FunklochamtAndi Scheuers letzter Skandal

Der scheidende CSU-Verkehrsminister Andreas Scheuer bleibt sich bis zum Schluss treu: Die ersten Mobilfunk-Fördergelder des „Funklochamtes“ gehen direkt in seinen Wahlkreis.

Andi Scheuer
Immer was zu lachen: Andi Scheuer. (Archivbild) – Alle Rechte vorbehalten IMAGO / Sven Simon

Andreas Scheuers Amtszeit als Verkehrsminister war geprägt von Skandalen, die er alle politisch überlebte. Zum Abschied legt der Minister jetzt noch einen drauf: Die umstrittene Mobilfunkinfrastrukturgesellschaft (MIG), von Spöttern Funklochamt genannt, hat erstmals eine Förderung beschlossen – im Wahlkreis des scheidenden Ministers. Das entdeckte Benedikt Becker vom Stern.

Nun ist es nicht so, dass der Skandal-Minister diese Nachricht verstecken würde. Er postet sie stolz auf Instagram. In einer Pressemitteilung aus dem „Neuigkeitenzimmer“ des Bundesverkehrsministeriums heißt es:

Das Gebiet rund um Wegscheid ist förderfähig und hat ein besonders hohes Versorgungspotenzial. Die MIG hat festgestellt, dass dort aktuell mehr als 17 km² und 200 Haushalte unterversorgt sind.

Mit Wegscheid wurde am gestrigen Nikolaustag ein erster Standort für das Förderprogramm festgelegt. Der Bundesminister spricht von einer „Deutschlandpremiere bei Mobilfunkförderung“. Man schaffe „mehr Anschluss, mehr Lebensqualität und mehr Digitalisierung für Familien, Unternehmen und Tourismus – kurz: für jeden Einzelnen“. In Andi Scheuers Wahlkreis.

Schon im vergangenen November hatte der CSU-Minister eine 5,5 Millionen teure Förderung des Breitbandausbaus im selben Wegscheid verkündet. Damals ging es um den Ausbau des Glasfasernetzes.

„Viel Geld nach Bayern gebracht“

Scheuer stand in der Vergangenheit auch in der Kritik, weil er Gelder für den Straßenbau bevorzugt in sein Bundesland Bayern umlenkte. Dafür wurde er vom bayerischen Ministerpräsidenten und Parteifreund Markus Söder mit den folgenden Worten öffentlich gelobt:

Du hast uns viel Geld nach Bayern gebracht. Und bei allem, was der ein oder andere kritisiert an dem Andi Scheuer: Ich kenne wenig Minister, die so viel Geld nach Bayern holen wie der Andi Scheuer. Auch das muss man einfach mal in der Bilanz ehrlicherweise bitte nach außen sagen.

Kritiker sprachen von „dreister Spezlwirtschaft“. Scheuers gesamte Amtszeit ist geprägt von Skandalen. Mehr als 500 Millionen Euro versenkte der Doktor-Plagiator im vorhersehbaren Maut-Fiasko. Fast sechs Millionen Euro gab er zur Abwehr von Informationsfreiheitsanfragen aus und torpedierte die Berichterstattung der Presse. Die Straßenverkehrsordnung setzt er mit einem Formfehler in den Sand. Bei der Umsetzung der kaputten App „ID Wallet“, mit der man Führerscheine digital vorzeigen können sollte, sprang er mit dem Kopf zuerst ins leere Schwimmbecken. Die Liste ließe sich lange fortsetzen und netzpolitik.org hat über die meisten der mit Digitalisierung zusammenhängenden Skandale und Misserfolge berichtet.

Auch Funklochamt teurer als geplant 

Auch die Mobilfunkinfrastrukturgesellschaft wird wohl deutlich teurer als geplant. Das bundeseigene Unternehmen stand zuletzt im Juni in der Kritik, weil der zuständige Minister Andreas Scheuer erst zwei Stellen bei der MIG besetzt hatte. Und diese zwei Stellen sind nun mehr als dreimal so teuer wie geplant.

Nach Informationen vom Tagesspiegel erhalten die zwei Geschäftsführer insgesamt 352.000 Euro plus Zusatzkosten. Damit geht Andreas Scheuer deutlich über die eigenen Planungen hinaus. In einem nicht öffentlichen Gutachten des Ministeriums seien laut dem Tagesspiegel Kosten von nur 100.000 Euro pro Jahr für die Geschäftsleitung ausgewiesen worden. Allerdings ging man damals auch nur von einem Geschäftsführer aus. Die Mehrkosten liegen also bei 252.000 Euro plus der doppelten Zusatzkosten.

Angesichts des neuen Kabinetts scheint in Bayern das Heulen und Zähneklappern groß zu sein. Vertreter:innen von Scheuers Partei weisen in sozialen Netzwerken darauf hin, dass der neuen Regierung niemand aus Bayern angehören wird. Unklar, ob hier die Angst mitschwingt, dass sich Bayern wohl in Zukunft auf herkömmlichem Wege um Fördergelder wird bemühen müssen – so als wäre der Freistaat ein ganz normales Bundesland wie jedes andere.

10 Ergänzungen

  1. Naja, formulieren wir es mal so: für 100k € bekommt man keinen auch nur ansatzweise vernünftigen Geschäftsführer. Das ist – je nach Bonus bis auf 2 bis 3k – die Größenordnung, die ich auf der gehobenen Arbeitsebene ohne disziplinarische Führungsaufgabe (brutto) p.a. habe.

    Für das Geld die GF machen? 🤣 Bin aber damit einverstanden, dass das nicht zwei machen müssen.

    1. Das kommt stark auf das zu fuehrende Geschaeft an, 100K sind je nach Betrieb und Benefits durchaus angemessen.

      Bei einer solchen bundeseigenen Firma entfallen viele Aspekte unternehmerischer Taetigkeit schlicht und einfach.

  2. Es sind halt, leider, keine Skandale.

    Denn sie haben fuer Andi Scheuer keinerlei negative Auswirkungen: Presse, Fernsehen, Wirtschaft, die ganze buergerliche Gesellschaft behandelt ihn weiterhin mit Respekt, Hoeflichkeit und als einen der ihren. Er wird weiterhin gewaehlt, geniesst alle gesellschaftlichen wie finanziellen Privilegien.

    Das sind keine Skandale, das ist offensichtlich vorbildliches Verhalten.

    1. Naja, die Menge der Menschen wird es schon auf Basis der Informationen etwas seltsam, bis hin zu unmöglich finden. „Presse“ hat auch über alles berichtet, was soll sie mehr machen… Schmähkritiken veröffentlichen?

      Klar System- und PR-Linge werden irgendwie irritiert weggucken oder Allgemeinplätze verbreiten, wenn zu direkt nachgefragt wird.

  3. Danke für die Aufklärung. Bin in dem verlinkten Deutschlandfunk-Artikel in einer Überschrift auf eine schöne Stilblüte gestossen: „FAZ: mit einem Master-Studienabschuss [sic!] vergleichbar“ xD

  4. Mir ist es nach wie vor unerklärlich, wieso Andy Scheuer im Amt bleiben konnte und nicht für die 500 Mio +x irgendwie haftbar gemacht werden konnte. Gibt es da für zukünftige oder vergangene Taten ev Besserung , was müsste sich ändern?
    Ich habe auch Bayern nie verstanden, warum sie solche Politiker nach Berlin schicken. Wenn Bayern es nicht schafft in Bundespositionen auch dann Bundespositionen zu vertreten und an das ganze Land zu denken, dann schaffen sie sich kein Vertrauen außerhalb Bayerns.

  5. Stand der Dinge: der Mobilfunkmast in Möslberg wird demnächst offiziell ausgeschrieben. Danach bleiben dem Erwerber weitere 14 Monate Zeit, diesen zu vollenden. Inbetriebnahme wahrscheinlich Ende 2024, Anfang 2025.

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