Demo Day des Prototype FundMit Open Source in eine nachhaltige Gesellschaft

Wie können Aktivist:innen sich vor staatlicher Repression besser schützen und wie kommt man mit einem Rollstuhl problemlos durch die Stadt? Tüftler:innen haben Antworten auf diese und andere Fragen gefunden und sie vergangene Woche in Berlin präsentiert. Der Prototype Fund hat die Projekte gefördert und die Vorstellung ausgerichtet. Wir waren da und stellen euch zwei spannende Ideen vor.

Eine Nahaufnahme mehrerer aus Pappe ausgeschnittener Zahnräder in verschiedenen Grüntönen.
Mit vielen guten Ideen das System verändern (Symbolbild). CC-BY-NC-ND 2.0 Artfulblogger

„Liebe Entwickler:innen, ihr hättet uns ruhig mal vorwarnen können, dass es keine gute Idee ist, ein System erst dann zu updaten, wenn es schon kaputt ist!“ Mit diesen Worten stimmt Juliane Krüger vom Bündnis „Bits und Bäume“ die Gäste beim sechsten Demo Day des Prototype Fund auf den Tag ein. Sie meint das halb als Witz und halb ernst, denn das Motto des Tages lautet „Commit – System erneuern“. 16 Open-Source-Projekte stellen sich vor, die fast alle eine kreative Lösung für ein Nachhaltigkeitsproblem anbieten.

Der Prototype Fund fördert „Public Interest Tech“, also Technologie, die das Zusammenleben verbessern will und – ganz wichtig – quelloffen ist. Jedes Jahr unterstützt er in zwei sechsmonatigen Förderrunden Hacker:innen, Datenjournalist:innen und andere kreative Software-Entwickler:nnen mit einer Anschubförderung dabei, gute Ideen in Prototypen zu verwandeln.

Jede Runde endet mit einer Vorstellung der entwickelten Prototypen, dem Demo Day. Die sechste Ausgabe fand vergangene Woche in Berlin statt.

Wege durch die Stadt für alle

Wie viele der Prototypen ist auch das Projekt mit dem langen Namen „Mulitmodale Routing Engine für Rollstuhlfahrer:innen und Fahrradlogistiker:innen“ aus einem Bedürfnis seiner Gründer heraus entstanden.

Zwei von ihnen, Sebastian Tilsch und Johannes Loetzsch, waren mal Fahrradkuriere, der Dritte im Team, Joerg Zeltner, ist auf einen Rollstuhl angewiesen. Sie verbindet das Herumärgern mit für sie unpassierbaren Routen, die Kartendienste ihnen vorschlagen.

Stattdessen wollen sie ein Routing, das sich an ganz spezielle Bedürfnisse anpassen lässt. Ihr Tool ermöglicht Kartendiensten, ihr Angebot so zu erweitern, dass Nutzer:innen individuelle Details angeben können. Dazu gehören Infos wie „Ich kann zwei Treppenstufen selbstständig gehen“ oder „Ich fahre ein Lastenrad mit Anhänger“. Das Tool schlägt dann mehrere verschiedene Routen vor und zeigt an, wo sich potenzielle Hindernisse verstecken, wie zum Beispiel defekte Aufzüge.

Besserer Selbstschutz für kritische Stimmen

Demokratie braucht Protest, Opposition und kritische Berichterstattung, aber häufig stehen Journalist:innen, Aktivist:innen und in vielen Ländern auch Oppositionspolitiker:innen unter aufmerksamer Beobachtung von staatlicher Seite. Damit sie sich davor selbst besser schützen können, ist es eine gute Idee, wenn sie ihre Festplatten verschlüsseln.

Vor dem Hochfahren des Computers müssen Nutzer:innen ein Passwort eingeben, das nur sie selbst kennen. Die meisten Leute schalten ihren Laptop aber selten wirklich aus, sondern klappen ihn nur zu, der Schutz der Festplatte wird dann, zumindest bei Linux-Systemen, nicht aktiviert. Wird eine Person, die aus politischen Gründen Wert darauf legt, dass niemand an die Daten auf ihrer Festplatte kommt, jetzt zum Beispiel unterwegs an einer Landesgrenze kontrolliert, ist sie dadurch verwundbar.

Dagegen wollen Tim und Jonas von „Close lid to encrypt“ (zu Deutsch: „Deckel zum Verschlüsseln schließen“) etwas unternehmen. Die beiden entwickeln eine Linux-Erweiterung, die die Festplattenverschlüsselung auch im Schlafmodus aktiviert und so einen besseren Schutz vor unliebsamen Eingriffen bietet.

Was nach vielen spannenden Gesprächen auf dem Demo Day vor allem hängen bleibt: Ja, es gibt viele Baustellen. Aber diese sind keine unüberwindbaren Hindernisse und mit ein bisschen Geschick, kreativen Einfällen und einer Starthilfe kann aus ihnen eine echte Verbesserung entstehen.

Juliane Krüger hat schon recht, wenn sie sagt, Entwickler:innen hätten sich ruhig mal früher zu Wort melden und auf Systemfehler aufmerksam machen können. Denn wenn man ihnen zusieht, bekommt man richtig Lust darauf, das System zu erneuern.

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Eine Ergänzung

  1. „Juliane Krüger hat schon recht, wenn sie sagt, Entwickler:innen hätten sich ruhig mal früher zu Wort melden und auf Systemfehler aufmerksam machen können.“
    Natürlich sind mal wieder die Informatiker Schuld wer auch sonst der ‚unwissende‘ Nutzer kann ja nix dafür… wenn ich mich mal etwas aus dem Fenster lehnen darf würde ich sagen das eine Jahrelange ‚Kultur‘ der Kritik Verachtung dazu geführt hat das Entwickler immer mehr das machen was man ihnen sagt und weniger eigene Vorschläge/Verbesserungen machen nicht zuletzt um die viel zu knapp kalkulierten Deadlines zu halten.
    „Denn wenn man ihnen zusieht, bekommt man richtig Lust darauf, das System zu erneuern.“
    Ja warum fängst ‚du‘ dann nicht Gleich an und ‚erneuerst‘ das System ach warte du bist auf die völlig überlasteten, unterbezahlten Überstunden machenden Informatiker dafür angewiesen.

    Ich möchte ja nicht unterstellen das hier jemand eine Kritik und Vorschläge verachtende Gesellschaft bestärkt hat aber wer dabei schweigt ist halt auch nicht Ganz unschuldig wenn ein Feature so implementiert wird wie es zwar gewollt ist aber am Ende in dieser Engstirnigen art kaum einen Nutzen hat oder Nutzer unfreundlich ist. ¯\_(ツ)_/¯

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