bitsThe Return of the Softwarepatente

Die Gefahr der Softwarepatente ist zurück, diesmal im Bundestag. „Künstliche Intelligenz“ soll in Großbritannien jetzt Social Distancing durchsetzen. Vor 30 Jahren erschien Monkey Island. Und die New York Times interessiert sich für QAnon-Anhänger:innen in Deutschland.

Die Montag-Ausgabe von bits, unserem wochentäglichen Newsletter.
Die Montag-Ausgabe von bits, unserem wochentäglichen Newsletter. CC-BY 4.0 netzpolitik.org

Hallo,

in den Anfangstagen von netzpolitik.org dominierte ein Thema mit die netzpolitische Debatte: Softwarepatente. Die Idee dahinter war und ist, dass Software-Logik und Algorithmen patentierbar werden und Patentinhaber ihre „Erfindungen“ rechtlich gegenüber der Konkurrenz durchsetzen können.

Das mag für technische Laien erst mal logisch klingen. In der Praxis würde das aber bedeuten, dass Softwareentwickler:innen immer mit einem Bein in einer Patentverletzung programmieren würden, wenn sie mit Logik ein Softwareproblem lösen würden. Zudem führten Softwarepatente in den USA nicht unbedingt zu mehr Innovation, sondern eher zu mehr Verdienstmöglichkeiten für Patentanwälte. Patente häufte man an, weil andere Unternehmen auch Patente hatten. Damit lassen sich dann Nicht-Angriffspakte schmieden oder das eigene Geschäftsmodell von der Softwareentwicklung in Richtung Patentdurchsetzung verändern, um ein „Patent-Troll“ zu werden. Vor allem gefährden Softwarepatente Open-Source-Entwicklungen, die darauf beruhen, dass man Wissen teilt und auf bestehender Software aufbaut und sie weiterentwickelt. Und die meisten kleinen und mittelständischen Software-Unternehmen können es sich nicht leisten, neben der Softwareentwicklung noch Patentanwälte dafür zu bezahlen, für jedes gelöste Softwareproblem in den Patentdatenbanken nachzuschauen, ob man gerade in eine Patentfalle reingetappt ist, um dann Lizenzverhandlungen zu führen oder das bereits beseitigte Problem anders zu lösen.

Vor rund 20 Jahren startete auf EU-Ebene eine Diskussion um eine Richtlinie zur Erlaubnis von Softwarepatenten in der Europäischen Union. Eine große Koalition aus Softwareentwickler:innen, kleinen und mittelständischen Unternehmen, Nerds und Aktivist:innen schaffte es aber, im EU-Parlament in den Jahren 2003 und 2005 eine Mehrheit gegen diese Idee durchzusetzen. Politisch waren Softwarepatente tot, auch der Bundestag stimmte in der Vergangenheit fraktionsübergreifend wie selten dagegen.

Aber die Befürworter:innen schafften es immer wieder, die Idee neu aufflammen zu lassen. Aktuell sind Softwarepatente wieder im Bundestag angekommen. Dieser verhandelt die kommenden Wochen über den „Entwurf eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 19. Februar 2013 über ein Einheitliches Patentgericht“. 16 andere Unterzeichnerstaaten, darunter Frankreich und Großbritannien, haben bereits ihr OK gegeben, für das Inkrafttreten dieses Patentgerichtes ist nur noch die Ratifizierung Deutschlands notwendig. Stimmt die Große Koalition dafür, werden über Hintertüren Softwarepatente bei uns legal. Und damit steigen die Probleme für alle, die Software entwickeln.

Die Foundation for a Free Information Infrastructure (FFII) ruft dazu auf, sich an Bundestagsabgeordnete im Rechts- und Kulturausschuss zu wenden und ihnen erneut zu erklären, warum diese Idee eine Schlechte ist. Und die vor allem unsere mittelständisch geprägte Softwareindustrie gefährden würde. Aufgrund der Mehrheitsverhältnisse würde ich vor allem anraten, sich auf sozialdemokratische und konservative Abgeordnete zu konzentrieren.

Neues auf netzpolitik.org

Andre Meister ordnet einen Bericht von Amnesty International ein. Die Aktivist:innen haben den deutschen Staatstrojaner Finfisher in Ägypten im aktiven Einsatz gefunden, obwohl er dorthin nicht exportiert werden darf: Staatstrojaner FinSpy erneut in Ägypten gefunden.

Eine Gruppe, die Aktivisten in Ägypten angreift und ausspioniert, hat den Staatstrojaner FinFisher eingesetzt. Das berichtet Amnesty International und bezeichnet die Angreifer als mindestens staatlich gefördert. Dokumenten zufolge hatte der ägyptische Geheimdienst die Schadsoftware bereits 2011.

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Über neue Pläne zur algorithmischen Überwachung berichtet Matthias Monroy: EU entwickelt Abhörplattform mit Sprachanalyse und Gesichtserkennung.

Polizeibehörden in der EU sollen ein mächtiges Überwachungsinstrument erhalten. Das System soll Personen in Telefongesprächen anhand der Stimme erkennen. Es nutzt aber auch Spuren, die Verdächtige im öffentlichen Raum oder dem Internet hinterlassen.

Kurze Pausenmusik:

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Die Erstellung dieser Ausgabe wurde freundlicherweise von Tomas Rudl und Chris Köver unterstützt.

Was sonst noch passierte:

Einen typischen Fall von Feature Creep erlebt derzeit Großbritannien. Die Algorithmen in einem Kamerasystem des Anbieters Vivacity, mit deren Hilfe eigentlich das Verkehrsaufkommen auf britischen Straßen erfasst wird, suchen seit Beginn der Pandemie zusätzlich nach ganz neuen Mustern: Wie nah kommen sich Fußgänger, halten sie die legendären zwei Meter Abstand? Die Social-Distancing-Daten werden jeden Monat als aggregierter Bericht mit der Regierung geteilt und sollen Politiker:innen dabei helfen, Entscheidungen hinsichtlich etwa eines notwendigen Lockdowns zu treffen: AI cameras introduced in London to monitor social distancing and lockdown restrictions.

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Die New York Times wundert sich ein wenig, warum in Deutschland die QAnon-Verschwörungsideologie samt Trump-Verehrung so populär ist: QAnon Is Thriving in Germany. The Extreme Right Is Delighted.

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Eine Reform der Abgabenordnung zur Sicherung der Gemeinnützigkeit für zivilgesellschaftliche Organisationen, die sich auch dem Ziel der Beeinflussung der politischen Willensbildung widmen, scheitert aktuell an Unions-geführten Bundesländern. Die Taz hat den aktuellen Stand: NGOs müssen weiter bangen.

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Im Wirecard-Skandal werden immer mehr Lobby-Sümpfe sichtbar. Auch Joschka Langenbrinck war als Lobbyist tätig, obwohl er im Nebenjob SPD-Abgeordneter im Berliner Abgeordnetenhaus ist. Aber im Hauptjob arbeitet er für die „von Beust & Coll“ Lobbyfirma des früheren Hamburger Oberbürgermeisters Ole von Beust (CDU). Die Lobbytätigkeit kam eher zufällig durch befreite Dokumente heraus: Berliner SPD-Abgeordneter betreute Wirecard als „Senior Berater“.

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„Der Wedding kommt!“ ist in Berlin ein Running-Gag seit vielen Jahren. Der relativ günstig gelegene frühere Arbeiterbezirk war nie besonders attraktiv, sondern man wohnte dort, weil es zentral und vergleichsweise billig war. Das dürfte langsam vorbei sein, viele neue Hipster-Cafes deuteten dies schon an. Das Time Out Magazine hat den Wedding jetzt auf Platz sechs der „The 40 coolest neighbourhoods in the world“ gesetzt. Warum auch immer.

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Spiegel-Online blickt auf 30 Jahre Monkey Island zurück: Hinter dir, ein dreißigjähriger Affe! Ich hab früher die meisten Point-and-Click-Adventures der späten 80er und frühen 90er angespielt, aber meist schnell die Lust verloren. Bei Monkey Island blieb ich etwas länger sitzen. Ich geb dem Spiel aber noch mal eine Chance mit der iPad-Version.

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Der Zündfunk auf Bayern2 hat mich für die Radio-Rubrik „Das Ding mit 16“ gefragt, was ich vor 28 Jahren gerne gemacht habe. Und mir fiel sofort Dune 2 ein, das mich als Computerspiel damals angefixt und den Weg für Echtzeit-Strategiespiele geebnet hat: „Das blöde an Dune 2 war, dass man es relativ schnell durchgespielt hatte“.

Video des Tages: China

Die Arte-Sendung „Mit offenen Karten“ erklärt in der aktuellen Ausgabe die innenpolitischen Konflikte in China: China: ein Land, viele Gesichter.

Netzpolitik-Jobs

Ich bekomme regelmäßig Job-Angebote im netzpolitischen Bereich zugeschickt und dachte mir, dass eine zusätzliche Rubrik ein guter Service sein könnte. Zweimal die Woche werde ich zukünftig auf aktuelle Job-Angebote hinweisen.

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Die Bundestagsabgeordnete Anke Domscheit-Berg (Fraktion Die Linke) sucht eine:n wissenschaftliche:n Mitarbeiter:in für den Bereich Netzpolitik.

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Die Forschungsgruppe „Politik der Digitalisierung“ (POLDI) am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung sucht eine/n „Wissenschaftliche/r Mitarbeiter/in (m/w/d)“ für ihr GUARDINT-Projekt, das sich mit der demokratischen Kontrolle digitaler und transnationaler Nachrichtendienstüberwachung befasst.

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Investigate Europe ist eine transnationale Medienplattform für investigativen Journalismus mit Sitz in Berlin. Aktuell wird ein/e Community Engagement Coordinator/in gesucht. Das ist wohl zwischen Social Media-, Community-Management und Audience Development angesiedelt.

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Epicenter.works ist eine österreichische Organisation für digitale Bürgerrechte. Aktuell hat die Organisation mit Sitz in Wien eine „Policy Advisor (m/w/d)“-Stelle ausgeschrieben.

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Wikimedia Deutschland sucht eine/n „Referent für Bildung und Teilhabe in der digitalen Welt“ (m/w/d).

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Die Deutsche Welle sucht eine/n „Redakteur (w/m/d) für Digitalpolitik“ in Berlin.

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Die Free Software Foundation Europe setzt sich für die Förderung von Freier Software (im Volksmund auch Open Source genannt) ein. Für ihr Team in Berlin, das drei Türen weiter neben unserem Büro auf derselben Etage sitzt, sucht die FSFE jetzt eine Büroassistenz.

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Das war es für heute. Viele Grüße und bleibt gesund,
Markus Beckedahl

Ich freue mich immer über Feedback und gute Hinweise. Meine Mailadresse ist markus@netzpolitik.org. Ich bin zwar häufig von zu vielen eMails überfordert und bekomme nicht alle beantwortet. Aber ich lese alle Mails.

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Eine Ergänzung

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