Uploadfilter: Eine Geschichte voller Fails

Uploadfilter sollen automatisch Urheberrechtsverletzungen im Netz erkennen und geschützte Inhalte löschen. Doch wie unzuverlässig die automatische Inhalteerkennung wirklich arbeitet, zeigen viele Beispiele. Sie geben einen Vorgeschmack darauf, was mit der EU-Reform und den Uploadfiltern drohen könnte.

Das wäre wohl der Worst Case, wenn Uploadfilter alles löschen würden CC-BY-NC 2.0 Mario Klingemann

Ob Tiergeräusche, Rauschen oder Kritik – Inhaltsfilter blockieren bereits vielfach Inhalte, die im Netz hochgeladen werden. Doch oft handelt es sich dabei um falsche „Entscheidungen“, denn die Filter sind technisch nicht ausgereift. Die Folge ist ein Overblocking, welches dazu führt, dass zu viele Inhalte gelöscht oder gesperrt werden und die Vielfalt des Internets beschränkt wird.

Erst vergangene Woche zeigte sich die Fehleranfälligkeit von Uploadfiltern bei der Unterscheidung von urheberrechtlich geschützten Werken und gemeinfreien Inhalten im Netz. Nach der Veröffentlichung des Abschlussberichts des US-Sonderermittlers Mueller zu möglichen Verwicklungen Russlands in den Wahlkampf von Trump 2016, wurden Uploads des Berichts auf der Dateienplattform Scribd fälschlicherweise von der automatisierten Inhalteerkennung als Urheberrechtsverletzung eingestuft und gelöscht. Das berichtete Quartz vergangene Woche.

Letzten Donnerstag hatte das US-Justizministerium den Bericht gemeinfrei auf seiner Website veröffentlicht, allerdings nur in einer schwer lesbaren Version. Deswegen wurde dieser von Nutzer:innen in einer besseren Version bei Scribd hochgeladen. Doch das Portal löschte gleich 32 Exemplare des Mueller-Berichts. Die Filter der Plattform hatten den gemeinfreien Bericht als urheberrechtlich geschütztes Werk identifiziert, weil dieser von einem “leading global publisher” bereits als Buch veröffentlicht worden war. Erst nach einer Beschwerde gegen die Sperrung, wurde diese auch wieder aufgehoben.

Youtube-Filter: Vorlesung, Rauschen und Tiergeräusche blockiert

Besonders die Content-Filter von Youtube stehen in der Kritik, vorschnell Inhalte zu blockieren, die gegen das Urheberrecht verstoßen könnten. So löschte das Filtersystem „Content-ID“ von Youtube die Aufnahme einer Vorlesung an der Harvard Law School, weil der Professor während der Vorlesung kurze Ausschnitte von Popsongs abgespielt hatte – obwohl die Verwendung dieser zu Bildungszwecken in Ausschnitten erlaubt ist.

Weitere bizarre Beispiele zeigen das Problem des möglichen Overblockings durch Upload-Filter: Ein Video mit 10-stündigem weißem Rauschen, also nur Geräuschen, die ein Musiker aufgenommen und veröffentlicht hatte, wurde blockiert, weil das System hier eine Urheberrechtsverletzung vorliegen sah. Ähnliches widerfuhr einem Pianisten, der ein Klavier-Stück von Bach bei Facebook hoch lud. Obwohl das Urheberrecht auf die Komposition des seit 300 Jahren toten Musikers bereits erloschen ist, wurde die Aufführung von Facebook gesperrt, weil Sony Music Global behauptet hatte, die Rechte daran zu besitzen.

Doch nicht nur Musik scheint anfällig für die Filter bei Youtube zu sein. Auch weit trivialeres wurde bereits durch die Youtube-Filter blockiert: Das Schnurren einer Katze etwa wurde als Verletzung von urheberrechtlich geschütztem Material eingestuft, aber ebenso Vogelgezwitscher im Hintergrund eines Videos wurde moniert.

Kampagne gegen Sexismus gesperrt

Die Beispiele zeigen wie eine aufgeklärte, pluralistische Gesellschaft und die Vielfältigkeit im Internet durch algorithmische Blockaden gefährdet sein könnte. So wurde das Video einer Kampagne gegen Sexismus durch das Youtube-Filtersystem für mehrere Stunden gesperrt, weil der Protestsong der Kampagne als geistiges Eigentum von RTL eingestuft wurde. Der Sender hatte den Song davor angespielt und sich diesen so fälschlicherweise urheberrechtlich angeeignet. Die Kampagne „Not Heidi’s Girl“ der Organisation Pinksstinks richtete sich gegen die Casting-Show „Germany’s Next Topmodel“ von Heidi Klum, und kritisierte deren Geschlechterrollenbilder und Sexismus in der Sendung.

Uploadfilter sind nicht vollständig in der Lage, urheberrechtlich geschützte Werke von solchen zu unterscheiden, die es nicht sind. Solche Beispiele zeigen besonders gut, dass Overblocking, also das vorschnelle und überzogene Blocken von Uploads, ein Problem für die Meinungsfreiheit darstellt.

Denn letztendlich bedrohen fehlerhafte Filter das freie Internet und die Vielfältigkeit der Gesellschaft, indem das Recht auf freie Meinungsäußerung, die Teilnahme am kulturellen Leben und aber auch das Recht auf Bildung bedroht sind, wenn Filter eigentlich ungeschütztes Material als geschützt markieren und dann blockieren.

Genau dies könnte zukünftig vor allem in Europa ein Problem darstellen, denn das EU-Parlament hat im März einer Reform des EU-Urheberrechts zugestimmt, nach der Plattformen künftig verpflichtet werden könnten, alle Uploads von Usern auf mögliche Rechteverletzungen zu überwachen. Besonders der umstrittene Artikel 13 (jetzt Artikel 17) sieht eben solche Filter vor, die bisher vor allem auch viele unerwünschte Fehler produzieren.

Deine Spende für digitale Freiheitsrechte

Wir berichten über aktuelle netzpolitische Entwicklungen, decken Skandale auf und stoßen Debatten an. Dabei sind wir vollkommen unabhängig. Denn unser Kampf für digitale Freiheitsrechte finanziert sich zu fast 100 Prozent aus den Spenden unserer Leser:innen.

7 Ergänzungen

  1. Oben steht: „bei Scribt hochgeladen“

    Bitte nennt den Verursacher durch bei seinem richtigen Namen oder habt Ihr Angst von denen verklagt zu werden?

    1. Es kann doch eigentlich nicht so schwer sein, den Artikel an dieser Stelle zu korrigieren (Scribd statt „Scribt“).

    1. Steht doch da, sie haben ihn gespielt, vermutlich den clip auf youtube gestellt. Und die tolle yt Software dachte darum, sie seien der Urheber des Songs. So funktioniert das Ding nämlich. Wenn ein “Großer“ etwas in seinem Video hat, wird davon ausgegangen er habe die Rechte, mitunter wurden so dann schon uploads der tatsächlichen Urheber geblockt.

  2. Es könnte nicht drohen sondern droht tatsächlich. Ob es dann so eintritt, ist die Frage (wovon man allerdings ausgehen kann).

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.