Hatespeech-ProzessFreispruch für Sigi Maurer

Nach zweieinhalb Jahren in einem skurrilen Prozess hat die österreichische Grünen-Politikerin Sigi Maurer doch noch Erfolg. Sie war angeklagt worden, weil sie eine gegen sie gerichtete frauenverachtende, beleidigende Kommunikation samt deren möglichen Verfasser öffentlich gemacht hatte.

Sigi Maurer mit ausgestreckten Armen
Sigi Maurer bei einem Vortrag im Jahr 2019. CC-BY-SA 2.0 Jan Zappner/re:publica

Die österreichische Grünen-Abgeordnete Sigi Maurer wurde im Prozess gegen den „Bierwirt“ doch noch freigesprochen. Dieser hatte die Klage zurückgezogen, nachdem ein bislang unauffindbarer Zeuge auftauchte.

Im Jahr 2018 hatte Maurer vom Account des Bierwirtes eine frauenverachtende und beleidigende Nachricht erhalten und diese unter Nennung des Geschäfts auf Twitter öffentlich gemacht. Dagegen hatte der Bierwirt unter anderem wegen „übler Nachrede“ geklagt und vor Gericht gegen Maurer in erster Instanz überraschend gewonnen, weil diese nicht einwandfrei beweisen konnte, dass die Nachricht vom Bierwirt selbst verschickt wurde. Maurer musste dem Kläger gar 4.000 Euro bezahlen und dem Staat 3.000 Euro Strafe, obwohl das Gericht Zweifel an der Version des Bierwirts andeutete. In der Folgte sammelte die Politikerin mit großer öffentlicher Solidarität mehr als 100.000 Euro Spenden für Klagen gegen Hass im Netz und wehrte sich gegen das Urteil.

Willi ist nicht bei Facebook und trinkt kein Bier

Das Oberlandesgericht hob die Entscheidung der ersten Instanz auf und forderte, dass der Fall neu verhandelt werden müsse. In dieser Runde des Verfahrens vor dem Wiener Straflandesgericht gab der Bierwirt dann an, dass sein Kunde „Willi“ die obszöne Nachricht von einem öffentlich zugänglichen Computer im Geschäft verschickt habe. Doch Willi sei schüchtern und nicht auffindbar, so der Bierwirt.

Nun konnte aber die Polizei ebenjenen Willi ermitteln, er wurde vom Gericht geladen und machte gegenüber dem Standard die Aussage, dass er nicht bei Facebook sei, nicht der Verfasser der frauenverachtenden Nachricht und überhaupt kein Bier trinke. Gleichzeitig zog der Bierwirt seine Klage zurück. Nach Informationen des Standard wird er auch nicht in Berufung gehen. Er trägt nun die Kosten des Verfahrens.

Der Prozess rund um Sigi Maurer hatte in Österreich für eine heftige politische Debatte gesorgt. Eine Folge dieser Debatte war das „Kommunikationsplattformen-Gesetz“, das sich gegen Hassrede richtet. Es ist die österreichische Version des deutschen Netzwerkdurchsetzungsgesetzes.

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2 Ergänzungen

  1. Die Nachrichten vom Bierwirt sind völlig indiskutabel, gut dass er damit nicht durchkommt.

    Ich finde allerdings die Reaktion der Politikerin nicht astrein:
    „Vielleicht will sich ja auch wer bei ihm erkundigen warum er Frauen belästigt. Auf seiner Hompeage craftbeershop.wien finden sich seine Kontaktdaten, und sein Geschäft in der Strozzigasse 11 ist täglich von 10-19.30 geöffnet.“ (Twitter)

    Das klingt schon fast wie ein Aufruf zu… was auch immer. Erinnert mich an die Methoden von Rechten. Ich finde es problematisch, wenn Leute, weil sie sich moralisch im Recht wähnen, jegliche Prinzipien verlieren. Hauptsache Strafe für den, der es verdient. So läuft das leider heutzutage auf Twitter.

    1. Kommt drauf an, was du unter „durchkommen“ verstehst.

      Juristische Konsequenzen hat er wegen der Nachricht nicht zu tragen (und das ist IMO auch gut so; man sollte nicht jede abstoßende Grauslichkeit auch kriminalisieren). Dass dafür jetzt sein Charakter dem ganzen Land offenbart wurde, hat möglicherweise soziale Konsequenzen (was ich ebenfalls gut finde). Dass er mir seiner Klage abblitzt, ist das 3. was ich gut finde. (Wobei es mich maßlos ärgert, dass sich Gerichte überhaupt auf die Diskussion einlassen, irgendwer anderer könnte ja die Nachrichten geschrieben haben. Wer, wenn nicht der Bierwirt, soll denn für den Account verantwortlich sein? Wozu haben wir Passwörter? Wenn die Argumentation auch nur theoretisch erfolgreich sein kann, können wir sämtliche Computer schrotten.)

      Was ich wie du nicht gut finde, ist Maurers Aufruf, sich bei ihm im Geschäft zu „erkundigen“. Dem politische Gegner würde sie sowas (zurecht, wie ich meine) nicht durchgehen lassen. Und daher hätte sie sich das besser selber auch verkniffen…

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