Rassismus und RechtsradikalismusWir müssen unabhängig erforschen, wie die Polizei politisch tickt

Innenpolitiker:innen und Polizeigewerkschaften weisen das Thema Rassismus in der Polizei meistens empört zurück. Dabei braucht es endlich unabhängige und repräsentative Studien zu gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit und Rechtsradikalismus in der Polizei. Die angekündigte Untersuchung der Bundesregierung ist dabei nur ein erster kleiner Schritt. Ein Kommentar.

Zwei Polizisten stehen vor einer Demo
Zwei Polizisten stehen vor einer Demo. CC-BY-NC 2.0 Kai Schwerdt

Noch heute löst die nicht besonders gewagte Feststellung, dass es „latenten Rassismus innerhalb der Sicherheitskräfte“ gibt, einen Sturm der Empörung aus – wenn sie aus dem Munde einer SPD-Vorsitzenden kommt. Dabei beschreibt Saskia Esken nur, was offensichtlich ist. Latent, das heißt nach dem Duden: „vorhanden, aber [noch] nicht in Erscheinung tretend; nicht unmittelbar sichtbar oder zu erfassen“.

Genau hier liegt das Problem: Wir wissen als Gesellschaft nicht, wie rassistisch die Institution Polizei ist. Wir wissen nicht, ob Rechtsradikalismus, antidemokratische oder autoritäre Einstellungen überproportional zur Gesamtgesellschaft in der Polizei vertreten werden.

Umgekehrt gibt es sehr viele Indizien, die darauf hinweisen, dass es ein Problem gibt.

Bislang keine unabhängigen, repräsentativen Studien

Polizeien und Innenminister aus Ländern und Bund haben sich seit Jahren mit Händen und Füßen gegen Studien unter Polizist:innen zu diesen Themen gewehrt. Die Verhinderung solcher Untersuchungen und das empörte Wegschieben aller Vorwürfe haben den Eindruck erweckt, dass es etwas zu verbergen gibt.

Eine der wenigen Studien zum Thema beauftragte das Innenministerium in Hessen: Darin wurde „vergessen“, die Bereitschaftspolizei zu befragen – also ausgerechnet die überwiegend jungen Polizist:innen, die bei Demonstrationen eingesetzt werden.

Unter dem Eindruck der BlackLivesMatter-Proteste bewegt sich nun endlich was – zum Beispiel in Thüringen. Und wenn nun die Bundesregierung eine Studie zu „Racial Profiling“ plant, dann ist das ein Anfang, der aber nur einen kleinen Ausschnitt zeigen wird. Mal ganz abgesehen davon, dass unabhängige Studien gebraucht werden, die nicht den Blickwinkel von Innenministerien widerspiegeln.

Transparenz statt bedingungslosem Rückhalt

Keine Institution des Staates darf einen uneingeschränkten Vertrauensvorschuss genießen oder gar ein Anrecht auf bedingungslosen Rückhalt haben, wie es konservative Innenpolitiker, Polizist:innen und ihre Gewerkschaften immer wieder postulieren. In einer Demokratie müssen wir die Probleme der staatlichen Institutionen erforschen, damit wir wissen, wie wir darauf angemessen reagieren können.

Wir können als Demokratie nicht zulassen, dass Institutionen ein politisches Eigenleben entwickeln, das sich im schlimmsten Fall sogar gegen die Demokratie selbst richten kann. Das gilt insbesondere für Institutionen, die das Gewaltmonopol innehaben.

Lasst endlich unabhängige und repräsentative Studien zu.

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7 Ergänzungen

  1. Ob Befragung eigentlich das richtige Mittel ist… Ich versuche seit Jahren Studien zur Polizeiarbeit zu machen, und es ist extrem schwierig in den „Alltag“ reinzukommen, als Ethngraph, teilnehmender Beobachter usw.; die Gründe sind vielfältig, vom Alltagsstress, über „was bringt das“ bis hin zu mauernden Ministerien.

    Gleichzeitig sollte so eine Forschung auch ein wenig „komplexer“ sein, als simple Einstellungsmessung oder Interviewforschung…

    1. Das SPD-Establishment hat ein extrem gutes Gespuer dafuer, die Partei zum Teil des Problems zu machen. Das haben sie schon bei Schulz demonstriert. Man koennte fast meinen, die wollen gar keine Alternative zur CDU sein.

  2. Erforschung würde ja auch beinhalten, was intrinsisch aus der Art der Arbeit heraus passiert. Ob im Moment zufällig Rassisten da sind, ist ja auch interessant, aber langfristig ist wichtiger, was der Kontext mit Menschen macht.

    Das berührt allerdings eine Menge sogenannter „Soft Power“, die dann immer gerne hart wird, wenn man drinnen herumstochert :). So lässt es sich schlecht umrühren, im Brei der Geschichte.

  3. Der Philosoph Daniel Loick hat Anfang ’19 der Frankfurter Rundschau ein Interview zum Thema gegeben. Loick beschreibt trefflich die Rolle des Vorsitzenden der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) Rainer Wendt, “der immer wieder rechte Positionen öffentlich vertreten hat. Da darf man sich nicht wundern, wenn solche Positionen innerhalb der Polizeistrukturen auf guten Nährboden fallen.“, sagt Loick.

    https://www.fr.de/frankfurt/polizisten-haben-haeufig-rechte-weltbilder-11415394.html

  4. Ich denke, das Problem ist vielschichtig:

    Zunächst einmal ist augenscheinlich, dass Polizei und Bundeswehr für „Rechte“ attraktiv sind: Man kann mit Waffen und Sprengstoff hantieren, man kann in Uniform den dicken Larry markieren und Anordungen („hiermit spreche ich ihnen einen Platzverweis aus“) machen.

    Das heißt, um solche Subjekte auszusortieren, braucht es eine demokratische „Firewall“ – Eine Polizei, die stark genug ist (auch personell), zu sagen: „Du nicht“

    Da sich aber in den letzten Jahren die Fronten zwischen „links“ und „rechts“ verhärtet haben, und „Linke“ weniger zur Polizei tendieren (Eher antiautoritär, gegen Waffen,…), hinterlässt das ein demokratisches Vakkum.

    Meiner Ansicht nach ist die Lösung ein falsch verstandener Patriotismus:

    Das Grundgesetz ist an sich ein einziges Antifaschischistisches Bollwerk. Menschenwürde, Verbot von Zwangsarbeit und Todesstrafe, freie Meinungsäußerung und Religionsausübung,… ALLES, wirklich ALLES stellt das Gegenteil des dritten Reiches dar.

    Es fordert sogar die Mitwirkung an einer europäischen Union – Also in jeder Hinsicht das Gegenteil von Nationalismus.

    Es ist die Verkörperung von Vielseitigkeit, Multikulti und Weltoffenheit,

    Darauf können wir verdammt stolz sein – und es weiter vorrantreiben. Dieses Grundgesetz fordert aber auch in Artikel 22: „Die Bundesfahne ist schwarz rot gold“

    Das ist Patriotismus, und dafür steht die Flagge ein.

    Wenn aber nun genau diese Leute, die eigentlich das Bollwerk gegen „Rechte“ stellen müssten, auf „Staat“ und „Flaggen“ und „Institution“ reagieren wie der Beelzebub auf den Exorzisten, sprich, das Gefühl, mit Stolz für die Verfassung und die Bundesrepublik Deutschland einzustehen, die eben gerade nicht für Abgrenzung, sondern für Vielseitigkeit und Weltoffenheit steht –

    Dann brauchen wir uns nicht wundern, wenn die, die eigentlich alles Deutschland hassen, was es ausmacht, sich unter – wortwörtlich falscher Flagge- Patrioten nennen, und die Polizei nach und nach „übernehmen“.

    Dieser Grundgesetzpatriotismus, das wäre die Firewall, die die rechten Spacken systematisch draußenhält.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.