Aufträge von Polizei und MilitärGoogle will Angestellten bei Kundenentscheidungen den Mund verbieten

Bei Google gibt es immer wieder Proteste gegen die Zusammenarbeit mit US-Grenzbehörden, der Polizei oder dem Pentagon. Nun behauptet das Unternehmen, dass seine Mitarbeiter:innen gegen diese Entscheidungen gar nicht protestieren dürften.

Doch nicht so fortschrittlich und offen, wenn es um Arbeitnehmerrechte geht. (Symbolbild) – Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch unsplash.com Jonas Stolle

Google hat gegen das US-amerikanische Arbeitsrecht verstoßen, als es Arbeitnehmer:innen überwachte und entließ, die Proteste organisierten. So steht es in einer Beschwerde des National Labor Relations Board (NLRB), einer unabhängigen Bundesbehörde in den USA zum Schutz von Arbeitnehmerrechten. Die Beschwerde geht auf zwei gekündigte Mitarbeiter:innen zurück, die mit Hilfe der Gewerkschaft Communications Workers of America eine Klage bei der der NLRB einreichten. Sie wird nun vor Gericht verhandelt.

Im nun beginnenden Gerichtsprozess behauptet Google, seine Mitarbeiter:innen hätten kein Recht, dagegen zu protestieren welche Kunden das Unternehmen auswählt. Dies erklärte der Daten- und Werbekonzern vor einem Richter: „Selbst wenn Google die Mitarbeiter wegen ihrer Protestaktivitäten entlassen hätte – weil sie gegen die Wahl ihrer Kunden protestierten – würde dies nicht gegen das Gesetz verstoßen“, sagte Googles Anwalt Al Latham am Dienstag laut Bloomberg.

Maulkorb bei Kundenwahl

Das amerikanische Bundesrecht erlaubt Angestellten Proteste, die mit ihren Arbeitsbedingungen zu tun haben. Dabei ist jedoch nicht genau geregelt, was darunter fällt. Ob die Auswahl der Kunden eines Unternehmens ein legitimes Ziel von Protesten der Arbeitnehmerschaft ist, wird das Gericht klären müssen. 

Das National Labor Relations Board wirft dem Unternehmen vor, gegen Bundesrecht verstoßen zu haben, indem es fünf Mitarbeiter wegen ihres Aktivismus illegal entlassen habe. Dagegen wehrt sich Google und streitet laut Bloomberg die Vorwürfe ab. Das Unternehmen erklärte, dass es „offene Diskussionen und Debatten“ fördere, aber die Mitarbeiter wegen Verstößen gegen seine Datensicherheitsrichtlinien entlassen habe. „Google hat diese Mitarbeiter nicht wegen ihres Protestes entlassen, sondern weil sie bei der Verfolgung ihres Protestes auf höchst vertrauliche Informationen zugegriffen haben, auf die sie kein Recht hatten“, sagte der Anwalt des Unternehmens laut Bloomberg am Dienstag vor dem Richter.

Protestfreudige Mitarbeiter:innen

Google hatte in den letzten Jahren immer wieder mit einer politisierten Arbeitnehmerschaft zu tun. Diese protestierte gegen sexuelle Belästigung, gegen den Abschluss von Verträgen mit der US-Zoll- und Grenzschutzbehörde, gegen die Behandlung von Leiharbeitern oder den Umgang mit der bekannten Algorithmusforscherin Timnit Gebru.

Während sich Google nach außen als offen gibt, versuchte der Suchmaschinenkonzern schon im Jahr 2017 und 2018 beim National Labor Relations Board eine Einschränkung der Arbeitnehmer:innenrechte zu erreichen. Konkret ging es um eine Regelung, die es Arbeitnehmer:innen erlaubt, sich über IT-Infrastrukturen wie Firmen-Mailadressen politisch zu organisieren. Nach Informationen von Google-Aktivisten ist diese Form der Organisierung elementar, da oftmals die privaten Adressen gar nicht bekannt sind. 

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6 Ergänzungen

  1. Naja, bei einer Bäckerei wäre das auch nicht anders.
    Das Statement auf den Protest hin ist aber wichtig, um den Arbeitgeber einschätzen zu können.

  2. Sind Google-Angestellte nicht in der lage ihre Private Mail-adresse auszutauschen? Oder wollen/können die das nicht? Über den Firmenaccount liest google vermutlich alles mit (ist doch bei google-kunden auch so usus oder) aber man kann sich doch auch persönlich treffen. Und dann gibt es doch auch noch Telefon, Fax und andere Möglichkeiten. Sind nur weniger bequem.

    Aber so kann man doch auch Protest organisieren, außerhalb der Infrastruktur des Arbeitgebers. Wenn Interne Infos involviert sind wird man dann eben gekündigt weil man diese aus dem Unternehmen getragen hat – auf nicht unter dessen Kontrolle befindlichen Systemen, LoL. Klingt nach Spagat oder Quadratur des Kreises…

    Man könnte natürlich auch einfach selbst kündigen und bei einer Firma arbeiten die nicht solch Fragwürdige Praktiken anwendet… ähh Gibt es solche noch???

    1. Ja natürlich kannst du die theoretisch austauschen, wenn du weißt, wo der Mensch ist, auf den Mensch zugehst und nachfragst. Ist aber nicht so praktisch und mensch braucht Mut dafür…

      Kündigung ist auch ein falscher Weg – wäre es nicht toll, wenn die Praktiken in deinem großen Konzern verändert würden? Die Arbeitskämpfe in großen Konzernen sind am wichtigsten. Ich unterstütze sie.

  3. Ich fürchte, hier bin ich auf der Seite von Google. Es ist lobens- und unterstützenswert, wenn Firmen – so wie das alte Google – eine Kultur und Werte haben, mit denen man sich identifizieren kann.
    Seit einigen Jahren allerdings hat Google das alte Motto „Do no evil“ ersetzt durch „Geld stinkt nicht“ und ist zu einer normalen Firma geworden, die möglichst viel Geld verdienen will.
    Und als solche hat das neue Google jedes Recht, zu regeln, wie die Mitarbeiter die Infrastruktur des Unternehmens nutzen, welche internen Informationen Mitarbeiter veröffentlichen dürfen, und welche Kunden man bedient.

    Der Preis dafür wird sein, dass die Kultur, die Google berühmt und attraktiv gemacht hat, den Bach runter gehen und gute Mitarbeiter das Unternehmen verlassen oder gar nicht erst bei Google arbeiten werden. Ein hoher Preis.

    Und eine unternehmerische Entscheidung. Keine rechtliche.

    1. Nein. Weil:

      Die Mitarbeiter*innen sind für die Wertschöpfung des Unternehmens zuständig. Die Geldgeber sind eben nur die Geldgeber (Shareholder) und haben dieses durch Enteignung und Ausbeutung verdient.

      Warum sollten nicht die, die die eigentliche Arbeit machen, darüber bestimmen, was für welche Kunden die Firma haben soll?

      Und jede*r Google Mitarbeiter*in sollte zufrieden mit dem Gehalt sein – wenn mensch solche Kunden nicht mehr versorgt, haben eben die Senior Executives nicht mehr 1 Milliarde auf dem Konto, sondern eventuell „nur“ 500 Millionen.

      Aber was den Lebensstandard angeht, sollte das für die völlig egal sein.

  4. Die Mitarbeiter sollten einfach mit den Füssen abstimmen.
    Wenn Google die guten Mitarbeiter ausgehen, weil sie ständig
    Evil-Zeugs machen, werden sie automatisch damit aufhören.

    Ich bin sicher, ein guter Google-Engineer oder Entwickler wird
    in jeder anderen Firma gerne genommen.

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