Covid-19China setzt im Kampf gegen das Virus auf Farbcodes

Die chinesische Regierung hofft im Kampf gegen das Corona-Virus auf eine neue App-Funktion, die Menschen einer Kategorie zuordnet – grün, gelb, oder rot. Diese bestimmt darüber, ob und wie sich Betroffene im öffentlichen Raum bewegen können.

Person, die vor einem Bildschirm sitzt. Im Bildschirm sind viele QR Codes zu sehen.
In einigen Regionen Chinas bestimmen QR-Codes jetzt über den Alltag. CC-BY-NC 2.0 Daniele Devoti

Die chinesische Regierung steht unter Druck. Die verlängerten Ferien anlässlich des neuen Mondjahres gehen zu Ende und Millionen Chines:innen beginnen wieder mit der Arbeit. Zudem sind die Prognosen für das jährliche Wirtschaftswachstum historisch schlecht. Die Kommunistische Partei setzt deshalb auf eine neue, datenbasierte Software, um wenigstens für einige Bürger:innen normalen (Arbeits-)Alltag möglich zu machen.

Die Anwendung weist Bürger:innen dreier stark betroffener Provinzen Farbcodes zu – grün, gelb oder rot. Sie bestimmen, ob sie etwa Zugang zu U-Bahn-Stationen erhalten oder zuhause bleiben müssen. Doch auf der sozialen Plattform Weibo – einer chinesischen Plattform, die Twitter stark ähnelt – mehren sich Stimmen von Betroffenen, die offenbar ohne ersichtlichen Anlass einen roten Code zugewiesen bekommen haben – und deshalb gezwungen sind, zuhause zu bleiben.

Grün, gelb oder rot? So funktionieren die Farbcodes

Der sogenannte Alipay-Gesundheitscode ist das Ergebnis einer Kooperation zwischen chinesischen Sicherheitsbehörden und dem Unternehmen Ant Financial, einer Schwester der chinesischen Online-Handelsplattform Alibaba. Das System ist nahtlos in die in China weit verbreitete Bezahl-App Alipay integriert.

Nutzer:innen melden sich mit ihren persönlichen Daten an und erhalten automatisch einen QR-Code in einer der drei Farben zugeteilt. Ein grüner bringt keine Einschränkungen mit sich, ein gelber kann bis zu sieben Tage Hausarrest bedeuten, während ein roter Code eine zweiwöchige Quarantäne nach sich zieht.

Nachdem das System zuerst in der östlichen Stadt Hangzhou im Osten Chinas eingeführt wurde, gilt es jetzt in drei Provinzen – Zhejiang, Sichuan und Hainan. Fast 180 Millionen Menschen leben dort. Nach einem Bericht der Zeitung South China Morning Post ist es erklärtes Ziel der Behörden, das System auf das ganze Land auszudehnen.

Die App sammelt und generiert Daten

Unklar bleibt allerdings, auf welchen Informationen die Zuordnung zu den Risikogruppen basiert. Der stellvertretende Chef der kommunistischen Partei in Hangzhou sagte der South China Morning Post, die Bewertung setze sich aus individuellen Angaben zur Gesundheit zusammen sowie Informationen über kürzlich unternommene Reisen und enge Kontaktpersonen.

Die New York Times berichtet jedoch, die Anwendung generiere auch zusätzliche Daten. Sobald Nutzer:innen den Zugriff auf ihren Standort freischalten, wird dieser demnach gemeinsam mit einer persönlichen Identifikationsnummer an die Polizei übertragen. Zudem werde auch jeder Scan des individuellen QR-Codes – beispielsweise beim Betreten eines öffentlichen Gebäudes – an Server übertragen. So ließen sich detaillierte persönliche Bewegungsprofile erstellen.

In den sozialen Medien mehren sich Beschwerden

Auf Weibo mehrt sich Kritik an dem System. Nutzer:innen beklagen sich hier über intransparente und fehlerhafte Risikobewertungen. Die Unsicherheit nährt Spekulationen darüber, welche Datenquellen wirklich für die Bewertung angezapft werden. Uny Cao aus Hangzhou sagte dem Blog TechNode:

Vor einigen Tagen wurde ein neuer Fall im Norden der Stadt bekannt. Es verbreitete sich das Gerücht, dass der eigene Code heruntergestuft werden könnte, wenn man ein Leihfahrrad genutzt hat. Darum habe ich für den Fall, dass auch hier ein Krankheitsfall entdeckt wird, für einige Tage darauf verzichtet, das Angebot solcher Firmen zu nutzen.

Andere Nutzer:innen konnten nach dem chinesischen Neujahrsfest offenbar nicht nach Hause zurückkehren, weil sie – teils aus für sie unerfindlichen Gründen – als potenzielle Quarantänefälle eingestuft wurden.

Und doch sagte Christos Lynteris, Anthropologe an der Universität St. Andrews, der South China Morning Post, dass „dieses öffentliche Spektakel, um den Einsatz digitaler Technologie eine Art öffentliche Zustimmung schafft, die vor Ort dringend benötigt wird. Die Technologie gibt der Öffentlichkeit die Gewissheit, dass die Epidemie gelöst werden wird.“

Deutschland ist von Farbcodes weit entfernt

Nach Angaben des Robert-Koch-Instituts ist die Gefahr, die von dem Virus in Deutschland ausgeht, als mäßig einzuschätzen. Gegenüber dem Tagesspiegel sagte Osamah Hamouda, Abteilungsleiter für Infektionsepidemiologie, es werde in Deutschland „nicht annähernd möglich sein, Maßnahmen wie in China durchzuführen“. Der Virus könne wohl effektiv eingedämmt werden, wenn die ganze Welt wie China wäre. Aber dies sei nicht so – auch aus sinnvollen nicht-epidemiologischen Gründen.

Als Worst-Case-Szenario hat Bundesinnenminister Horst Seehofer trotzdem schon angekündigt, dass ganze Städte oder Regionen auch in Deutschland abgesperrt werden könnten. Und doch: Von einer verpflichtenden Authentifizierung, die im automatischen Austausch mit den Sicherheitsbehörden steht, ist Deutschland wohl noch weit entfernt.

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7 Ergänzungen

  1. Wenigstens macht China etwas um die Verbreitung eines gefährlichen Virus einzudämmen während unsere Behörden da mit Planlosigkeit glänzen. Ich denke das es nicht schaden kann im Katastrophenfalle auch digitale Technologien einzusetzen um Seuchen einzudämmen.

    Auch vor dem Hintergrund das es eines Tages möglicherweise eine Pandemie mit einem Virus geben könnte welcher über eine deutlich höhere Todesrate als „nur“ die 2-3% des Corona Viruses verfügt. Hier könnte es sich dann als Fatal erweisen wenn das Land so schlecht wie jetzt darauf vorbereitet ist.

    1. So wie Sie schreiben, sind Sie sicher alles andere als antifaschistisch…^^

      Im Übrigen: Ein Virus welches „mehr“ und „schneller“ tödlich ist, kann sich erst gar nicht so sehr ausbreiten. Das ist ja gerade das gefährliche am Coronavirus, dass es viele Menschen gibt, die komplett symptomfrei oder maximal Erkältungssymptome zeigen…

      ups, ist es dann überhaupt gefährlich? :D

      1. 1. Aussage: Zustimmung
        2. Aussage: Zustimmung
        3. Aussage: Doch. Nur weil die große Mehrheit nicht dran sterben wird oder vielleicht nicht einmal Symptome entwickeln wird, ist dieses Virus immer noch hochgefährlich für Menschen, die durch andere Krankheiten geschwächt sind oder die per se ein geschwächtes Immunsystem haben. Ihr einziger Schutz besteht darin, dass sich das Virus in der Bevölkerung nicht verbreitet.

  2. Dass die Daten der App derart schlecht und ungenau sind, zeigt vor allem eins: Es geht hier gar nicht primär darum, das Virus einzudämmen. Das ist wohl eher ein Vorwand, um erstens weitere Daten für die politische Unterdrückung der Bevölkerung zu zusammen und zweitens um sie mittels des Farbcodes auch wirksam durchsetzen zu können.

    Es wäre töricht zu glauben, dass diese Form der Massenüberwachung nach dem Sieg über das Virus abgeschafft wird. Seit ich mit China zu tun habe, wurden Sicherheits- und Überwachungsmassnahmen immer temporär eingeführt und dann nie wieder aufgegeben.

  3. Taiwan hat gezeigt, dass man die Verbreitung des Virus eindämmen kann und dabei das Vertrauen der Bevölkerung in die Behörden sogar zunehmen kann.
    Bausteine sind u.a.:
    – Transparenz
    – sehr gutes Gesundheitssystem
    – sehr gute Vorbereitung (nicht zuletzt weil man aus der SARS-Epidemie gelernt hat)
    – konsequente Verfolgung der Infektionsketten
    – nicht auf die anfänglichen Beschwichtigungen der WHO hören (von der Taiwan ohnehin ausgeschlossen ist)

    Mehr dazu findet sich in diversen Artikeln, die in diesem Twitter-Thread geteilt werden:
    https://twitter.com/royngerng/status/1235359634740760578

  4. hi,

    danke für die spannenden Infos! Eine kleine Frage: gibt es Informationen dazu, ob die Risikogruppen mit anderen Gruppen-bezogenen Merkmalen (Status, Ethnie, Geschlecht, Wohnort, Alter, Milieu usw.) korrelieren? Wenn ja: warum? Spannend: Nutzung Leihrad/ Risiko-Zuordnung, auch spannend: Inkasso-Verfahren/ Wohnsitz/ Risiko-Zuordnung.

    An wen wendet man sich mit Fragen?

    Viele Grüße
    p

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.