Stadtrat will Gesichtserkennung in San Francisco verbieten

Die kalifornische Metropole könnte die erste Stadt der USA werden, die den Einsatz von Gesichtserkennungstechnologien komplett verbietet. Mit einer neuen Verordnung will ein Stadtrat auch den Einsatz anderer Überwachungstechnik beschränken und besser kontrollieren.

San Francisco könnte Vorreiter werden bei einer restriktiven Regulierung von Gesichtserkennug in den USA. (Symbolbild) – Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch unsplash.com Jeffrey Wing

Der Demokrat Aaron Peskin hat die „Stop Secret Surveillance“-Verordnung in den Stadtrat von San Francisco eingebracht. Die Verordnung sieht unter anderem vor, dass die Anschaffung von Überwachungstechnologie jedes Mal vom Stadtrat abgesegnet werden muss. Dabei müssen die jeweiligen städtischen Ämter und Institutionen vor Anschaffung einer Technologie einen Bericht vorlegen, welche Auswirkungen diese auf die Privatsphäre hat, schreibt SF Weekly. Außerdem verpflichtet die Verordnung zur jährlichen Evaluation der eingesetzten Überwachungstechnik. In Sachen Gesichtserkennung sieht die Verordnung sogar ein generelles Verbot dieser Technik vor. Peskin bezeichnet Gesichtserkennung als „gefährliche Waffe“. Laut The Verge soll über die Verordnung im Februar abgestimmt werden.

In Deutschland sind bislang keine solchen kommunalen Verordnungen gegen Überwachung bekannt. Das liegt auch am anderen Rechtssystem. Der Berliner Anwalt und Innenpolitiker Benedikt Lux (Grüne) erklärt auf Nachfrage von netzpolitik.org: „Anders als in den USA ist es in Deutschland nicht üblich, einzelne staatliche Eingriffe per Gesetz auszuschließen. Hier ist es andersrum: Jeder Eingriff muss durch Gesetz ermöglicht werden.“ Für Berlin unter der rot-rot-grünen Koalition schließt er den Einsatz von Gesichtserkennung im öffentlichen Raum kategorisch aus.

Gesichtserkennung gibt es dennoch in Berlin. Bis vor kurzem wurde die Überwachungstechnologie am Bahnhof Südkreuz getestet – zuständig für den Bahnhof ist allerdings der Bund, und nicht das Land Berlin.

Datenschützer: Polizei in Hamburg nutzt Technologie ohne Rechtsgrundlage

Gesichtserkennung ist aus verschiedenen Gesichtspunkten problematisch. Zum einen haben die genutzten Algorithmen oftmals einen Bias, der beispielweise dazu führt, dass schwarze Frauen öfter für Männer gehalten werden als weiße Frauen. Schwerwiegender als das ist allerdings die Tatsache, dass mit einem großflächigeren Einsatz von Gesichtserkennung genaue Bewegungsprofile aller erstellt werden können, sowie Grundrechte wie das Versammlungsrecht massiv eingeschränkt werden. Ein Einsatz von Gesichtserkennung auf Demonstrationen kombiniert mit den neuen Befugnissen zum automatisierten Datenabruf von biometrischen Bildern könnte Geheimdiensten und Polizeien quasi per Mausklick Teilnehmer:innen-Listen von Demonstrationen verschaffen.

Eine Kontroverse um die Nutzung von polizeilicher Gesichtserkennung gibt es auch in Deutschland. Im Nachgang des G20-Gipfels nutzt die Polizei Hamburg im großen Maßstab Gesichtserkennungstechnologien, um Straftäter im Rahmen der Proteste zu ermitteln. Der Hamburger Datenschutzbeauftragte Johannes Caspar hat der Polizei die weitere Nutzung untersagt, auch der neue Bundesdatenschutzbeauftragte, Ulrich Kelber, sprach sich dagegen aus: „Für eine automatisierte biometrische Gesichtserkennung gibt es derzeit keine Rechtsgrundlage! Nur weil es mittlerweile technisch möglich ist, große Datenmengen detailliert biometrisch auszuwerten, ist ein entsprechendes Verfahren noch lange nicht rechtlich zulässig.“ Die Hamburger Polizei nutzt die Technik mit Rückendeckung des SPD-Innensenators weiter und klagt gegen die Anordnung des Landesdatenschutzbeauftragten.

Zuletzt hatten auch große Konzerne wie Microsoft, die selbst maßgeblich an der Entwicklung von Gesichtserkennung beteiligt sind, vor einer staatlichen Totalüberwachung gewarnt und mehr Regulierung in diesem Feld gefordert.

Update:

Auch in Massachusetts und in Washington State liegen Gesetzespläne auf dem Tisch, die sich gegen Gesichtserkennung richten.

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Eine Ergänzung

  1. Wird dieses Gesetz auch die in Facebook eingebaute Gesichtserkennung betreffen, zumindest, wenn es sich um Menschen mit Wohnort in San Francisco handelt?

    Falls es nicht um den Ort der Menschen, sondern den Ort der Firma geht:

    Was wäre, wenn es in Menlo Park ein ähnliches Verbot gäbe? Müsste dann Facebook weltweit die Gesichtserkennung abschalten, bzw. den Firmensitz verlegen?

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