Digitale SpracheVielfältige Emojis und der Gender-Doppelpunkt im Betriebssystem

Große Tech-Konzerne haben in der Vergangenheit Vielfalt vor allem durch neue Emojis gezeigt. Apple führt für die neue Version seines Betriebssystems nun offenbar den Gender-Doppelpunkt ein. Wieviel gesellschaftliche Wirkung steckt hinter den kleinen Zeichen?

Apple-Smartphone und Regenbogenfarben
Apple ist bemüht um ein inklusives Image. – Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch unsplash.com Surasak_ch

Noch vor einigen Jahren waren alle Emojis knallgelb. Jahr für Jahr ploppten irgendwo in der Smartphone-Tastatur dann immer mehr Emoji-Varianten auf: Mittlerweile gibt es Gesichter mit kurzen und langen Haaren, mit Bart, mit unterschiedlichen Gesichtszügen, mit Kopftuch. Es gibt eine Regenbogen- und eine Transgender-Flagge und hunderte Paar-Kombinationen mit verschiedenen Hautfarben und Geschlechtern.

Und auch die Sprache einiger Smartphone-Betriebssysteme wird inklusiver. Apple führt für die englisch- und spanischsprachigen Versionen von iOS15 ein „grammatical gender agreement“ ein, wodurch Nutzer:innen aus verschiedenen Geschlechtsoptionen wählen können und das System die korrekte Anrede automatisch auswählt. Noch ist iOS15 in der Beta-Phase. Testpersonen im deutschsprachigen Raum haben berichtet, dass hier nun auch der Doppelpunkt zum Gendern eingeführt wurde.

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„Inklusivität ist die bessere Imagewerbung“

Medial groß angekündigt hat Apple nicht, dass sein Betriebssystem bald gendert. „Die sozialpolitische Signalwirkung solcher plattformseitiger Innovationen bezüglich Gendern ist sicherlich gewollt und wird durch anschließende Medienberichte verstärkt“, sagt jedoch Jannis Androutsopoulos. Er ist Professor für Linguistik an der Universität Hamburg und beschäftigt sich unter anderem mit Sprache im digitalen Bereich. Dabei geht es auch um Semiotik, also darum, wie Zeichen bestimmte Informationen vermitteln.

Das Phänomen, diversere Emojis bereitzustellen oder etwa gendergerechte Sprache einzuführen, bezeichnet Androutsopoulos als „semiotische Inklusivität“. Die Entscheidung für diese Inklusivität treffe ein Unternehmen wie Apple aber nicht aus bloßem Idealismus – auch wenn er diesen den Beteiligten nicht absprechen wolle. „Semiotische Inklusivität ist hier die bessere Imagewerbung, könnte man etwas plakativ dazu sagen“, erklärt Androutsopoulos.

Anders als bei der gendergerechten Sprache im Betriebssystem trifft die Entscheidung über neue Emojis in der Regel nicht nur ein Unternehmen allein. Im Unicode Consortium in Kalifornien sitzen verschiedene große Konzerne wie Microsoft, Google und Apple, die sich auf den Unicode abstimmen. Er soll möglichst viele Schriftsysteme umfassen, die dann von Software auf der ganzen Welt richtig angezeigt werden. Genauso gibt es im Unicode einheitliche Codes für die Emojis, die dann jedes System in seinem eigenen Design ausspielen kann. Wenn also ein:e Android-Nutzer:in einen lachenden Emoji an jemanden mit iPhone schickt, kommt dort auch der lachende Emoji im Apple-Design an.

Einfluss auf den Wandel der Kommunikation unklar

Nutzer:innen können Anträge an das Unicode Consortium stellen, wenn sie sich neue Emojis wünschen. Das hat in der Vergangenheit dazu beigetragen, dass die Zahl der Emoji-Codes Jahr für Jahr wuchs. „Bei der unüberschaubaren Vielzahl an Emoji-Varianten – seit einigen Jahren nach Farbtönung, nun auch nach den Gesichtszügen – müsste man erst einmal irgendwie messen, welche davon in welchen Ländern und welchen Kontexten tatsächlich gebraucht werden“, sagt Jannis Androutsopoulos.

Dass es die Emojis gibt, sage also erst einmal nichts über ihre tatsächliche Nutzung aus. „Nach meiner Einschätzung ist ihre Auswirkung erst einmal eine ideologische und schlägt sich erst zweitrangig, wenn überhaupt, auf den aktiven Zeichengebrauch nieder“, so der Linguist. Die größere Vielfalt der Emojis führe vermutlich zunächst zu mehr Akzeptanz bei den Nutzer:innen. „Auswirkungen sind erst zweitrangig auf den aktiven Zeichengebrauch und Wandel der Kommunikation zu vermuten.“

Anders schätzt Androutsopoulos jedoch die Wirkung des Gender-Doppelpunkts ein, wenn er standardmäßig im Betriebssystem integriert ist. Dieser ist nicht mehr eine von vielen, irgendwo versteckten Möglichkeiten, sondern erscheint „als Teil der Konzernsprache an semiotisch exponierten Stellen der grafischen Benutzeroberfläche.“ Außerdem falle die Neuerung in eine Phase, in der sich der Doppelpunkt zum Gendern ohnehin mehr und mehr durchsetze.

Genderstern oder Gender-Doppelpunkt?

Der Doppelpunkt ist eine von vielen Möglichkeiten der gendergerechten Sprache, die auch seit einigen Jahren viele Autor:innen auf netzpolitik.org verwenden. Zuvor tauchte der Gender-Doppelpunkt ab dem Jahr 2011 in Texten der Hedonistischen Internationale und später auf Webseite und Newsletter des Fusion-Festivals auf. Mittlerweile nutzen auch andere Organisationen und Medien wie die Universität Dresden, die Stadt Lübeck, hessenschau.de, Tagesspiegel, taz oder die Hamburger Morgenpost den Doppelpunkt zum Gendern.

Befürworter:innen des Doppelpunkts empfinden ihn als unauffälliger und lesbarer als andere Formen des Genderns. Lange galt er auch als barrierefreier. Der Blinden- und Sehbehindertenverband äußerte jedoch im Mai Kritik daran, da Vorlesesysteme den Doppelpunkt oft als Satzzeichen lesen und dieser somit das Verständnis erschwert.

Andere Möglichkeiten für gendergerechte Sprache, die der Duden vorsieht, sind der Schrägstrich, Klammern oder das Ausschreiben der männlichen und weiblichen Form. Die Optionen des Dudens schließen allerdings nicht-binäre Personen weiterhin aus.

Das Gendersternchen hingegen umfasst alle Geschlechter, hat in der teils sehr aufgeheizten Debatte um das Gendern aber „starken sprachideologischen Gegenstrom“ erfahren, so Androutsopoulos. Daher könne eine Einführung des Doppelpunkts in ein weit verbreitetes Betriebssystem dessen Chancen erhöhen, „zum Leitzeichen der Inklusivität im geschriebenen Deutsch zu werden“, sagt der Sprachwissenschaftler.

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15 Ergänzungen

  1. „Die Optionen des Dudens schließen allerdings nicht-binäre Personen weiterhin aus.“ Nein! Das tut der Duden eben genau nicht! Denn es gibt bereits eine bewährte, einfach umzusetzende und grammatikalisch zudem korrekte Möglichkeit sämtliche Geschlechtsformen einzubeziehen: das generische Maskulinum!
    Dieses hat auch den großen Vorteil, gegenüber allen „Gender“ Versuchen, dass es sowohl in Schrift, aber eben auch in gesprochenen Worten verständlich ist (schon mal den völlig unverständlichen Gendergap bei Siri oder im Radio gehört?)!
    Und die Scheinheiligkeit von Apple und anderen „Aktivisten“ besteht darin, dass das natürlich nur regional umgesetzt wird. Im arabischen Raum z.B. spielen diese Dinge alle plötzlich überhaupt keine Rolle mehr.
    Die beste Variante wäre, Apple würde es dem Kunden selbst überlassen, was er gerne nutzen möchte. Anhand späterer Statistiken könnte man dann ruckzuck auswerten, ob das überhaupt eine Rolle spielt oder nicht nur eine Modeerscheinung ist.

    1. Einen guten Überblick über die Forschung dazu, weshalb das generische Maskulinum allem guten Willen zum Trotz eben nicht inklusiv ist, bietet meiner Ansicht nach dieser lesenswerte Artikel in der SZ: https://www.sueddeutsche.de/kultur/genderdebatte-tief-in-der-sprache-lebt-die-alte-geschlechterordnung-fort-1.4003975-0 . Autor und Autorin sind Sprachwissenschaftler:in, ersterer (Henning Lobin) übrigens inzwischen wissenschaftlicher Direktor des Instituts für deutsche Sprache, das bisher nun nicht unbedingt durch allzu radikale Haltungen zu solchen Themen aufgefallen ist. Das finde ich für die Einordnung ganz interessant.

      1. Na ja, es muss aber unterschieden werden, ob es nun „nur“ um weibliche und männliche Anrede geht oder um die Inkludierung aller Geschlechtsformen. Wird nämlich eine ausgeschriebene Variante genutzt, wie von vielen Behörden aktuell umgesetzt fehlt das „dritte“ Geschlecht, wenn man nicht explizit eine neue Schreibweise erdacht wird. Und nein: alle Formen mit Satz- oder Sonderzeichen fallen wegen der Aussprache weg.
        Und da ist man schnell wieder beim generischen Maskulinum, welches eben mehr einschließt als alle pseudo-modernen Formen, welche sogar mehr trennen, statt verbinden. Und, als für mich immer noch wichtigsten Punkt, von allen in Schrift und gesprochenem Wort leicht umzusetzen und anwendbar ist. Außerdem ist es ja nicht fest vorgeschrieben, sprich ich kann jeder Zeit auch eine Form wählen, bei der ich weibliche Personen explizit oder zusätzlich anspreche, wenn ich das möchte.
        Ich denke, es ist zudem ein Unterschied was Wissenschaftler sehen (die sind sich übrigens genauso einig, wie die „Öffentlichkeit“, nämlich gar nicht) und was davon überhaupt in der Realität umsetzbar ist. Eine Diskussion über Genderformen findet „auf der Straße“ überhaupt nicht statt, sondern ist doch eher Thema in sich langweilenden Studentenkreisen oder sozialen Medien.
        Wenn man was aus der Reform von 1996 gelernt hat ist doch, dass man nichts überstülpen sollte, weil es einfach nicht angenommen wird. Das führt dann nur zur Verwirrung in den Schulen.

        Zudem sind mir alle Wissenschaftler Pro-Gender immer noch einen Punkt schuldig: warum das Ganze? Was ändert sich damit im Zusammenleben zwischen den Menschen? Nimmt die immer noch weit verbreitete Homophobie damit ab? Haben Frauen und Minderheiten damit mehr Rechte (haben sie das eigentlich nicht jetzt schon, laut Grundgesetz?)?
        Und warum muss Apple einen Vorreiter spielen und bewusst gegen aktuelle Rechtschreibung und Grammatik verstoßen?

      2. Der Artikel aus der Süddeutschen ist von 2018. Heute wissen wir, dass der Rat für deutsche Rechtschreibung den Genderstern eben nicht in das Regelwerk der deutschen Sprache aufgenommen hat. Weiterhin wissen wir, dass Apple & Co. hier keinem Trend folgen. Ifratest dimap hat herausgefunden, dass von 2020 auf 2021 die Zustimmung zum Gendern in der Bevölkerung deutlich um fast 10 Prozentpunkte auf nunmehr nur noch ein Viertel gesunken ist, während nun Zweidrittel gegen das Gendern sind (plus 10 Prozentpunkte). Ca. 10 % sind weiterhin neutral eingestellt. Zugespitzt formuliert: die Leute sagen nun mal lieber „Auto“ oder „Bus“ anstatt jedesmal „Automobil“ oder „Omnibus“. Trotzdem versteht jeder, dass mit „Auto“ nicht das „Selbst“ gemeint ist, sondern das „Sich-selbst-Bewegende“.

    2. Nicht das „generische Maskulinum“, sondern das Generikum. Das gibt es auch in der femininen Form: Person, Geisel, Leiche, Koryphäe, Führungskraft, …

      Ich gehe übrigens stark davon aus, dass man das Gendern ein- und ausschalten kann. Dies ist eine Frage der Barrierefreiheit, die bei Apple stets groß geschrieben wird. So wie Personen mit eingeschränkter Sehfähigkeit den Kontrast erhöhen können, so sind Personen mit eingeschränkter Verstehfähigkeit auf eine möglichst einfache Sprache angewiesen. Diese Gruppe wird Apple sicher nicht ausschließen wollen.

  2. Dummerweise sind die individuellen Emoji eben nicht inklusiv sondern exklusiv. Die abstrakten Emoji meinen immer alle Menschen, denn sie sind eben abstrakt, weder unterscheidbar noch zuordbar. Die individuellen Emoji meinen Indentitaeten und grenzen damit immer ab, schliessen aus, betonen Unterschiede.

    1. Theoretisch ist diese Überlegung richtig, aber praktisch wird dies keine Auswirkungen haben, da (wie mittlerweile auch einige Metastudien zum Gendern zeigen) die Effekte gering bis nicht nachweisbar sind. Ich vermute daher, dass man die Ergebnisse auch auf Emoji mit verschiedenen Hautfarben übertragen kann. Falls jemand eine aussagekräftige Studie dazu kennt, bitte um einen Hinweis. Das würde mich wirklich interessieren, leider habe ich noch nichts gefunden.

  3. Die wichtigste Frage für mich als User: kann man es einfach deaktivieren?

    Wenn ich über EUR 2000 für einen PC oder EUR 1000 für ein Smartphone ausgebe, will ich dafür mindestens ein (fast) perfektes Produkt haben. Dazu gehört auch, dass die Beschreibungen in Menüs nicht unnötig aufgebläht werden sondern klar verständlich und kurz bleiben.

    Ich werde – mangels Alternativen – trotzdem Apple-Produkte kaufen, aber es wäre ein weiterer Minus-Punkt.

  4. Ich verstehe das ganze jetzt nicht ganz. Gab es bisher auf den iPhones wirklich keinen Doppelpunkt als Satzzeichen? Oder ist der Gender-Doppelpunkt ein anderer Doppelpunkt als der Doppelpunkt, den ich auf meiner Tastatur habe? Also meine Frage: Was ist das besondere an diesem iOS Gender-Doppelpunkt?

    1. Ich vermute, dass er vom System in systemeigenen Texten automatisch verwendet wird. Ein eigenes Zeichen ist der Doppelpunkt für die geschlechtergerechte Sprache nicht. Natürlich kannst Du auch jetzt schon den Doppelpunkt in Deinen eigenen Texten nutzen.

    2. Es geht um die Nutzung in Texten des Betriebssystems: bisher z.B. Künstler als generisches Maskulinum und in Zukunft Künstler:innen als „gegenderte“ Form.
      Problem ist aber, dass sich die Formen mit Zeichen nicht vernünftig aussprechen lassen, sprich Apple möchte gerne eine Menschengruppe einbeziehen („drittes“ Geschlecht) , aber schließt eine andere Gruppe (Menschen mit eingeschränkter Sehkraft, die sich Texte vorlesen lassen müssen) aus. Aus dem Doppelpunkt entsteht in der Regel ein Gendergap, der bei elektronischen Stimmen, wie Siri quasi unverständlich wird und somit zur rein weiblichen Ansprache.
      Die Lösung muss also eine andere sein.

  5. Sehr geehrte Damen und Herren,

    ob das „Geboren am“-Zeichen, neuerdings auch „Genderstern“ genannt, oder wie hier der Doppelpunkt. Ich habe entnervt weggeklickt. Die permanenten Gender-Unterbrechungen machen Texte unlesbar. Die Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS), wie auch der der Rat für deutsche Rechtschreibung (RdR) raten ausdrücklich von Schreibweisen dieser Art ab.

    Selbst Linguistinnen (!) äußern sich kritisch, z.B. „Gendern? Nicht mit mir | Franziska Schreiber“ auf funk.net – ARD und ZDF. Es lohnt sich, sich das kurz anzuschauen.

    Sprache ist weder für gesellschaftliche Probleme verantwortlich, noch kann sie diese beheben.

    Mit freundlichen Grüßen
    Thorsten Reinicke

    1. Über ihre Punkte lässt sich bekanntermaßen trefflich streiten. Wir haben dargelegt, warum wir als Medium gendern: https://netzpolitik.org/2020/warum-wir-geschlechtergerechte-sprache-verwenden/

      Was mich persönlich an der Debatte stört: Die Gegner des Genderns (es sind meistens Männer), die sich bei uns melden, wollen immer derart eingreifen, dass sie den Redakteur:innen vorschreiben wollen, wie sie schreiben. Im Gegenzug schreiben wir aber niemanden vor, wie er oder sie zu schreiben hat. In der Redaktion kann das jeder machen wie er will.

      Die Debatte ist verzerrt: Die Gegner tun immer so als gäbe es einen Zwang, dabei sind sie es, die permanent Druck ausüben und sich monothematisch auf dieses Thema einschießen. Das nervt.

      1. Natürlich gibt es keinen Zwang oder Sprachverbote. Allerdings unterstellen Ausdrücke wie „geschlechtergerechte Sprache“ das Menschen, die nicht diese Sprachformen benutzen, sich sprachlich moralisch schlechter verhalten. Das kann durchaus wirkmächtiger sein als ein Verbot, das so eine Position wenigstens offen darstellt und gegen das man sich direkt wehren kann.

        Ich würde aber zustimmen, dass viele Gegner der Debatte mitunter stark demagogisch argumentieren. Die gleiche Demagogik findet sich aber durchaus auch bei den Befürwortern. Auch der Satz „Die Optionen des Dudens schließen allerdings nicht-binäre Personen weiterhin aus. “ ist schlicht falsch. Generika (wie das generische Maskulikum oder das generische Femininum) schließen immer alle mit ein. Wie effektiv sie diese Wahrnehmung durchsetzen, ist dann natürlich eine andere Frage. Dass Menschen bei Formulierungen wie „Studenten“ zuerst an Männer denken, mag ja sein, ebenso zeigen aber Untersuchungen, dass das gleiche für eindeutig geschlechtsneutrale Ausdrücke wie „Studierende“ gilt. Auch in Sprachen wie dem Englischen oder Türkischen, wo bei Personenbezeichnungen überhaupt keine Geschlechtsunterscheidung vorgenommen wird, wird vielmals zuerst an Männer gedacht. Man sieht also, dass die Wahrnehmung von „Studenten“ als in erster Linie männliche Studenten überhaupt nicht in der Wortform begründet liegt, sondern viel tiefergehende soziale Ursachen hat. Das ist das nervige an geschlechtergerechter Sprache: dass sie kosmetische Änderungen an der absoluten Oberfläche vornimmt und dies dann als großen Feminismus verkaufen möchte.

        Und selbst auf dieser oberflächlich-sprachlichen Ebene kann sie nicht viel reißen: Wer sich etwas mit Geschlecht und Sprache auseinandersetzt, der wird sehen, dass die Ungleichheit der Geschlechter viel weiter als einzelne Personenbezeichnungen geht. Ob man nun generisches Maskulinum oder Genderstern benutzt, 90% der Ungleichheit in der Sprache bleiben davon unberührt. Von „Geschlechtergerechtigkeit“ kann also keine Rede sein.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.