BundeswehrgeschichteWo sind all die Militärdrohnen hin?

Die Bundeswehr gehört zu den Armeen, die schon Anfang der 1960er-Jahre unbemannte Systeme zur Aufklärung geflogen haben. Die ersten Luftfahrzeuge ähnelten einem Modellflugzeug und stammten vom US-Militär, später sahen sie aus wie eine Rakete. Ab der Jahrtausendwende profitierte vor allem Airbus vom deutschen Drohnenprogramm.

Ihre ersten Drohnen erhielt die Bundeswehr ab 1961 vom US-Militär (hier ein Modell der britischen Armee).
Ihre ersten Drohnen erhielt die Bundeswehr ab 1961 vom US-Militär (hier das gleiche Modell von der britischen Armee). – Public Domain Nimbus227

Laut verschiedener Antworten des Verteidigungsministeriums auf parlamentarische Anfragen verfügt die Bundeswehr heute über fast 1.000 unbemannte Luftfahrzeuge in verschiedenen Bauweisen und Größen. Nicht gezählt sind verlustig gegangene Luftfahrzeuge, nach einer Auflistung von 2013 stürzt etwa jede 7. Bundeswehrdrohne ab oder wird bei einer Notlandung zerstört.

Wenig bekannt ist, dass Deutschland zu jenen Staaten zählt, die schon seit vielen Jahrzehnten unbemannte militärische Systeme einsetzen. Die ersten Vorhaben datieren auf die frühen 1960er-Jahre, das Verteidigungsministerium hatte damals 22 Soldaten zum Training an US-Drohnen auf den Truppenübungsplatz Grafenwöhr entsandt. Weitere Soldaten wurden als Wartungs- und Instandsetzungspersonal in den USA ausgebildet.

Eigene Drohnen ab 1972

Geflogen wurde die RP-71 des US-Herstellers Radioplane, der später vom Rüstungskonzern Northrop Grumman übernommen wurde. Beim US-Militär in Deutschland firmierte die Drohne als SD-1, die Buchstaben stehen für „Surveillance Drone“. Das Luftfahrzeug ähnelt einem Modellflugzeug mit Propeller, wird aber mithilfe von zwei Raketen gestartet. Nach Erreichen der Reisegeschwindigkeit von rund 370 Stundenkilometern fallen diese Booster ab. Die Piloten konnten den Kurs anhand eines Radars nachverfolgen und bei Bedarf eine Luftbildkamera einschalten. Die Landung der Drohne erfolgte per Fallschirm. Anschließend musste der Film entnommen und entwickelt werden.

Die raketenförmige CL-289 wurde wie ihre Vorgängerin mit Raketen gestartet, die Landung erfolgte per Fallschirm.
Die CL-289 wurde wie ihre Vorgängerin mit Raketen gestartet, die Landung erfolgte per Fallschirm. - CC-BY-SA 2.0 Karsten Franke

Bereits ab 1961 soll die Bundeswehr selbst über zwei SD-1 verfügt haben, ein Jahr später sollen 18 weitere geliefert worden sein. Ihre Stationierung erfolgte in der Immelmann-Kaserne in Celle Wietzenbruch. Nach den Erfahrungen mit den US-Drohnen hatte das Verteidigungsministerium eine „Drohnen Lehr- und Versuchsstaffel“ (Drohnen LVsuStff) eingesetzt. Sie sollte die Beschaffung eigener Drohnen vorbereiten und die Ausbildung übernehmen.

Ab 1972 erhielt das Heer dann die Aufklärungsdrohne CL-89, die im Auftrag der Regierungen Kanadas und Großbritanniens und später auch der damaligen Bundesrepublik von der kanadischen Firma Canadair entwickelt wurde. Das etwa 100 Kilogramm schwere, raketenförmige Gerät startete ebenfalls mit einem Booster und beförderte eine optische Kamera. Bis 1988 soll die CL-89 insgesamt 2.000 Flüge durchgeführt haben.

„Kampfwertsteigerung“ mit Infrarotkamera und GPS

Bei der Einführung der CL-89 arbeitete die Bundeswehr bereits an dem Nachfolgemodell CL-289. Hauptunterauftragnehmerin war neben dem kanadischen Hersteller die deutsche Firma Dornier. Die Drohne wurde wie die CL-89 mit einer Rakete gestartet und verfügte über eine Reichweite von 150 Kilometern. Zur Ausstattung gehörten eine Tageslicht- und eine Infrarotkamera. Die Aufklärung erfolgte in einer Höhe von 1.000 Metern.

Das neue System sollte ab 1982 zur Verfügung stehen. Jedoch erfolgte der Zulauf erst ab 1990, und noch einmal zwei Jahre später war das System einsatzbereit. Insgesamt wurden 189 Exemplare an die Bundeswehr geliefert, Einsätze erfolgten anschließend in Bosnien und im Kosovo, die Drohnen waren dafür in Mazedonien stationiert.

Ab 2001 wurden 140 Exemplare der CL-289 zur „Kampfwertsteigerung“ modernisiert. Die mit GPS verbesserte Navigation, neue Aufklärungsfähigkeiten mit Infrarot und Radar sowie die Übertragung der Daten per Satellit kostete die Bundeswehr damals 53 Millionen D-Mark. Am 18. März 2009 wurde die CL-289 endgültig ausgemustert. Die Gesamtkosten des Systems gibt die Bundesregierung anschließend mit 917 Millionen Euro an.

Abgabe an die Türkei

EIne der 189 Drohnen des Typs CL-289 schaffte es ins Museum.
Eine der 189 Drohnen des Typs CL-289 schaffte es ins Museum. - CC-BY-SA 3.0 Dirk1981

Was mit den Bundeswehrdrohnen der ersten Generation geschah, kann die Bundesregierung angeblich schwer nachvollziehen. In der Antwort auf eine Frage der Bundestagsabgeordneten Christine Buchholz schreibt das Verteidigungsministerium, über keine Informationen zu Abgaben der CL-89 an Militärs anderer Staaten zu verfügen.

Laut verschiedener Quellen im Internet wurden aber eine unbekannte Stückzahl von CL-89 in die Türkei exportiert. So steht es auch in einer Bundestagsdrucksache von 1994, demnach übernahm die Bundeswehr auch die Ausbildung des türkischen Personals. Wegen zu vieler Unfälle soll das System aber bald wieder ausgemustert worden sein. Trotzdem bildeten die aus Deutschland stammenden Drohnen den Grundstein des türkischen Programms für Aufklärungsdrohnen.

Auch das Schicksal der CL-289 ist der Bundesregierung nach eigenen Angaben nicht bekannt. Die Vorgänge beträfen Zeiträume, die länger als zehn Jahre zurückliegen. Weil es sich „nicht um Kriegswaffen handelt“, müssten Unterlagen zu den damals genutzten Luftfahrzeugen nicht länger aufgehoben werden. So steht es in einem Brief, den der Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, Ulrich Nußbaum, im Dezember an die Abgeordnete Christine Buchholz geschickt hat. Ein wenig hat das Ministerium aber doch in den Akten gegraben. „Ermittelt“ wurde laut Nußbaum immerhin, dass 12 CL-289-Systeme nach Frankreich geliefert und die restlichen 177 verschrottet wurden.

Grundstein für Drohnenprogramme von Airbus

Eine Zieldarstellungsdrohne Do-DT25 von Airbus.
Eine Zieldarstellungsdrohne Do-DT25 von Airbus. - CC-BY-SA 3.0 Stahlkocher

Von den frühen Einsätzen unbemannter Systeme hat insbesondere Airbus profitiert. Um die Jahrtausendwende hatte der Rüstungskonzern (damals noch als EADS) den militärischen Zweig von Dornier übernommen und war so für das damalige Drohnenprogramm der Bundeswehr verantwortlich.

Heute ist Airbus Hauptauftragnehmer für mehrere deutsche Vorhaben mit unbemannten Systemen, darunter auch für bewaffnungsfähige HERON TP der Bundeswehr. Airbus baut außerdem sogenannte Zieldarstellungsdrohnen, die für die Ausbildung mit Raketen und Marschflugkörpern eingesetzt werden. Sie stammen noch aus dem Geschäft, das Airbus von Dornier übernahm, und haben eine leichte Ähnlichkeit mit den SD-1 des US-Militärs, mit denen die Bundeswehr einst ihre ersten Drohnenerfahrungen gesammelt hat.

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Eine Ergänzung

  1. Die neue Ampel-Regierung hat sich auf Ebene der Fachpolitiker darauf verständigt, der Bundeswehr zu ermöglichen, Drohnen zum eigenen Schutz zu bewaffnen.

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