UHF-BandDie Zukunft der Rundfunk- und Kulturfrequenzen muss im Parlament verhandelt werden

Sogenannte „Kulturfrequenzen“ könnten künftig der Mobilfunkbranche gehören, durch die Finger würden Kultur, Bildung und Forschung schauen. Dagegen regt sich parteiübergreifend Widerstand. Die Frequenzen sind für den Rundfunk und die Kulturwirtschaft überlebenswichtig, schreiben sechs Bundestagsabgeordnete in einem Gastbeitrag.

Irgendwann wird die Corona-Pandemie zu Ende sein. Live-Konzerte brauchen aber Infrastruktur, unter anderem Funk-Mikrofone. – Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch unsplash.com Ryan Loughlin

Dies ist ein gemeinsamer Gastbeitrag 

aktiver Politiker:innen: Gustav Herzog, MdB (SPD), Margit Stumpp, MdB (Bündnis 90/Die Grünen), Anke Domscheit-Berg, MdB (Die Linke), Doris Achelwilm, MdB (Die Linke), Thomas Hacker, MdB (FDP) und Dr. Christian Jung, MdB (FDP)
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Von der Pandemie sind die Kultur- und Kreativwirtschaft sowie der Rundfunk in besonderer Weise betroffen. Viele KünstlerInnen können nicht auftreten, Spielstätten schließen, kleine Unternehmen und Solo-Selbständige sind in ihrer Existenz bedroht. Die Branche hat „Alarmstufe Rot“ ausgerufen und demonstriert vielerorts; immer unter Einhaltung der gebotenen Hygieneregeln. Gleichzeitig wird der Rundfunk als Informationsquelle mehr denn je genutzt und überträgt Kulturereignisse, die früher vor Ort stattfinden konnten.

Kultur und Rundfunk haben noch eine Verbindung: Sie nutzen in guter Koexistenz das gleiche Frequenzspektrum, wenn es um die Übertragung von Ereignissen geht. Um gehört zu werden, brauchen SchauspielerInnen, MusikerInnen und SängerInnen – im wahrsten Sinne des Wortes – Lautverstärker. Tagtäglich arbeiten sie mit Funkmikrofonen und ähnlichen Systemen, die Frequenzen benötigen. Das trifft auch auf JournalistInnen, ProfessorInnen, Geistliche und viele andere zu, etwa die Veranstaltungswirtschaft und die (Live-) Produktion von Rundfunksendungen.

Frequenzen indes sind ein aus wirtschaftlichen Gründen umkämpftes Gut. Ihre Nutzungsrechte werden immer wieder neu festgelegt. Nicht alle Frequenznutzungen lassen sich nach rein wirtschaftlichen Kriterien angemessen bewerten, insbesondere die Kulturwirtschaft und der Rundfunk erfüllen unverzichtbare gesamtgesellschaftliche Aufgaben. Beide nutzen das Frequenzspektrum im Bereich von 470 bis 694 MHz (UHF-Band). Dieser Bereich wird „Kulturfrequenzen“ genannt.

Kulturfrequenzen erhalten

Während der nächsten Weltfunkkonferenz im Jahr 2023 soll über die Zukunft dieses Bandes verhandelt werden. In Deutschland finden, wie in allen anderen Ländern, nationale Vorbereitungen statt. Die Bundesnetzagentur hat eine Studie über die Nutzung des UHF-Bandes in Auftrag gegeben. Manche Lobbyisten fordern, dass die Kultur und der Rundfunk die Frequenzen verlieren und an den Mobilfunk abgeben sollen. Diese Forderung ist unbegründet und wird von uns abgelehnt. Es gibt gute Gründe, die Kulturfrequenzen zu erhalten.

Die Kulturfrequenzen wurden seit dem Jahr 2010 bereits zweimal beschnitten und existieren schon heute nur noch als Rumpfbereich. Dagegen konnte sich der Mobilfunk breite Frequenzbereiche sichern, die er nur teilweise nutzt. Die erhöhte Nutzung des Mobilfunks während der Pandemie hat keinerlei Ressourcenknappheit gezeigt. Ein weiteres Ungleichgewicht zwischen Kultur und Mobilfunk gilt es zu verhindern. Für den Mobilfunk wäre das UHF-Band zudem nur eine marginale Zugabe an Übertragungskapazität. Dagegen sind Kultur und terrestrischer Rundfunk auf das Spektrum dringend angewiesen. Es hat technische Eigenschaften, die andere Frequenzbereiche nicht vorweisen können.

Bislang ist der Kultur und dem Rundfunk das UHF-Band bis Dezember 2030 garantiert. Vor diesem Hintergrund wurden sehr viele Investitionsentscheidungen getroffen. Wir wollen, dass das Garantieversprechen eingehalten wird. Aber auch nach dem Jahr 2030 müssen störungsfreie Frequenzen für Kultur und Medien im UHF-Band zur Verfügung stehen. Das gilt auch für andere unabhängiger NutzerIinnen wie die Freifunk-Initiativen. Der Mobilfunk sollte dagegen seine Bemühungen fortsetzen, neue Senderstandorte zu erschließen und die Übertragungskapazitäten auch nach 2030 durch eine ausreichend dimensionierte Infrastruktur zur Verfügung stellen. Dazu muss das Glasfasernetz weiter ausgebaut werden.

Bundestag soll Machtwort sprechen

Weitere Frequenzen aus dem UHF-Bereich sind zur Erreichung der Breitbandziele der Bundesregierung weder heute noch zukünftig erforderlich. Für den Rundfunk und die Kulturwirtschaft sind diese Frequenzen aber von zentraler Bedeutung und überlebenswichtig. Noch ist bei allem technologischen Fortschritt nicht absehbar, ob die weitere Digitalisierung und der Einsatz von 5G dem Rundfunk, der Kulturwirtschaft und der Veranstaltungsbranche als effiziente Alternative zur Verfügung stehen werden. Daher sollte der Deutsche Bundestag noch in dieser Legislaturperiode sein Bekenntnis zur Unterstützung der Kultur und des Rundfunks bekräftigen und die Zusage der Sicherung von Frequenzen bis Dezember 2030 erneuern. Gleichzeitig verdienen der Rundfunk und die Kultur- und Kreativwirtschaft eine Perspektive für das dann folgende Jahrzehnt.

Mit einer solchen Perspektive schützen wir die kleinen und mittelständischen funktechnischen Betriebe und auch die Rundfunkveranstalter, die es in Deutschland gibt. Schließlich wollen wir den terrestrischen Rundfunk langfristig erhalten. Dank der anonymen Nutzbarkeit und der Unabhängigkeit des Systems vom Mobilfunk ist er auch im Krisen- oder Katastrophenfall immer nutzbar. Aus Sicherheitsgründen braucht Deutschland einen Übertragungsweg (DVB-T2, 5G-Broadcast-Technik), der autonom zur Verfügung steht, ohne Einflussmöglichkeiten von Dritten. Wir müssen eine vollständige Abhängigkeit von den Mobilfunkkonzernen und den sozialen Netzwerken im Interesse der Meinungsvielfalt und einer funktionierenden Demokratie verhindern. Mehrere voneinander unabhängige Systeme sind daher besser als eine Mobilfunk-Monokultur: Für Kultur und Rundfunk, für die Bevölkerung und den Staat.

Damit nehmen wir auch eine Forderung des Bundesrates (67-19 (B)) auf: „Die langfristige, national und europäisch koordinierte Frequenzplanung mit ausreichendem und störungsfreiem Frequenzspektrum für Nutzer drahtloser Produktionsmittel in Kultur, Bildung, Forschung, Wissenschaft, Sport und Kirchen muss gewährleistet bleiben.“

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11 Ergänzungen

  1. „Die Bundesnetzagentur hat eine Studie über die Nutzung des UHF-Bandes in Auftrag gegeben.“

    bei wem? Und gibt’s da was schriftliches bei der Agentur? Ich kenne nur den Stand von 2015 … und da haben die Runkfunkanstalten selber den Bedarf bei drahtloser Mikrophonie angemeldet.

  2. Ein paar MHz tiefer, bei 450 MHz, gab es auch gerade einen interessanten Nutzungskonflikt, der in der Öffentlichkeit wenig wahrgenommen wurde. Der alte „Autotelefon C“-Bereich sollte für ein ausfallsicheres Netz zur Steuerung „kritischer Infrastruktur“ (Strom, Wasser,…) und neue Anwendungen im Zuge der „Energiewende“ vergeben werden. So wollte es auch die Bundesnetzagentur.
    Da kam das Innenministerium an und meinte sie bräuchten den Bereich stattdessen, für „Breitbandkommunikation“ (was bei 2 Mal 4 MHz Bandbreite schon technisch unsinnig ist), sonst ginge die Welt unter. Dabei verfügen sie schon über ein Vielfaches der Bandbreite, von der sie nichtmal alles zugeteilte nutzen, während es für „kritische Infrastruktur“ noch gar nichts gibt.
    So hätte das Innenministerium mit seinen sachlich unsinnigen Argumenten die Sicherheit der Bevölkerung (durch den nicht-Ausbau eines Netzes für „kritische Infrastruktur“) gefährdet. Sie dachten mit dem Joker „innere Sicherheit“ kommen sie immer durch und Hauptsache sie haben die Frequenzen erstmal. Zum Glück hat die Bundesnetzagentur das geblickt und es ist nicht so gekommen.

    1. Die Geschichte ist ein bisschen komplizierter (und ich hatte einen etwas tieferen Einblick, da ich beruflich an Testsystemen beteiligt bin, die in 450MHz betrieben werden); das Band gehört traditionell dem Mobilfunk und ist damit per Definition Breitband. Wer das jetzt lizensieren darf oder bei der Neuvergabe zum Zuge kommen darf, ist in Diskussion. Meiner Meinung nach hat die BNetzA mit den Campuslizenzen bei 3.6 für 5G ein deutliches Zeichen für lokale und nicht-kommerzielle Betreiber gesetzt. Und die Technik z.B NB-IoT in 4G/LTE und gleichwertig in 5G ist ziemlich überzeugend. Nicht unbedingt Breitband, aber für kritische Infrastruktur und speziell „lange Leitungen“ d.h. Keller oder tiefer im Gebäude nutzbar.

      1. Ahem – worauf beziehst Du Dich hier, 450 MHz oder 470-694 MHz? Mit der Materie habe ich (auch beruflich) schon Jahrzehnte zu tun. 450 MHz war (und ist) „nichtöffentlicher beweglicher Landfunk“, das ist Schmalband und war nie Breitband. 470-694 MHz war TV, die „drahtlosen Mikrofone“ der Musik- und Unterhaltungsindustrie waren zunächst in den „Lücken“ zwischen den TV-Kanälen untergebracht, bis mehrmals Teile des Bereichs (er ging mal bis 790 MHz) dem Mobilfunk umgewidmet wurden, was die (gerade teuer angeschafften) drahtlosen Mikrofone obsolet machte. Das soll sich jetzt nochmal wiederholen…
        Der 450 MHz Bereich ist für „Breitbandversorgung“ ungeeignet, nicht nur wegen der geringen Bandbreite des zu vergebenden Bereichs, sondern vor allem wegen der (relativ) starken „Durchdringungsfähigkeit“ von Hindernissen dieser Wellen, was die (für hohe Gesamtbandbreite notwendige) geringe Zellengröße unmöglich macht. Andererseits ist es genau die Eigenschaft die für „kritische Infrastruktur“ im Keller und in Gebäuden notwendig ist.
        Die Diskussion was damit passieren soll ist inzwischen auch schon abgeschlossen. Die BNetzA stand unter massivem Druck den sachlich unsinnigen Argumenten des BMI zu folgen, was sie zum Glück nicht getan haben.
        4G/5G ist ein Übertragungsverfahren und hat mit den genutzten Frequenzen nichts zu tun. Wenn man das nimmt (was auch auf 450 MHz passieren wird) hat das vor allem wirtschaftliche Gründe, weil das Zeugs schon fertig entwickelt ist. Es sind die genutzten Frequenzen, welche die Eigenschaften bestimmen. Die „Campus-Lizenzen“ auf 3,6 GHz sind zwar nett, aber eben nur für sowas wie einen Campus brauchbar, nach 2 Wänden ist Schluss. Für eine „rundfunkartige“ Versorgung der Bevölkerung unbrauchbar. DAB bei 1,8 GHz wollte auch keiner haben und es wurde wieder gestrichen.

  3. Ich seh das als Konjunkturpaket für die Hersteller von KulturInfrastruktur.
    Na bitte. Hatten wir ja schon, als uns die Bänder für nagelneues Equipment mit jahrelanger Abschreibung beschnitten und die Technik zu Elektroschrott deklariert wurde.
    Haben die Verbände (BVFT, VPLT, BFDK, und wie sie alle heissen) sich zu der Thematik schon geäussert? Ich hab auf die schnelle nichts gefunden.

    1. Die Verbände werden dann wohl in der Studie befragt. Die BNetzA hat im berühmten Entscheidungsentwurf von 2014 (aus Gründen) „Konzepte für andere Nutzergruppen … Mit Blick auf die Belange der Nutzer drahtloser Mikrofone weist die Kammer daraufhin, dass zum einen nunmehr alle professionellen Nutzer ungenutztes Spektrum ausdem UHF-Band nutzen können. “ womit damals die 470-790 harmonisiert wurden.

      Das damals nagelneues Equipment verkauft wurde für ein Band, das sicher wegfällt (das war seit Jahren klar) hätte auch zu Fragen an die Hersteller führen können.

  4. @NP – ok – drei Versuche – dreimal Niete.
    Ich hoffe, das ihr Eure Kommentarfunktion wieder dahin bekommt, wo sie mal war.

    Ich sehe, das die Namen ohne Leerzeichen an das „sagt“ gepappt sind und denke, das ihr irgendwann da mal was dran gemacht habt – es wäre mir früher aufgefallen.
    Aber das ich jetzt auf Kommentare – die Antworten sind – nicht mehr konstruktiv antworten kann ist… … nicht egal.

    Schade.

    1. Das ist natürlich ein Fehler, das soll so nicht sein. Wird vielleicht etwas dauern, den Fehler zu finden, wir bemühen uns aber um eine schnelle Korrektur.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.