bitsWo mehr Überwachung tatsächlich mal Sinn macht

Zu wenig Überwachung gibt es bei unkontrollierten Datenabfragen durch Polizist:innen, die zur Einschüchterung Andersdenkender führen können. *** Pferd schlägt Internet bei der Auslieferung großer Datenmengen. *** Was tun, wenn die Verwandten unterm Weihnachtsbaum von Zwangsverchipung reden? *** Das und noch mehr in unserem Tagesrückblick.

Heute ist Donnerstag und es gibt eine weitere Ausgabe unseres bits-Newsletters.
Heute ist Donnerstag und es gibt eine weitere Ausgabe unseres bits-Newsletters. CC-BY 4.0 netzpolitik.org

Hallo,

eines der Themen des Jahres waren die vielen unkontrollierten Datenabfragen von Polizisten, die dann zu Morddrohungen sowie Einschüchterungsversuchen führen und die Meinungsfreiheit von Menschen einschränken.

Einen besonders krassen Fall aus Greifswald hat Ingo Dachwitz für uns recherchiert: Auf den Notruf folgt die Drohung.

Nach einem politischen Streit auf Facebook ruft ein Beamter Informationen über eine junge Frau aus Polizeidatenbanken ab. Kurz darauf versuchen Rechte, sie mit diesen Daten einzuschüchtern. Rekonstruktion eines Datenschutzskandals, der womöglich nie ganz aufgeklärt wird.

Das ist mal ein Bereich, wo mehr Überwachung im Sinne von Transparenz tatsächlich Sinn ergeben würde. Nur die Polizeigewerkschaften sind bei dem Thema ganz leise, obwohl die sonst ständig nur mehr Überwachung fordern.

Zu dem Thema haben wir auch vor Wochen einen Podcast mit der Kabarettistin İdil Baydar über Bedrohungen, Hass und Rassismus in Polizei und Gesellschaft geführt.

Kurze Pausenmusik:

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Die redaktionelle Erstellung dieser Ausgabe wurde freundlicherweise von Tomas Rudl unterstützt.

Neues auf netzpolitik.org

Serafin Dinges berichtet von einer Anhörung zum Registermodernisierungsgesetz: Mehr Kritik an der zentralen Personenkennziffer.

Der Entwurf des Registermodernisierungsgesetzes ist wohl verfassungswidrig. Zu dem Beschluss kommen nun auch Expert:innen in einer Anhörung des Bundestags. Aber es gab auch Befürworter:innen der Pläne.

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Es gibt immer mehr Klagen gegen die Marktdominanz von Google und Facebook, wie Alexander Fanta aufschreibt: Kartellvorwürfe gegen Google und Facebook.

In den USA startet ein weiteres Wettbewerbsverfahren gegen Google. Dem Konzern wird vorgeworfen, den Markt für Werbeanzeigen im Netz mit unfairen Taktiken zu dominieren. Dabei soll es auch eine geheime Absprache mit Konkurrent Facebook gegeben haben.

Was sonst noch passierte:

Die Corona-Warn-App bekommt ein Update. Man sollte sich nicht wundern, wenn die Anzeige der Risikobegegnungen danach anders aussieht, denn es findet eine Neuberechnung statt: Risikoberechnung ändert sich deutlich.

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Schöne Aktion, um auf den fehlenden Breitbandausbau hinzuweisen: In der Gemeinde Schmallenberg-Oberkirchen wurde ein Wettbewerb veranstaltet, auf welchem Weg 4.5 GB über zehn Kilometer schneller ans Ziel gelangen: Pferd gegen Internet – Wer bringt Daten schneller?

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Im Moment läuft eine große Kampagne der Rechteindustrie für Uploadfilter und gegen Ausnahmeregelungen für kurze Ausschnitte im Rahmen der nationalen Umsetzung der EU-Urheberrechtsreform. Wer sich wundert, was in vielen Feuilletons gerade empört verfasst wird, findet in diesem Video von Julia Reda die Hintergründe: Claims der Unterhaltungslobby widerlegt.

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Für Zeit-Online hat Anna Loll die Pläne der EU-Innenminister analysiert, die sich Hintertüren in verschlüsselter Kommunikation wünschen: Ihr WhatsApp-Chat könnte bald nicht mehr vertraulich sein.

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Der italienische Künstler Paolo Cirio hat Fotos von 4.000 Polizist:innen online gestellt und um Identifizierung gebeten, um auf Probleme bei automatisierter Gesichtserkennung hinzuweisen. Für den ORF hat Anna Masoner mit ihm darüber gesprochen: Wer darf wen identifizieren?

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Eine Studie hat untersucht, ob Programmieren mit Sprache zu tun hat und kommt zu, zumindest für manche, überraschenden Ergebnissen: Programmieren hat mit Sprachbegabung nicht allzu viel zu tun.

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Das ZDF hat mit „Inside PolitiX“ ein neues Youtube-Format und behandelt in der aktuellen Folge „Wirecard und Guttenberg: Brauchen wir Lobbyismus – oder muss das weg?“

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Die FAZ beschreibt in ihrer Reihe POP-Anthologie die Geschichte hinter „Tom’s Diner“ von Suzanne Vega: De-de-de-deh, de-de-de-deh. Fast noch schöner als das Original ist der inoffizielle Remix von Rampue.

Audio des Tages: Was tun bei Verschwörungsmythen im Familienkreis?

Passend zur Weihnachtszeit bietet SWR2-Wissen einen Podcast zu „Verschwörungsmythen – Was tun, wenn Familie und Freunde abdriften?“ an. Falls jemand das Risiko eingehen möchte, Verwandte mit Corona zu infizieren, die einen dafür mit Zwangschipsängsten volllabern, findet hier gute Argumente.

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Ich bekomme regelmäßig Job-Angebote im netzpolitischen Bereich zugeschickt und dachte mir, dass eine zusätzliche Rubrik ein guter Service sein könnte. Zweimal die Woche werde ich zukünftig auf aktuelle Job-Angebote hinweisen.

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FragdenStaat in Berlin sucht Volljurist*in! (80-100%, ab Februar 2021) für Informationsfreiheitsklagen und eine gute Sache.

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Reporter ohne Grenzen suchen eine „Teamleitung Nothilfe und Stipendien (m/w/d, 38,5 h/Vollzeit, unbefristet)“ ab dem 1. Februar in Berlin.

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Gleich vier wissenschaftliche Stellen hat das Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft – Thüringer Dokumentations- und Forschungsstelle gegen Menschenfeindlichkeit (IDZ) in Jena ausgeschrieben. Dort kann man über Polarisierung und Nazis und dergleichen forschen.

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Das war es für heute. Viele Grüße und bleibt gesund,
Markus Beckedahl

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2 Ergänzungen

  1. „Die Videoüberwachung am Heidelberger Hauptbahnhof wird voraussichtlich in der zweiten Januarhälfte in Betrieb gehen,“ sagte ein Polizeisprecher. Bereits Anfang Oktober hatte die Stadt mitgeteilt, dass die 21 Kameras an sieben Standorten am Bahnhofsvorplatz installiert seien. Technische Probleme bei der Übertragung der Daten ins Polizeipräsidium Mannheim hatten allerdings zu Verzögerungen geführt, sagte der Polizeisprecher. Eine „intelligente Auswertung“ soll zu einem noch späteren Zeitpunkt starten.

    Warum Heidelberg? Macht das Sinn? Und wenn ja, für wen?

    Heidelberg als Universitätsstadt ist geradezu prädestiniert für experimentelle Sozialpsychologie. Dort braucht man Studierende nicht auch noch dazu motivieren, die Sinnhaftigkeit von überwachender Herrschaftstechnologie experimentell ad absurdum zu führen.

    „I muss moi Stroassaboahn no kriaga!“ könnte als Test-Motto dienen, um
    „intelligente“ Überwachung zu überprüfen, ob die Software bei „atypischen Bewegungsmustern“ Alarm schlägt. Der Zufall ist bekanntlich der Tod des Experiments. Und atypische Bewegungsmuster könnten zu gewohntem aber zufälligen Normalverhalten werden.

    Erfolgreiche Flashmobs können Überwachungstechnologien so teuer machen, dass präventives Defunding als die intelligentere Lösung übrig bleibt.

    Es könnte letztlich dazu führen, dass eine „auf Intelligenz trainierte“ Polizei die Überwachungskameras wegen der vielen Fehlalarmierungen frustriert ignoriert.

    Ein erstes Erkundungs-Experiment könnte folgendes Design haben:

    Zufällig entdecken Menschen die Überwachungskameras. Über so viel installierte Dummheit müssen sie so sehr lachen, bis sie atypisch zu Boden gehen.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.