Wochenrückblick KW30Ein Gesetz auf Reisen

Das deutsche NetzDG legt eine steile Karriere hin, Twitter nimmt es mit rechten Verschwörungsmythen auf und Uber und Zoom erweisen sich als wenig gesprächig. Die Themen der Woche im Überblick.

Ein Baby-Elefant im Schlamm
Ein Tier wie die Digitalisierung: manchmal etwas langsam, aber will meistens nichts Böses. – Vereinfachte Pixabay Lizenz birgl

Zu Beginn weisen wir gerne auf unseren Transparenzbericht für den Monat Mai hin. Im Büro herrschte weiterhin gähnende Leere, auf den Konten sah es – ganz corona-untypisch – eigentlich ganz in Ordnung aus. Der spendenreichste Mai in der Geschichte von netzpolitik.org holt zwar nicht alle Ausgaben wieder rein, ist aber dennoch zufriedenstellend.

Ansonsten ist das Sommerloch in der Redaktion angekommen. In den Parlamenten passiert nicht allzu viel; das gibt uns Zeit, uns längerfristigen Projekten und Recherchen zu widmen, die sonst öfter mal liegen bleiben. Die eine oder andere Meldung flattert natürlich trotzdem immer wieder ins Home-Office.

Die internationale Karriere des deutschen NetzDG

Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) wurde von vielen Seiten schon immer hart kritisiert. Jetzt diente es als (schlechtes) Vorbild für einen Gesetzentwurf der türkischen Regierung. Soziale Netzwerke und Nachrichtenportale könnten dann noch stärker reguliert werden als ohnehin schon. Dass die Regierung damit nur Verletzungen des Persönlichkeitsrechts sanktionieren will, glauben die wenigsten.

Noch nicht ganz klar ausgearbeitet sind die Pläne der österreichischen Regierung. Auch sie plant ein Gesetzespaket gegen Hass im Netz. Ab einer bestimmten Größe sollen Plattformen gemeldete Inhalte schnell überprüfen und gegebenenfalls löschen. Wie das Gesetz genau aussehen soll  und wie es mit einer möglichen EU-weiten Regelung zusammengeht, ist noch nicht bekannt.

Rechtsradikale und soziale Netzwerke

Gesetzen wie dem NetzDG zum Opfer fallen könnten auch immer wieder Posts aus dem Umfeld der QAnon-Szene. Weil die Verschwörungsmythen aus diesem Umfeld auch offline Schaden anrichten würden, hat Twitter entschieden, etwa 7.000 Accounts zu sperren und weiteren 150.000 die Reichweite zu begrenzen.

Auch der Social-Media-Chef der Bundeswehr ist auf Abwege geraten. Er verteilte Likes an einen rechtsradikalen Instagram-Account und tauschte sich mit diesem aus, wie das ARD-Magazin Panorama herausfand. Unsere Recherchen zeigen, wie intensiv dieser Austausch war und wo es noch Berührungspunkte mit rechtem Personal gab.

Transparenz und digitale Identität

Passend zur aktuellen Debatte über den Zugriff auf persönliche Daten durch die Polizei liefert eine parlamentarische Anfrage eine Antwort auf die Frage, was eigentlich alles gespeichert ist. Berliner Polizist:innen können auf mehr als 130 Datenbanken zugreifen. Dies wird von mehreren Seiten kritisiert – auch weil einige Datenbanken stigmatisierend sein können.

Ob zu diesen 130 Datenbanken wohl bald eine weitere hinzukommt, die den Corona-Immunstatus der Bevölkerung überprüft? Mit Immunitätsausweisen ist das zumindest denkbar. Eine Menschenrechtsorganisation warnt jetzt vor der Ausweitung der digitalen Identität. Diese schließe Menschen aus und diskriminiere sie.

Diskriminiert fühlen sich auch einige Fahrer des Transportvermittlers Uber. Sie ziehen vor Gericht, um zu erfahren, welche Daten das Unternehmen über sie speichert und wie die Fahrten vermittelt werden. Ziel ist mehr Transparenz, um sich beispielsweise besser gegen Diskriminierung wehren zu können. Das Verfahren könnte große Wellen für die gesamte Gig Economy schlagen.

Ein Zoom-Nutzer möchte ebenfalls genauer wissen, was das Unternehmen über ihn weiß. Eigentlich ist die Sache klar, nach der Datenschutz-Grundverordnung haben Nutzer:innen das Recht aus Auskunft über personenbezogene Daten und wie diese gespeichert und verwendet werden. Aber bei den Aufsichtsbehörden weiß keiner so genau, wer eigentlich für Zoom zuständig ist.

Und sonst so?

Der Skandal um den Zahlungsdienstleister Wirecard wird immer unübersichtlicher. Der flüchtige Manager Jan Marsalek interessierte sich offenbar für italienischen Überwachungssoftware. Das legen geleakte Dokumente nah. Unbekannt ist aber, wofür der Manager die Software nutzen wollte.

Der Netzpolitik-Podcast beschäftigte sich mit unserer Recherche zur polnischen Firma PimEyes. Gesichter von 900 Millionen Menschen soll die Software gespeichert haben. Was kann eine derartige Technologie in den Händen von Sicherheitsbehörden, Kriminellen oder ganz normalen Menschen anrichten? Vermutlich nichts weniger als die Abschaffung der Anonymität.

Wir wünschen euch ein schönes Wochenende.

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