FASS-Flugzeug mit einem Gimbal für Überwachungssensorik. - Alle Rechte vorbehalten Flughafen der Stadt Den Helder

Die Anlagen sind angeblich auch in Frontex-Flugzeugen verbaut. Das bestätigt ein Bericht des niederländischen Flughafens Den Helder, wonach auf „FlyingFish“ basierende Plattformen für weitere EU-Agenturen im Einsatz sind.

Unter dem Namen „Xtender“ hat die Firma das System mittlerweile auf rund 5 Kilogramm miniaturisiert, sodass es auch von kleinen Drohnen befördert werden kann. Nach Auskunft von Frontex ist die derzeit in Malta stationierte „Heron 1“ aber nicht mit einer solchen Technik ausgestattet.

Die in London ansässige Bürgerrechtsorganisation Privacy International wollte von Frontex Details zu der neuen Abhörtechnik sowie deren Einsatzformen erfahren. Mit der Begründung, die Offenlegung der Informationen würde „kriminellen Netzwerken zugutekommen“, hat die Grenzagentur die Auskunft verweigert. Frontex gibt die Koordinaten von Booten mit Geflüchteten nach eigener Auskunft an die libysche „Küstenwache“ weiter, anschließend werden die Menschen in dortige Folterlager zurückgebracht. Es bleibt aber unklar, ob libysche Behörden auch Rohdaten der Frontex-Überwachung oder daraus erstellte Analysen nutzen dürfen. 

2 Ergänzungen

  1. Lieber Herr Monroy,
    danke für Ihre Mühe und Ihre Berichterstattung! Es ist vielleicht einmal an der Zeit, den deutschen Beitrag im EU-Haushalt, den Frontex derzeit aus deutschen Steuereinnahmen verbrät, um Flüchtlinge abzuwehren, zu beleuchten. Könnte netzpolitik.org da nicht mal eine nette Etat-Übersicht der einzelnen Jahre veröffentlichen? Ich mein wir haben Wahlmonat nächsten Monat und der Bundesrechnungshof wird wohl kaum so nachfragen. ;-) Wenn die Daten wieder „geheim“ sein sollten, nützt sicher eine kleine Anfrage seitens der ebenfalls Frontex-kritischen Parteien im Bundestag.
    Ich als Steuerzahler habe nach dem Afghanistan-Gelaber kein großes Interesse an der Verschwendung für Hochtechnologie-Subventionen an Rüstungs-Konzerne der im Artikel erwähnten Technologien, zumal Investitionen in bessere Ausstattung der Schulen schon mit mittlerer Technologie (Entlüftung) machbar wäre.
    Satelliten-Abhörtechnik kann man kaum zu Lüftungsanlagen für Schulen umbauen, oder? Wird Zeit, den deutschen Anteil am Frontex-Etat zu minimieren.
    Machen Sie weiter mit Ihrer guten Arbeit!
    Beste Grüße
    Hubertos Kanther

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