NetzwerkdurchsetzungsgesetzBundestag entscheidet über umstrittenes Gesetz gegen Hasskriminalität

Soziale Netzwerke sollen in Zukunft manche potenziell strafbaren Inhalte direkt ans BKA melden. Das ist einer der Hauptstreitpunkte in einem Gesetz, das nun im Bundestag beschlossen werden soll. Dabei gibt es einen Vorschlag, der die Bedenken verringern könnte.

Verschimmeltes Brot mit kleinen Figuren als Gitfmüll inszeniert
Soziale Netzwerke können sich manchmal genauso toxisch anfühlen wie Giftmülldeponien. (Symbolbild) CC-BY 2.0 HaPe_Gera

Der Bundestag will am heutigen Donnerstag ein Gesetz zur besseren Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität beschließen. Der Entwurf sieht eine Reform des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes (NetzDG) vor, um eine bessere Strafverfolgung bei Hasskriminalität zu ermöglichen.

Kern dieses Vorhabens ist die Einführung einer Meldepflicht für Soziale Netzwerke. Sie sollen künftig bestimmte potenziell strafbare Inhalte direkt an das Bundeskriminalamt melden. Bisher mussten die Posts lediglich gelöscht werden. Das BKA soll diese dann prüfen und gegebenenfalls ermitteln. Dabei geht es beispielsweise um Posts mit volksverhetzenden Inhalten sowie Androhungen von schwerer Körperverletzung oder Mord.

Im ZDF-Morgenmagazin am Donnerstag verteidigte Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) das Gesetz. Meinungsfreiheit und Demokratie seien in Gefahr, Menschen würden mundtot gemacht, da sie eingeschüchtert werden und sich aus dem Diskurs zurückziehen. Diejenigen, die online Hass verbreiten, dürften sich in Zukunft nicht mehr sicher fühlen, sondern müssten mit Konsequenzen rechnen.

Quick Freeze als Ausweg aus der Sofortmeldung

Renate Künast begrüßt zwar, dass die Bundesregierung gegen Rechtsextremismus aktiv wird, ist aber mit dem Meldeweg an das BKA nicht zufrieden. Die Grünenpolitikerin fordert stattdessen ein zweistufiges Verfahren, in dem zunächst die Daten per Quick Freeze gesichert werden. Sollte das BKA den konkreten Anfangsverdacht bestätigen, könnten die Daten anschließend an die Behörde weitergegeben werden. Dazu hat die grüne Bundestagsfraktion einen Änderungsantrag eingebracht.

Auch der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber hatte die Umsetzung der Meldungen an das BKA als Kernpunkt kritisiert. Er schlug in einer Stellungnahme zum Gesetz ebenfalls eine Quick-Freeze-Lösung vor.

Der Rechtsausschuss des Bundestags hatte zuletzt eine Beschlussempfehlung erarbeitet, die den ursprünglichen Gesetzentwurf noch erweitert. So soll das „BKA im Rahmen seiner Zentralstellenaufgabe berechtigt werden, bei Telemediendiensteanbietern die Login-IP-Adressen von Urhebern strafbarer Internetinhalte abzufragen“. Nicht alle Anbieter fallen unter das NetzDG und das BKA soll auch bei Inhalten, die nicht gemeldet werden, sondern die es auch bei eigenen Recherchen findet, die IP-Adresse herausbekommen können. So soll auch vermieden werden, dass Nutzer gezielt auf Plattformen ausweichen, die nicht laut NetzDG zur Meldung verpflichtet wären.

Auf Staatsanwaltschaften kommt viel Arbeit zu

Ein großes Fragezeichen besteht darin, wie die Justiz mit dem absehbar steigenden Ermittlungsaufkommen zurechtkommen soll. Der Geschäftsführer des Deutschen Richterbunds Sven Rebehn schätzte gegenüber dem RedaktionsNetzwerk Deutschland, dass auf die Staatsanwaltschaften jährlich etwa 150.000 neue Fälle zukommen würden. „Die Länder müssen die Strafjustiz deutlich verstärken“, fordert er. „Für Gerichte und Staatsanwaltschaften, die schon heute am Limit arbeiten, wird das neue Gesetz ein Kraftakt.“

Das Gesetz gegen Hasskriminalität ist Teil des Maßnahmenpakets gegen Rechtsextremismus, das nach dem Attentat von Halle angekündigt wurde. Parallel dazu läuft ein weiteres Gesetzgebungsverfahren, das ebenfalls Änderungen am NetzDG enthält. Diese Zweigleisigkeit führt zu Problemen. In einer Sachverständigenanhörung am Mittwoch äußerten sich Experten skeptisch. Der Medienrechtler Marc Liesching machte auf Konflikte zwischen beiden Entwürfen aufmerksam und bemerkte, dass es nicht praxistauglich sei, von zwei Seiten an einem Gesetz zu arbeiten.

Deine Spende für digitale Freiheitsrechte

Wir berichten über aktuelle netzpolitische Entwicklungen, decken Skandale auf und stoßen Debatten an. Dabei sind wir vollkommen unabhängig. Denn unser Kampf für digitale Freiheitsrechte finanziert sich zu fast 100 Prozent aus den Spenden unserer Leser:innen.

5 Ergänzungen

  1. Wo wir gerade bei Sozialen Netzwerken sind habt ihr eigentlich einen Mastodon oder Twitter Account? Oder sowas? Ich sehe hier nämlich nix verlinkt und wenn nein warum eigentlich nicht ich bin zwar auch kein Großer Social Media Nutzer trotzdem interessiert es mich.
    Grüße gehen raus ans Ganze Team und alle Schreiber bei euch ?

  2. Blocking Overblocking
    Frankreichs Verfassungsrat kippt das Gesetz gegen Hasskriminalität im Netz
    Nora Wienfort
    Sa 20 Jun 2020
    Das französische Gesetz gegen Hasskriminalität im Internet ist zu weiten Teilen verfassungswidrig – das hat der Conseil Constitutionnel am Donnerstag entschieden. Nach einem langwierigen und in Politik und Öffentlichkeit kontrovers diskutierten Gesetzgebungsverfahren hatte die französische Nationalversammlung das Gesetz am 13. Mai 2020 beschlossen. Das Inkrafttreten war bereits für den 1. Juli geplant. Daraus wird nun nichts: Die Kernelemente des Gesetzes verstoßen laut Conseil Constitutionnel gegen die Meinungsfreiheit, garantiert in Art. 11 der französischen Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte von 1789. Just am selben Tage, an dem der Conseil Constitutionnel seine Entscheidung verkündete, sendete Deutschland gegenteilige Signale: Der Bundestag hat am Donnerstag das Gesetz zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität verabschiedet. Der deutsche Gesetzgeber ändert darin unter anderem das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) und bestätigt den auch in Deutschland umstrittenen Ansatz, Netzwerkanbieter im Kampf gegen Hass im Netz stärker in die Verantwortung zu nehmen. Was folgt aus der französischen Entscheidung für die verfassungsrechtliche Bewertung des deutschen NetzDG?

    https://verfassungsblog.de/blocking-overblocking/

  3. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung veröffentlichte jüngst eine Umfrage über Diskriminierung von Homosexuellen am Arbeitsplatz. Die Kommentare zu dem Artikel waren bei Facebook erneut diskriminierend.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.