Was vom Tage übrig bliebFristen, Fraunhofer und Frauenverachtung

Diskriminierung per Algorithmus in Österreich wird nun auf 2021 verschoben. Videoüberwachung in Mannheim war eh nie diskriminierend, Ehrenwort der Entwickler:innen. Und im Fall Künast hat die Polizei die erste Wohnung eines mutmaßlichen Täters durchsucht. Die besten Reste des Tages.

Triumphbogen
Die Echsenmenschen wollten, das wir heute dieses Bild nehmen. Keine Ahnung warum. CC-BY 4.0 netzpolitik.org

AMS-Algorithmus kommt doch erst 2021 (Kurier)
Oh, wie schade, rufen Österreicher:innen nun sicher wie aus einer Kehle. Die Einführung eines Algorithmus, der Arbeitslose in Kategorien einteilt und ihnen entsprechend Fördermittel zuweist, verschiebt sich um ein weiteres Jahr, auf 2021, das gaben die Arbeitsmarktservices (AMS) in Österreich bekannt. Grund: Die Mitarbeiter:innen der AMS – das Äquivalent zum deutschen Arbeitsamt –, denen das System bei der Entscheidungsfindung assistieren soll, können derzeit nicht geschult werden, Corona, Sie wissen schon. Das System verteilt Punkte je nach Chancen am Arbeitsmarkt und zieht Frauen, Müttern mit Betreuungspflichten, EU-Ausländer:innen und Menschen mit Behinderungen automatisch Punkte ab. Damit diskriminiert das System offen diese Personen, die Mathematikerin Paola Lopez bezeichnet es auch als „Diskriminierungs-Barometer“. Eine Regel, die die Einführung verbieten würde, gibt es in der EU aber derzeit trotzdem nicht.

Unchecked use of computer vision by police carries high risks of discrimination (AlgorithmWatch)
Überhaupt gar nicht diskriminierend könne die Überwachungssoftware in Mannheim sein, erklärte der Hersteller, das Fraunhofer-Institut für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung (IOSB), gegenüber AlgorithmWatch. Denn die Software, die seit August 2019 für die Polizei Teile der Mannheimer Innenstadt automatisch überwacht, beruhe auf einer dreidimensionalen Modellierung von Körperformen und analysiere Bewegungen statt Bildern, weshalb die Hautfarbe beispielsweise irrelevant sei. Na, dann sind wir ja beruhigt und mehr Infos zum Trainingsdatensatz und dessen Vielfalt oder etwa Audits braucht es nicht – wäre auch doof, denn die gibt es gar nicht. Ironie off.

Nach Urteil des Kammergerichts im Fall Künast: Hausdurchsuchung bei mutmaßlichem Täter offenbart Frauenverachtung und Kinderpornographie (HateAid)
Im Fall Künast vs. Hasskommentatoren im Netz kommt es jetzt zur ersten sehr analogen Konsequenz für einen der mutmaßlichen Beleidiger:innen: Mitte April wurde die erste Wohnung eines der mutmaßlichen Täter durchsucht, das gibt die Organisation Hate Aid bekannt, die Künast im Verfahren unterstützt. Neben weiteren Hasskommentaren sollen Beamt:innen auch zahlreiche Dateien mit Verdacht auf kinderpornographische Inhalte auf den Geräten gefunden haben. Eine interessante Wendung, hat der mutmaßliche Täter Künast auf Facebook doch dafür beleidigt, dass sie angeblich Kinderpornografie befürworte. *Kopfkratz*

Jeden Tag bleiben im Chat der Redaktion zahlreiche Links und Themen liegen. Doch die sind viel zu spannend, um sie nicht zu teilen. Deswegen gibt es jetzt die Rubrik „Was vom Tage übrig blieb“, in der die Redakteurinnen und Redakteure gemeinschaftlich solche Links kuratieren und sie unter der Woche um 18 Uhr samt einem aktuellen Ausblick aus unserem Büro veröffentlichen. Wir freuen uns über weitere spannende Links und kurze Beschreibungen der verlinkten Inhalte, die ihr unter dieser Sammlung ergänzen könnt.

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2 Ergänzungen

  1. Und da gab es noch einen Netzpolitik-Event, der nicht verschwiegen werden sollte.
    Heute lief das Zertifikat für netzpolitik.org aus, ohne dies rechtzeitig zu erneuern.

    Das hatte zur Folge, dass netzpolitik.org vorübergehend für ein paar Stunden nicht erreichbar war.

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