Bundesrepublik vs. BundesrepublikInnenministerium verklagt Bundesdatenschutzbeauftragten

Das Bundesinnenministerium widersetzt sich einer Weisung des Datenschutzbeauftragten Ulrich Kelber. Weil das Haus von Horst Seehofer Vorgaben zur Datensparsamkeit bei IFG-Anfragen nicht einhalten will, hat es den Beauftragten verklagt.

Bundesregierung vs. Bundesregierung: Das Innenministerium und der Datenschutzbeauftragte treffen bald vor Gericht aufeinander. – Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch unsplash.com Arisa Chattasa

Wer Informationen vom Bundesinnenministerium haben will, muss erst einmal selbst Informationen liefern. Das beim Informationsfreiheitsgesetz (IFG) federführende Ministerium weigert sich seit neun Jahren, IFG-Anfragen per E-Mail zu beantworten, die über die Plattform FragDenStaat.de bei ihm eintreffen. Nur wer Horst Seehofers Ministerium eine Postadresse mitteilt, erhält eine inhaltliche Antwort.

Dieses Verfahren wird nun erstmalig gerichtlich überprüft. Ulrich Kelber, der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, hat das Innenministerium und seine nachgeordneten Behörden angewiesen, bei einfachen Anfragen nicht mehr Daten als nötig einzufordern und damit auf die Sammlung von Postadressen zu verzichten. Das heißt, dass auch Anfragen möglich sein sollen, die unter einem Pseudonym gestellt werden. Dabei stützt sich Kelber nicht auf seine Funktion als Beauftragter für Informationsfreiheit, in der er kaum rechtliche Handhabe hat, sondern auf seine in der Datenschutzgrundverordnung festgeschriebene Kontrollfunktion.

Als erstes profitieren Anwälte

Das Innenministerium will dieser Weisung allerdings nicht Folge leisten und weiterhin Adressen von Antragsteller:innen sammeln. Es hat vor dem Verwaltungsgericht Köln Klage gegen Kelbers Behörde, die bis vor kurzem selbst noch dem Innenministerium untergeordnet war, eingereicht. Dabei lässt sich das Ministerium von der Hauskanzlei der Bundesregierung, Redeker Sellner Dahs, vertreten. Auf der Klage steht dementsprechend „Bundesrepublik Deutschland ./. Bundesrepublik Deutschland“ – und bezahlt wird eine externe Rechtsanwaltskanzlei.

Aus dem Schriftwechsel zwischen den Behörden im Vorfeld der Klage, die auf Basis des Informationsfreiheitsgesetzes herausgegeben wurden, geht hervor, dass das Innenministerium vor allem grundsätzliche Probleme mit dem Informationsfreiheitsgesetz und FragDenStaat hat. Hans-Georg Engelke, Staatssekretär im Innenministerium und vormaliger Abteilungsleiter im Bundesamt für Verfassungsschutz, schreibt an Kelber, seine Behörde akzeptiere es nicht, dass Personen Anträge über FragDenStaat stellten und die Plattform „in die Kommunikation zwischen sich und dem BMI einbeziehen“.

Ministerium beschwert sich über „schikanöse Anträge“

In weiteren Briefen an Kelber beschwert sich das Innenministerium darüber, die Nutzung von FragDenStaat führe „zu einer Belastung der Verwaltung mit Anträgen, bei denen zweifelhaft ist, ob sie nicht nur gestellt werden, um die Verwaltung schikanös zu beschäftigen oder zur einzelantragsunabhängigen Veröffentlichung bestimmter Informationen zu zwingen.“

Daraus wird deutlich, dass es dem Innenministerium vor allem darum geht, Bürger:innen davon abzuhalten, ihr Recht auf Informationsfreiheit vollständig nutzen zu können. Ob es diesen Kurs auch künftig fortsetzen kann, muss jetzt das Verwaltungsgericht Köln entscheiden.

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13 Ergänzungen

  1. Wow, und solche Sperenzchen werden wieder mit Steuergeldern bezahlt.
    Die externen Anwälte werden sich das sicherlich gut vergüten lassen.
    Haben die einzelnen Ministerien keine eigene Rechtsabteilung?

      1. Was soll das Rechtsstaatsprinzip mit der Selbstvertretungskompetenz von Behörden zu tun haben? Das Rechtsstaatsprinzip bestimmt dass der Staat sich an die Gesetze der Legislative halten muss, nicht dass sie externe Anwälte zu beauftragen haben.

  2. Diese Klage hat doch sicher auch „persönliche Gründe“. Wurde Seehofer bzw. das BMI nicht im Januar erst von FragDenStaat verklagt, um die Herausgabe von Emails zu erzwingen? Das ist also wohl eine „strategischer Klageerhebung“, vielleicht einfach nur, um die Finanzmittel des Prozessgegners zu schmälern. So ist man es von Seehofer ja gewohnt: immer schön hinterfotzig ne krumme Nummer abziehen.

    1. Das Innenministerium klagt in diesem Fall nicht gegen Frag den Staat, sondern gegen die Datenschutzbehörde.

  3. Wer öfters mit Behörden zu tun hat, fragt sich auch, ob die ganzen Formulare die einem zugemutet werden nicht nur dazu dienen, einen schikanös zu beschäftigen, bis man verzweifelt aufgibt.
    Wenn die Behörden, Ministerien usw. von sich aus transparent und unkompliziert die Informationen bereitstellen würden, bräuchte man auch nicht ständig Anfragen zu stellen. Aber dagegen sträuben die sich ja mit allen Mitteln.

  4. Naja. Wer als Jurist:in in einem Ministerium arbeitet, macht einfach völlig andere Sachen als eine Rechtsanwält:in die regelmäßig vor Gericht auftritt. Das sind einfach ganz verschiedene Tätigkeitsfelder. Man würde ja auch nicht einfach eine Labormediziner:in die Notfallambulanz betreuen lassen. Ok, kann vorkommen, ist dann aber meistens eine sehr dumme Idee.

    Prinzipiell kann es auch zwischen verschiedenen Teilen der Bundesrepublik offene Rechtsfragen geben, die gerichtlich geklärt werden müssen.

    Ich bin trotzdem gerne bereit zu glauben, dass da einfach aus politischen Gründen und/oder purer Sturheit Steuergeld verbrannt wird. Das Bundesinnenministerium scheint da einfach sehr eigen zu sein in seinen Rechtsauffassungen.

    1. Wenn Labormediziner:innen eine Notfallambulanz betreuen, nennt sich das Notfallpraxis. Passiert, da alle Niedergelassenen zur Arbeit dort verpflichtet sind.
      Man kann sich aber zum Glück durch Anmietung von einer Vertretung davor drücken.

    2. In den Behörden hospitieren aber ständig Staatsanwälte und Fachrichter unterschiedlicher Instanzen. Zudem sind viele der Volljuristen dort auch in einer selbständigen Nebenbeschäftigung als Anwalt tätig.

  5. ufff ….

    Doch generelle Interessant, dass der „Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit“ nicht mehr den Innenministerium unterstellt ist (hab ich irgendwie verpasst).

    Da fragt man sich direkt, was wir alles über unsere IT-Sicherheit lernen, wenn das „Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik“ denn Innenministerium nicht mehr unterstellt wäre.

  6. Seehofer zeigt damit nur mal wieder, das er ein sehr fragwürdiges Verständnis dessen hat, was Demokratie und Rechtsstaatlichkeit bedeutet. Das Innenministerium ist schließlich keine private Firma, die sich auf Geschäftsgeheimnisse berufen kann, sondern es arbeitet in unser aller Auftrag und für uns (soweit zur Theorie). Das IFG stellt klare Richtlinien auf, wie Transparenz sicher zu stellen ist. Aber interessiert das den horst? Anscheinend nicht die Bohne.

    Davon abgesehen, wie machen das die anderen Ministerien? Beantworten die Fragen, die über FragdenStaat reinkommen? Wie viele sind das (absolut, in Prozent) im Vergleich zu allen eingehenden Fragen? Ist das tatsächlich die unterstellte Schikane?

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.