PimEyesSaskia Esken und Polizei-Gewerkschaften fordern Schutz vor Gesichtserkennung

Nach netzpolitik.org-Recherchen zur Suchmaschine PimEyes steigt der Druck auf Bundesregierung und EU. Auch Axel Voss fordert eine sofortige Regulierung.

PimEyes hat nach eigenen Angaben Aufnahmen von 900 Millionen Gesichtern biometrisch ausgewertet. (Symbolbild) – Alle Rechte vorbehalten netzpolitik.org / Pentermann, Beer, Spiske u. a.

Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken fordert hohe rechtliche Hürden für Gesichtserkennung. Weitere Politiker:innen wollen eine strengere Regulierung oder gar ein Verbot. Damit steigt der Druck auf die Bundesregierung, sich deutlicher zum Einsatz der Technologie zu positionieren. Zudem verlangen nach unserer Veröffentlichung zum Missbrauchspotenzial der Suchmaschine PimEyes auch die beiden großen Polizei-Gewerkschaften ein Verbot, da sie Polizist:innen identifizieren könnte.

Die Anfang Juli erschienene Recherche zeigte, wie PimEyes dazu beiträgt, unsere Anonymität abzuschaffen. Die polnische Betreiberfirma will die Gesichter von 900 Millionen Menschen in einer Biometrie-Datenbank gesammelt haben. Diese könnten mithilfe der kostenlosen Suchmaschine bereits anhand eines Schnappschusses ermittelt werden. Die Suchmaschine zeigt Websites mit übereinstimmenden Gesichtern, so lassen sich gesuchten Personen häufig Namen, Beruf und vieles mehr zuordnen.

Das ist ein Problem für alle, die offen ihr Gesicht zeigen, aber nicht ihren Namen verraten möchten, etwa auf Dating-Portalen oder politischen Demonstrationen.

Angriff auf Grundrechte

Die SPD-Vorsitzende Esken hält den Einsatz dieser Technologie auch unter ethischen Gesichtspunkten für problematisch. Dies gelte nicht nur für private Unternehmen wie PimEyes, sondern auch für die Sicherheitsbehörden selbst. „Der Einsatz dieser Technologien unter Verwendung öffentlich verfügbarer Fotos stellt einen sehr weitreichenden Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung dar“, sagt die Netzpolitikerin. „Gerade angesichts der noch unklaren Reichweite und Kollateralschäden dieser neuen Technologien müssen rechtliche Hürden entsprechend hoch angesetzt sein.“

Mit der Suchmaschine können Nutzer:innen auch versuchen, Polizist:innen zu ermitteln. „Solch eine Suchmaschine birgt riesige Gefahren für die Anonymität der Bürgerinnen und Bürger und hat in privaten Händen nichts zu suchen“, sagt Hagen Husgen aus dem Bundesvorstand der Gewerkschaft der Polizei (GdP). „Diese Software ist gefährlich und sie muss verboten werden.“ Der Gesetzgeber, so Husgen, müsse so schnell wie möglich aktiv werden. „Selbstverständlich bestehen die Befürchtungen, dass auch Daten unserer Kolleginnen und Kollegen abgeglichen, festgestellt und für Jedermann öffentlich gemacht werden. Ein Horror-Szenario, jedoch nicht nur für die Polizei.“

Ähnlich deutlich positioniert sich auch die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG). Es sei nicht akzeptabel, wenn private Unternehmen solche Software anböten.

Anfang des Jahres enthüllte die New York Times bereits die Machenschaften des US-Start-ups Clearview AI, das drei Milliarden Fotos gesammelt haben soll und seine Gesichtersuche an Polizeibehörden verkaufte. Der Fall PimEyes holt das Problem in die EU.

„Gemeinsam mit den Datenschutzbehörden müssen wir deshalb auf nationaler wie auf europäischer Ebene prüfen, ob die bisherigen gesetzlichen Regelungen, vor allem die Datenschutzgrundverordnung, ausreichend Schutz bieten und andernfalls auf europäischer Ebene gesetzgeberisch tätig werden“, sagt die SPD-Vorsitzende Esken.

Sie spricht damit ein elementares Problem an. Denn mit der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) hat die Europäische Union nach Ansicht von Datenschützer:innen längst verboten, was PimEyes getan hat. Darauf verweist auch Mathias Middelberg, innenpolitischer Sprecher der Union im Bundestag. Er sagt: „Software wie PimEyes darf nicht zum Sicherheitsrisiko für unsere Bürgerinnen und Bürger und unsere Polizei werden.“

Warum konnte PimEyes ungestört Fotos sammeln?

Dennoch hinderte die DSGVO PimEyes offenkundig nicht am Aufbau seiner Suchmaschine. Über Jahre hinweg schritt wohl niemand ein, während das Unternehmen sensible Daten hortete. „Da auch Bürgerinnen und Bürger sowie Polizeibeamte in Deutschland und Europa betroffen sein können, müssen auch der deutsche Datenschutzbeauftragte und die EU-Kommission auf die Einhaltung geltenden Rechts drängen“, so Middelberg. „Die polnische Datenschutzaufsicht muss nun dringend tätig werden.“

Bei unseren Recherchen hatten wir der polnischen Datenaufsicht Urzad Ochrony Danych Osobowych (UODO) schriftlich Fragen zu PimEyes gestellt. Sie antwortete jedoch erst, nachdem in der Folge unserer Veröffentlichung auch andere Medien wie DER SPIEGEL, der WDR und der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Polen über die Gesichter-Suchmaschine berichtet hatten.

In einer E-Mail räumt UODO ein, von dem Unternehmen zu wissen. Zu jenem Zeitpunkt hatte der deutsche Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber bereits eine Beschwerde der Linken-Politikerin Anke Domscheit-Berg übermittelt.

Bis heute verzichtet die Behörde jedoch darauf, tiefergehende Fragen zu dem Fall zu beantworten – etwa, ob ihr noch weitere Beschwerden über die Gesichter-Suchmaschine vorliegen. Es sei zu früh, um sich zu PimEyes und den eigenen Aktivitäten zu äußern.

Keine Überwachung im öffentlichen Raum

Deutsche Politiker:innen haben dagegen keine Zweifel daran, wie die öffentliche Gesichtersuche von PimEyes zu bewerten ist. FDP und Grüne fordern Konsequenzen. „Bürgerinnen und Bürger müssen sich auch im Internet auf den Schutz ihrer Privatsphäre verlassen können“, sagt Mario Brandenburg, technologiepolitischer Sprecher der FDP. Für Fälle, in denen gravierende Verstöße deutlich werden, wünscht er sich Schwerpunkt-Staatsanwaltschaften, die eine zügige Rechtsdurchsetzung ermöglichen sollen.

Konstantin von Notz, stellvertretender Vorsitzender der Grünenfraktion, sieht die Bundesregierung in der Pflicht, mit gutem Beispiel voranzugehen. Sie müsse eine klare Haltung zeigen und sicherstellen, dass biometrische Daten nicht gegen den Willen der Betroffenen erfasst und ausgewertet werden. „Dieser erneute Skandal muss für die Bundesregierung endlich Anlass genug sein, angesichts der potenziell schweren Grundrechtsverstöße ihre große Lust am Ausbau von totalitären hochgefährlichen Gesichtserkennungstechnologien im öffentlichen Raum zu überdenken“, so von Notz. Zu Beginn des Jahres hatte er sich bereits gegen den Einsatz von Gesichtserkennung durch Überwachungskameras an Bahnhöfen und Flughäfen ausgesprochen – ein Plan, den das Innenministerium inzwischen zurückgezogen hat.

Strengere Gesetze in Deutschland könnten zwar eine Signalwirkung haben, die Suchmaschine PimEyes zeigt aber auch, wie wenig sich die Technologie um Landesgrenzen kümmert. Wenig spricht dafür, dass sich das Problem auf Dauer ohne die EU lösen lässt.

Die europäische Lösung

Auch deutsche EU-Politiker:innen lehnen Gesichtserkennung zumindest teilweise ab. Darüber, wie das aussehen soll, herrscht jedoch Uneinigkeit.

„Meines Erachtens ist durch die Recherche zu PimEyes klar, dass diese Technologie auch in Europa bereits jetzt missbraucht wird“, sagt die Europaabgeordnete Alexandra Geese von den Grünen. Vor allem Frauen seien durch Stalker gefährdet, letztendlich gefährde die Technologie aber auch unsere Demokratie. „Wie können Menschen in Freiheit leben, wenn sie digital auf Schritt und Tritt überwacht werden können?“, fragt Geese. „Deswegen ist ein Moratorium das Minimum, das die EU-Kommission jetzt vorschlagen sollte, besser wäre ein Verbot.“

Auch der SPD-Europaabgeordnete Tiemo Wölken hofft auf Maßnahmen. „Ich finde, wir sind es dem Schutz unserer Demokratie, den Grundrechten der Europäerinnen und Europäer und unserer Freiheit schuldig, Gesichtserkennung jetzt sofort mit einem Moratorium in der EU zu untersagen und sehr sorgfältig die Vor- und Nachteile abzuwägen“, sagt er. Eine solche Entscheidung benötige mehrere Jahre Zeit. „Daher brauchen wir das Moratorium“, sagt Wölken, „und wir brauchen den Willen, am Ende auch ‚nein‘ zu dieser Technologie zu sagen“.

Warum die EU noch nicht mehr getan hat

In einem frühen Entwurf des Weißbuchs zur KI-Strategie der EU-Kommission aus dem Dezember war ein Moratorium, also eine zeitweilige Pause für den Einsatz der Technologie, bereits vorgeschlagen worden – für drei bis fünf Jahre. Die Passage wurde später gestrichen.

Gerade Sicherheitspolitiker:innen beharren auf dem angeblich enormen Nutzen, den Gesichtserkennung etwa bei Ermittlungen habe. Die Abgeordneten Geese und Wölken kennen dieses Argument. Sie fürchten auch die Lobby-Arbeit von Digitalkonzernen, die mit Gesichtserkennung viel Geld verdienen wollen.

Und dann ist da noch Axel Voss von der CDU. Er ist rechtspolitischer Sprecher der EVP, also der größten Fraktion des Europaparlaments, und Mitglied des Sonderausschusses für künstliche Intelligenz. Voss könnte in diesem Bereich viel bewegen, wenn er denn wollte. Im Januar sagte er in einer Sitzung des Rechtsausschusses allerdings wörtlich: „Ich kann nicht erkennen, was für einen Vorteil es bringt, wenn man einfach mal sagt, wir stoppen mal die Anwendung von Gesichtserkennung in Europa. Woanders geht es überall weiter.“

Nach den Enthüllungen zu PimEyes haben wir den CDU-Politiker gefragt, ob er an seiner Einschätzung festhält.

Voss will sofortige Regulierung von Gesichtserkennung

Voss gibt an, er sehe keinen Sinn darin, eine Entscheidung über die Regulierung der Technologie etwa per Moratorium aufzuschieben. „Wir wissen um die Gefährlichkeit von Gesichtserkennung und wir haben Vorstellungen davon, in welchen Bereichen sie sinnvoll eingesetzt werden kann. Warum also warten?“ Seiner Ansicht nach sei die Entwicklung dieser Systeme unaufhaltsam. Deshalb spricht er sich für eine sofortige Regulierung aus.

Den Sicherheitsbehörden möchte Voss den Einsatz von Gesichtserkennung nicht verbieten, in anderen Bereichen zeigt er sich gesprächsbereit. „Das lässt sich hinsichtlich der Technik nicht so pauschal einfach beantworten und muss mehr differenziert und fallbezogen begutachtet werden. Wenn es allerdings um Bilddatenbanken selbst geht, sind diese außerhalb der Sicherheitsbehörden eher nicht zu akzeptieren.“

Demnach hat die öffentlich zugängliche Gesichtersuchmaschine PimEyes auch für Axel Voss eine Grenze überschritten. Nur warum geschieht nichts?

Wir fragen Voss, was er tun werde, um zu verhindern, dass biometrische Daten von Menschen in Deutschland gegen deren Willen erfasst und ausgewertet werden. „Diese – für die sich technologisch rasant ändernden Umstände – notwendige Bereitschaft für flexiblere, permanente und schnellere Regulierung, beziehungsweise Gesetzgebungsverfahren kann ich leider zur Zeit weder bei anderen politischen Parteien noch in unseren behäbigen Strukturen erkennen. Im Übrigen wären die Datenschutzbehörden aller Ebenen gefordert.“

Wir haken nach: Ob das bedeute, Voss werde selbst nichts tun, um den Missbrauch durch Firmen wie PimEyes einzudämmen? „Nein“, teilt Axel Voss per E-Mail mit. Was er aber zu unternehmen gedenkt, geht aus seinen Aussagen nicht hervor.

PimEyes führt Suchabfragen per Webcam ein

Während zuständige Politiker:innen und Datenschützer:innen den Fall prüfen, ist die Suchmaschine weiterhin online und lässt sich kinderleicht missbrauchen. Die Betreiber von PimEyes beteuerten gegenüber netzpolitik.org, ihr Dienst sei unbedenklich, weil er nur nach Gesichtern suche und nicht die Namen der Gesuchten ermittle. Einen Konflikt mit der DSGVO sehen die Betreiber demnach nicht. Zudem dürften Nutzer:innen nur ihr eigenes Gesicht suchen.

Kurz nach Veröffentlichung unserer Recherchen haben die Betreiber die Website verändert, offenbar um den möglichen Missbrauch einzuschränken: Vor dem Absenden einer Suchanfrage müssen Nutzer:innen zusätzlich per Mausklick versichern, dass sie selbst auf dem gesuchten Bild zu sehen sind.

Neu ist außerdem, dass PimEyes inzwischen nur noch Suchanfragen via Webcam erlaubt. Wer also ein fremdes Gesicht über PimEyes suchen möchte, kann jetzt nicht mehr wie zuvor einfach ein fremdes Foto aus dem Internet hochladen. Die Betreiber von PimEyes nennen das einen „wirksamen Schutz der Privatsphäre“ und erläutern: „Wir schützen das Recht des Einzelnen auf Privatsphäre“. Doch von „wirksam“ kann keine Rede sein. Wer trotzdem ein fremdes Gesicht suchen möchte, öffnet einfach ein beliebiges Foto auf dem Smartphone und hält es vor die Webcam.

Das erwähnte „Recht auf Privatsphäre“ scheint bei PimEyes auch nicht für jeden gleichermaßen zu gelten. Die Suchabfrage per Webcam erscheint nämlich nur, wenn Nutzer:innen die Suchmaschine mit einer IP-Adresse innerhalb der EU ansteuern. Wer seinen Standort mithilfe von VPN-Software verschleiert oder sich außerhalb der EU befindet, kann fremde Gesichter auf PimEyes weiterhin ohne irgendein Hindernis suchen und finden; das gilt übrigens auch für die Schweiz und Norwegen. In den Suchergebnissen tauchen weiterhin Menschen aus Deutschland auf.

PimEyes wirbt weiterhin mit massenhaften Suchabfragen

Wie oberflächlich die Änderungen bei PimEyes sind, zeigt ein Blick in die Features für zahlende Kund:innen. Dort hat sich nämlich kaum etwas verändert, auch innerhalb der EU. Weiterhin können Premium-Nutzer:innen für mehrere Gesichter automatische Benachrichtigungen einrichten, sobald neue Treffer in der Datenbank erscheinen. Nach wie vor locken die Betreiber mit besonderen Rabatten, wenn Entwickler:innen automatisierte Suchabfragen in Millionenhöhe durchführen wollen. Vom „wirksamen Schutz der Privatsphäre“ ist an dieser Stelle keine Rede mehr.

Der Widerstand der großen Social-Media-Plattformen hat offenbar Wirkung gezeigt: Da PimEyes auch Inhalte von Instagram und YouTube erfasst hat, haben die Konzerne rechtliche Schritte eingeleitet – wohl mit Erfolg. Konnten wir vor wenigen Wochen noch Fotos von Instagram, YouTube, Twitter und TikTok bei PimEyes aufspüren, ergeben entsprechende Suchanfragen inzwischen keine solchen Treffer mehr.

Weiterhin auffindbar sind aber Suchergebnisse von Pornoseiten, unter anderem von Deutschlands meistbesuchter Pornoseite xHamster. Das ist unter anderem eine Gefahr für Menschen, deren Nacktaufnahmen ohne ihr Einverständnis verbreitet wurden. Sie können durch PimEyes weiterhin bloßgestellt werden. Außerdem lässt sich mithilfe von PimEyes möglicherweise die Identität von Pornodarsteller:innen und Sexarbeiter:innen entlarven.

Bereits Anfang Juli hatte xHamster auf Anfrage von netzpolitik.org bestätigt: Es verstoße gegen die Nutzungsbedingungen, wenn Inhalte der Plattform bei PimEyes auftauchten. Ein Sprecher der Firma schreibt, er verstehe, dass eine Suchmaschine wie PimEyes ein „unglaubliches Risiko“ bedeuten könne. „Wer in der Pornobranche arbeitet, ist bereits mit Diskriminierung konfrontiert“, schreibt der Sprecher, unter anderem „bei der Wohnungssuche, beim Banking, durch Gesetze und in der Gesellschaft allgemein“.

Im Gegensatz zu Instagram und YouTube hat xHamster aber noch keine Unterlassungserklärung an PimEyes geschickt. Warum nicht? „Wir wussten nichts von dem Erfolg der anderen Plattformen“, schreibt der xHamster-Sprecher Wochen später auf unsere erneute Nachfrage. Aber die Rechtsabteilung arbeite daran.

Dabei wäre Widerstand offenbar das einzige, was bei PimEyes Änderungen bewirkt. Am 13. Juli hat Tiemo Wölken der EU-Kommission eine parlamentarische Anfrage zu einem Moratorium gegen Gesichtserkennung gestellt. Die Antwort steht noch aus.

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10 Ergänzungen

  1. Danke für diesen Bericht! Auch wenn die Umstände natürlich traurig sind, so „freue“ ich dennoch, dass immer mehr Menschen langsam aber endlich Abstand nehmen von dem so lange kolportierten Märchen des sogenannten Datenschutzes und der Illusion nach informationeller Selbstbestimmung.
    Ende 2017/Anfang 2018 – also schon vor Clearview, pimeyes und DSGVO – wurde mir aus dem Bekanntenkreis der Vorwurf gemacht, dass ich mit meiner privaten Google Fotos Cloud (mit Hunderttausenden Bildern und tausenden Gesichtern inkl. Gesichtserkennung, verbunden mit Name, Standort und Zeitstempel) eine persönliche Überwachungsdatenbank betreiben würde und sozusagen ein IM (Inoffizieler Mitarbeiter) einer Google-Stasi sei, welcher mit diesem Handeln ebenfalls Wegbereiter einder digital-autoritären Überwachungsdiktatur sei.
    Diesen Vorwurf wollte ich so nicht stehen lassen und bat die enstprechenden Datenschutzbehörden (vor Ort, Hamburg und Bund) um Beratung. Diese verweigerten mir eine valide Auskunft, obschon sie mir zu verstehen gaben, dass es sich hierbei um ein heikles und dementsprechend unangenehmes Thema handelt.
    Dieses Lavieren und Wegducken konnte ich nicht auf mir sitzen lasssen, weshalb ich (nach Rücksprache mit meinem „Verbindungsoffizier“ vom Google-Support, zwecks Absicherung) eine Selbstanzeige (an Polizei, Staatsanwaltschaft und DS-Behörden) gegen mich richtete, um eine rechtliche Klärung zu erzwingen. Und siehe da. Man hatte zwar große Not und Mühe bloß kein Unrecht zu erkennen und letztendlich wurde mir bescheinigt, dass alles in Ordnung sei: Meine private Gesichtsüberwachungsdatenbank handele nicht in böser Absicht, sie handele nicht in Gewinnerzielungsabsicht, da es sich um meine „privaten“ Fotos in meinem privaten Google Cloud Account handele unterfalle das Ganze der Haushaltsausnahme (Abbildung fremder Personen und explizit ohne deren Einwilligung hin oder her) gem. Art 2 DSGVO und wenn die abgebildeten Personen trotzdem ein Problem damit hätten, handele es sich zudem um ein Antragsdelikt.
    Ich fand sogar einige Bekannte, die großen Anstoß an meiner Google Fotos Datenbank nahmen und nehmen; aber mangels Aussicht auf Erfolg unterließen sie weitere Schritte.

    1. Das ist ja der Witz an der DSGVO: Viele der wirklich problematischen Verarbeitungen finden im privaten Kreis statt, und genau dafür gibt die DSGVO den Betroffenen keine Handhabe. Der Großteil der Verarbeitungen von Firmen sind hingegen völlig unproblematisch, und genau dort hat die DSGVO einen ungeheuren Dokumentationsaufwand erzeugt.

      Bei der Formulierung der DSGVO ist einfach viel zu wenig nachgedacht worden. Das ganze Werk entsprang letztlich einem einzigen mächtigen Impuls: Man wollte endlich einen Hebel gegen die großen amerikanischen Anbieter haben. Denen ist die DSGVO im Fall der Fälle allerdings herzlich egal, da Datenschutzkonflikte letztlich sowieso Spielball politischer und wirtschaftlicher Entwicklungen zwischen der EU und den USA sind.

      1. Exakt das ist der Punkt! Deshalb finde ich diese Scheindebatten um diverse Datenschutz-Skandale von Google, Facebook & Co. nur noch müßig; lenken sie doch von der eigentlichen Problematik ab, nämlich den Umgang des Einzelnen mit den Daten unbescholtener Dritter im Verhältnis zu den Datenkonzernen. Resigniert habe ich festgestellt, dass – die Politik sowieso nicht – aber insbesondere auch Netzaktivist*innen dieses Thema nur ungerne problematisieren, weil es doch zu sehr an dem geliebten und selbst gepflegten Narrativ vom Datenschutz, sozusagen dem heiligem Gral des Grundrechtes der informationellen Selbstbestimmung kratzt, welches bisweilen wie eine Religion verehrt und propagiert wird.
        Okay, nichts gegen echten Datenschutz an sich – nicht dass wir uns da falsch verstehen. Aber diese vermeintlichen Pseudo-Datenschutzregeln à la DSGVO usw., sind doch nur in Paragrafen gegossene Rechtsanachronismen, welche die Illusion aufrecht erhalten sollen, dass unsere analogen Nationalstaaten (also zumindest jene der freien Welt) ihren Bürger*innen noch irgendeinen (Daten-)Rechtsschutz im Verhältnis zu globalen Datenkraken angedeihen lassen … wollen … würden; wenn sie denn überhaupt ein durchsetzbares Gewaltmonopol innerhalb dieser digitalen Lebenswirklichkeit ihrer Bürger*innen hätten.
        Nachdem ich Kontakt mit Google One aufnahm, um diese darauf hinzuweisen, dass ich gegen deren AGB verstieß, indem ich sämtliche Fotos fremder Personen explizit ohne deren Einwilligung in die Google Cloud hochlud, amüsierte man sich dort köstlich. Selten habe ich soviel Staatsverachtung erlebt. Als ich dann von meinem Vorhaben einer Strafanzeige (wegen missbräuchlicher Weitergabe von Bildern/Gesichtern, Klarnamen, Email-Adressen, Handynr., usw. unbescholtener Personen an Google nebst der dortigen Verarbeitung dieser – wie ich meine – personenbezogenen Daten) gegen mich selbst erzählte, bestätigte mir der Support von Google, nach Rücksprache mit deren Rechtsabteilung, dass „everything fine“ ist und ich juristisch nichts zu befürchten habe. Und siehe da – sie behielten recht! Datenschutzbehörden und Staatsanwaltschaft sahen es genauso. Soviel zu dem Thema/Märchen vom Datenschutz.

  2. Ich finde es ironisch wenn ich daran denke, dass immer mehr Videoüberwachung gefordert wird, welche sogar auch Menschen identifizieren soll oder bei Demonstrationen sämtliches Videomaterial ausgewertet werden soll, um ja jeden Teilnehmer zu finden.

    Kaum richtet sich diese Technik gegen die Polizei hört man auch aus dieser Ecke Ablehnung.
    Dabei finde ich es bei der Polizei gerade wichtiger, Beamte identifizieren zu können, aber ich bin auch selbst kein Polizist, also nicht betroffen.

    1. „Wer bewacht die Wächter?“
      Es geht allein um Macht. Wer die Kontrolle hat will nicht kontrolliert werden.
      Da Herr Voss sich zu Wort meldete nehme ich an, dass es am Ende einen neuen Paragrafen im Strafgesetz geben soll, inklusive Strafverschärfung, wenn man Amtspersonen wie Polizisten „widerrechtlich per Algorithmen identifiziert“. Der Polizei soll selbiges aber ohne weitere Auflagen gestattet werden.

      Die Auswirkungen dieser Denkweise sieht man gerade in Hessen ganz gut, wo das „NSU2.0 Drohschreiben“-Ermittlungsverfahren gegen Polizisten über Jahre verschleppt wurde und am Ende wohl wirkungs- und ergebnislos vor Gericht verpuffen wird. Hausdurchsuchungen gab es bis zu letzt keine! (Und das in einem Bundesland, wo sonst schon 2g Canabis ausreichen um eine Studenten-WG zu stürmen.)

  3. Dass jetzt gerade der Herr Voss sich hier zu Wort meldet lässt bei mir alle Alarmglocken schrillen.
    Es soll doch nur Verboten werden, damit die Polizei aus einer „Monopolstellung“ heraus handeln kann. „Schutz“ gibt es nach konservativer Weltanschauung nur im Austausch gegen Überwachung (siehe Großbritannien, wo Opfer von bestimmten Straftaten zuallererst ihr eigenes Handy zur Kontrolle abgeben müssen, sonst wird gar nicht weiter Ermittelt; wurde ja auch hier berichtet: https://netzpolitik.org/2020/england-polizei-handyauswertung-untersuchung/).

  4. „Zudem verlangen nach unserer Veröffentlichung zum Missbrauchspotenzial der Suchmaschine PimEyes auch die beiden großen Polizei-Gewerkschaften ein Verbot, da sie Polizist:innen identifizieren könnte.“

    Das ist ja süß – wenn man selber solche Technik einsetzt, ist das völlig ok. Aber wehe, man steht plötzlich am anderen Ende der Gesichtserkennung – dann geht sowas natürlich gar nicht! Aber Axel Voss ist ja schon zur Stelle, dann kann nichts mehr anbrennen.

    Das einmal nur ganz unabhängig davon, wie man PimEyes bewertet.

  5. Exakt das ist der Punkt! Deshalb finde ich diese Scheindebatten um diverse Datenschutz-Skandale von Google, Facebook & Co. nur noch müßig; lenken sie doch von der eigentlichen Problematik ab, nämlich den Umgang des Einzelnen mit den Daten unbescholtener Dritter im Verhältnis zu den Datenkonzernen. Resigniert habe ich festgestellt, dass – die Politik sowieso nicht – aber insbesondere auch Netzaktivist*innen dieses Thema nur ungerne problematisieren, weil es doch zu sehr an dem geliebten und selbst gepflegten Narrativ vom Datenschutz, sozusagen dem heiligem Gral des Grundrechtes der informationellen Selbstbestimmung kratzt, welches bisweilen wie eine Religion verehrt und propagiert wird.
    Okay, nichts gegen echten Datenschutz an sich – nicht dass wir uns da falsch verstehen. Aber diese vermeintlichen Pseudo-Datenschutzregeln à la DSGVO usw., sind doch nur in Paragrafen gegossene Rechtsanachronismen, welche die Illusion aufrecht erhalten sollen, dass unsere analogen Nationalstaaten (also zumindest jene der freien Welt) ihren Bürger*innen noch irgendeinen (Daten-)Rechtsschutz im Verhältnis zu globalen Datenkraken angedeihen lassen … wollen … würden; wenn sie denn überhaupt ein durchsetzbares Gewaltmonopol innerhalb dieser digitalen Lebenswirklichkeit ihrer Bürger*innen hätten.
    Nachdem ich Kontakt mit Google One aufnahm, um diese darauf hinzuweisen, dass ich gegen deren AGB verstieß, indem ich sämtliche Fotos fremder Personen explizit ohne deren Einwilligung in die Google Cloud hochlud, amüsierte man sich dort köstlich. Selten habe ich soviel Staatsverachtung erlebt. Als ich dann von meinem Vorhaben einer Strafanzeige (wegen missbräuchlicher Weitergabe von Bildern/Gesichtern, Klarnamen, Email-Adressen, Handynr., usw. unbescholtener Personen an Google nebst der dortigen Verarbeitung dieser – wie ich meine – personenbezogenen Daten) gegen mich selbst erzählte, bestätigte mir der Support von Google, nach Rücksprache mit deren Rechtsabteilung, dass „everything fine“ ist und ich juristisch nichts zu befürchten habe. Und siehe da – sie behielten recht! Datenschutzbehörden und Staatsanwaltschaft sahen es genauso. Soviel zu dem Thema/Märchen vom Datenschutz.

  6. Die Webcam kann in der EU auch ohne VPN ganz einfach ausgetrickst werden:

    Einfach ein Streaming-Programm wie OBS Studio den eigenen Bildschirmausschnitt mit dem gewünschten Foto aufnehmen lassen und das als WebCam-Signal an den Browser schicken. Ist meines Erachtens einfacher, als ein Handy vor die Kamera zu halten, und funktioniert einwandfrei ;)

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.