BundesratDie individuelle Personenkennzahl kommt

Der Bundesrat hat das Registermodernisierungsgesetz beschlossen. In Zukunft darf die Steuer-ID als Nummer genutzt werden, an derer staatliche Register zusammengeführt werden können. Das Gesetz könnte verfassungswidrig sein.

Weiße Nummer auf blauem Hintergrund eines Zugwagens
An der eindeutigen ID können Datenbanken und Register angeordnet und auch zusammengeführt werden. (Symbolbild) – Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch unsplash.com Markus Spiske

Das Registermodernisierungsgesetz nimmt vorerst die letzte Hürde: Der Bundesrat hat dem Gesetz zugestimmt. Zuvor hatten FDP und Grüne das Gesetz auf Bundesebene das Vorhaben stark kritisiert, eine Protokollerklärung der Bundesregierung sollte jedoch laut laut Tagesspiegel Background (€) „die Wogen glätten“.

So soll im Onlinezugangsgesetz das „Datencockpit“ in „Datenschutzcockpit“ umbenannt werden. Auch die anderen Inhalte der Erklärung sind hauptsächlich symbolischer Natur und ändern nichts am verfassungsrechtlichen Grundproblem.

In einem Wortbeitrag vor der Abstimmung warb die bayerische Staatsministerin für Digitales, Judith Gerlach, mit Autometaphern für die Zustimmung. Das Registermodernisierungsgesetz sei „das Getriebe der Verwaltungsmodernisierung“, nun habe der Bundesrat den Schraubenschlüssel in der Hand und könne die letzten Schrauben festziehen. Das soll den deutschen Verwaltungsmotor „zum Brummen bringen“ und die Verwaltungsmodernisierung „mit Vollgas“ voranbringen.

Im Entstehungsprozess des Gesetzes hatte die Konferenz aller deutschen Datenschutzbeauftragten erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken geäußert und von der Bundesregierung gefordert, dass diese statt der Steuer-ID als Personenkennzahl neue bereichsspezifische Personenkennziffern einführen solle. 

Mit diesem alternativen Modell, das etwa in Österreich genutzt wird, hemmt man schon in der Architektur eine Zusammenführung der Daten. Dieses Verfahren erschwert den einseitigen staatlichen Abgleich, ermögliche jedoch ebenso, eine natürliche Person eindeutig zu identifizieren, argumentierten die Datenschutzbeauftragten.

Verfassungsrechtliche Bedenken

Zuletzt hatte der Datenschutzbeauftragte des Landes Sachsen auch historische Gründe für eine Ablehnung eingebracht. Die DDR hatte in den 70er-Jahren eine Personenkennzahl eingeführt und diese als Kontrollinstrument genutzt.

Problematisch ist die Einführung einer Personenkennzahl unter anderem wegen des Volkszählungsurteils des Bundesverfassungsgerichtes und dem möglichen Verstoß gegen das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung. Das Urteil untersagt dem Staat die Verknüpfung von personenbezogenen Daten mit einer übergreifenden Identifikationsnummer wegen einer möglichen Profilbildung.

Die Übernahme der Steuer-ID als Stamm-ID für die Verknüpfung von Datenbanken ist auch ein Beispiel dafür, wie einmal eingeführte Systeme später zu einer Ausweitung der Überwachung genutzt werden. In der Debatte um die Einführung der Steuer-ID im Jahr 2007/2008 argumentierten Politiker des Bundesregierung, dass es sich bei der Steuer-ID nicht um die Einführung einer Personenkennzahl handele. Doch genau das ist jetzt geschehen, allen Beteuerungen zum Trotz, auch wenn man die Personenkennzahl nun Bürger-ID nennt.

Heute argumentiert die Bundesregierung, dass die föderale Struktur und das jetzige Gesetz keine Zusammenführung der Daten zuließen. Gerlach betonte auch, dass eine enge Zweckbindung für die Nutzung der Steuer-ID bestehe und vieles auf der Zustimmung der Bürger:innen basiere. Das Registermodernisierungsgesetz setze weiter auf eine föderale, dezentrale Registerlandschaft, so die bayerische Staatsministerin.

Mit der Erfahrung der Steuer-ID im Hinterkopf, ist aber auch nicht auszuschließen, dass in den kommenden Jahren die Hürden bei der Personenkennzahl fallen werden – und eine Profilbildung stattfindet. Wer die Daten aus 50 Registern und Datenbanken zusammenführt, erhält ein sehr genaues Bild über die Lebensumstände eines Menschen. Mit einer technischen Hürde wie der bereichsspezifischen Kennzahl wären die Hürden dafür deutlich höher gewesen.

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12 Ergänzungen

  1. „So soll im Onlinezugangsgesetz das ‚Datencockpit‘ in ‚Datenschutzcockpit‘ umbenannt werden.“

    Im Hinblick auf Orwells Roman „1984“ ein echter Money-Quote, wenn er denn einer Primärquelle entspränge.

    1. Das Datencockpit kann man nach dem Entwurf in die Mülltonne kippen. Schon jetzt wehrt sich z.B. die Polizei dagegen alle Betroffenen bei einer Funkzellenabfrage zu informieren (wenn mal wieder ein Grafitti-Sprayer gerastert werden musste). Da wird sich in Zukunft auch nicht viel tun. Illegaler Datenge- und missbrauch durch Behörden lässt sich damit sicher nicht unterbinden oder abwehren.

      1. Leider braucht man diese Informationen, da man auch vor Fanatikern nicht geschützt wird, denen gegenüber man durch eben jene Vorgehensweisen exponiert (oder – absichtlich oder nicht -: lanciert) werden könnte.

  2. Es gibt Tage, an denen möchte ich alle demokratische Aufmerksamkeit hinschmeißen wegen Sinnlosigkeit, denn die Korruption der Macht wird ja doch wieder zu stark sein für diejenigen, die Politik machen, sie werden einen am Ende verraten – heute ist das wieder mal so weit.
    Dass Grüne / Bündnis 90 (!!!) diesem Entwurf im Bundestag zustimmen, das reißt alles ein, was ich an Vertrauen aufgebaut hatte … Was an dem Satz oben war eigentlich nicht zu verstehen, für diejenigen, die doch 2014 noch an der Seite von Edward Snowden im Untersuchungsausschuss standen :
    „Die DDR hatte in den 70er-Jahren eine Personenkennzahl eingeführt und diese als Kontrollinstrument genutzt.“ ???

    Es ist zum Verzweifeln.

    1. Der Geist von Otto Schily wirkt wohl bei den Grünen (deren Mitbegründer er war) noch nach, wenngleich dieser seine bürgerfeindlichen Ideen („Otto-Katalog u.a.) auch bei der SPD auslebte.

    2. Bundestag muss Bundesrat heißen in meinem Text oben. Das ist es ja gerade, dass sie im Bundesrat nicht Opposition, sondern durchaus auch Mitregierung sind.

  3. Einfach mal abwarten, sieht sehr danach aus als würde das Gesamte vorhaben eh wieder vom Verfassungsgericht kassiert.
    Zumindest wenn man sich die letzten Urteile diesbezüglich anschaut halte ich das für recht wahrscheinlich.

  4. Das einzige Mittel gegen diesen Wahnsinn – ich nenne ihn mal DDR 3.0 – ist ein breites Bündnis mit einer umfassenden Verfassungsklage samt zivilem, auf kreativer Verweigerung u. a. basierendem Ungehorsam. Anders ist es nicht zu machen.

  5. Die Aussage zum Opt-In Verfahren ist die gleiche Unwahrheit, wie die Grundaussage zur Steuer-ID bei ihrer Einführung. Die Erzählung zur partiellen Freiwilligkeit eines Opt-Ins wird, im Laufe der Entwicklung der Servicebereitstellung und der sich ergebenen „Sachzwänge“, hier dort und anderswo, in 5 Jahren etwas sein, mit dem irgendjemand sarkastische Kommentarspalten füllt.

  6. „Zuvor hatten FDP und Grüne das Gesetz auf Bundesebene das Vorhaben stark kritisiert“

    Wären sie in der Regierung, hätten sie allerdings zugestimmt, das zeigt ja ihr Stimmverhalten bei anderen Überwachungsthemen in der Vergangenheit.

    In der Debatte traue ich keiner Partei außer den Piraten mehr über den Weg.

  7. Zeichnet sich ab, ob jemand gegen das Registermodernisierungsgesetz klagen wird? Der sächsische Datenschutzbeauftragte vielleicht? Und/oder die Grünen/Bündnis90? Hoffentlich!

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.