Polizeigesetz Brandenburg: Erste linke Abgeordnete gegen Staatstrojaner

Der innenpolitische Sprecher der Brandenburger Linksfraktion sieht Änderungsbedarf am geplanten Polizeigesetz, aber eine klare Position bezieht er nicht. Währenddessen stellen sich erste Kreisverbände und Abgeordnete gegen das Gesetz und erhalten dafür breite Unterstützung.

Es bewegt sich etwas bei der Linkspartei in Brandenburg. (Symbolbild) – Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch unsplash.com Samuel Zeller

Die Linksfraktion in Brandenburg steht unter Druck: Der gemeinsame Entwurf der rot-roten Landesregierung für ein neues Polizeigesetz liegt derzeit im Innenausschuss und soll bis zum März überarbeitet werden. Bis heute hat sich die Partei nicht klar zu den bislang vorgesehenen Staatstrojanern positioniert. Treibende Kraft hinter der Ausweitung der polizeilichen Befugnisse ist die SPD-Fraktion, neben dem heimlichen Einsatz von Überwachungssoftware zum Auslesen von Handys und Computern sieht der aktuelle Entwurf auch Grundrechtseingriffe wie polizeilichen Wohnungseinbruch vor.

Es kriselt in der Potsdamer Koalition, denn SPD-Innenminister Karl-Heinz Schröter prescht nicht nur beim Polizeigesetz nach vorn. Unlängst hatte er völlig unabgespochen und gegen den Willen der Linken eine Aufstockung des Verfassungsschutzes durchgesetzt. Die Linke wollte mit diesem Schritt bis zum Abschlussbericht des NSU-Untersuchungsausschusses warten.

Auf netzpolitik.org berichteten wir, dass es das erste Mal wäre, dass die Linkspartei für die Einführung von Staatstrojanern stimmt und kommentierten, dass die Linken in Brandenburg „die mühsam erworbenen Verdienste der Bundespartei und der anderen linken Länderparteien in Sachen Grund- und Freiheitsrechte“ verspielen könnten. Die netzpolitische Sprecherin der Linken im Bundestag, Anke Domscheit-Berg, und Tobias Schulze, der netzpolitische Sprecher der Linken in Berlin, sind überzeugt, dass Staatstrojaner mit der Brandenburger Linken nicht zu machen sind.

„Vorliegender Entwurf nicht zustimmungsfähig“

Jetzt kündigte auch die 29-jährige Brandenburger Landtagsabgeordnete Isabelle Vandre an, dem Gesetzentwurf in dieser Form nicht zuzustimmen. Auf Nachfrage von netzpolitik.org, ob sich die Linksfraktion in Brandenburg bewusst sei, welche Brisanz das Thema Staatstrojaner für die Glaubwürdigkeit der eigenen Partei habe, antwortet sie:

Ja! Genau deswegen – und auf Grund weiterer Formulierungen – ist der vorliegende Gesetzentwurf für mich nicht zustimmungsfähig. Und genau deswegen diskutieren wir seit Wochen und tun das weiterhin.

Der zuständige innenpolitische Sprecher der Brandenburger Linken, Hans-Jürgen Scharfenberg, bleibt vage. Der 65-Jährige gehört zur alten Riege in der Linkspartei. Gegenüber netzpolitik.org legt er sich nicht auf eine klare Position fest:

[Ich] sehe Änderungsbedarf insbesondere zu folgenden Themen: Schleierfahndung, Meldeauflagen, Betreten und Durchsuchen von Wohnungen, Terrorismusdefinition, Aufenthaltsvorgabe und Kontaktverbot, Gewahrsam, Quellen-TKÜ, Bodycam.

Worin der Änderungsbedarf für diese lange Liste an Themen besteht, formuliert er nicht. Tatsächlich hat die Brandenburger Linksfraktion die Einführung von Staatstrojanern trotz mehrfacher Nachfragen nicht ausgeschlossen. Im Gegenteil: Scharfenberg hat den Einsatz von Staatstrojanern in seiner Rede im Landtag im November angekündigt.

Junge Mitglieder und einige Kreisverbände stellen sich gegen Polizeigesetz

Woran liegt die Zurückhaltung bei einem Thema, das seit Monaten Menschen bundesweit bewegt und auch zuletzt in Dresden wieder tausende Menschen auf die Straße trieb? Der Vorsitzende des Kreisverbandes der Linken in Potsdam, Stefan Wollenberg, verrät gegenüber netzpolitik.org: „In der Breite der Mitgliedschaft ist der Entwurf des Polizeigesetzes nicht das bestimmende Diskussionsthema“. Es seien vor allem jüngere und sehr aktive Mitglieder, die sich für technische Überwachungsinstrumente in den Händen von Polizisten interessieren und das geplante Gesetz sehr kritisch begleiteten, sagt Wollenberg gegenüber netzpolitik.org.

Der stellvertretende Vorsitzende der Berliner Linkspartei, Tobias Schulze, wirbt deswegen für zivilgesellschaftliche Unterstützung der Brandenburger Linkspartei in den Verhandlungen mit dem Koalitionspartner SPD. Die gibt es: Das Bündnis gegen das neue Brandenburger Polizeigesetz, dem mehr als 50 Organisationen, Initiativen und mehrere Kreisverbände der Linkspartei angehören, mobilisiert mit Demonstrationen, Aktionen und einer Petition gegen das Gesetz.

Maren Schulze, eine Vertreterin des Bündnisses, ist überzeugt, dass die Glaubwürdigkeit der Linken in Brandenburg massiv Schaden nehmen werde, wenn die Fraktion die Polizeigesetzverschärfungen mitbeschließen sollte. Die Linke lasse sich von ihrem Koalitionspartner SPD auf der Nase herumtanzen, sagt sie gegenüber netzpolitik.org. Das Bündnis versuche jetzt, an das Gewissen der Abgeordneten zu appellieren und fordere die Abgeordneten auf, „sich für Menschen- und Bürgerrechte und rechtsstaatliche Prinzipien einzusetzen“. Für den 2. März plant das Bündnis einen prominent besetzten „außerparlamentarischen Innenauschuss“, eine Aktion um den Druck weiter zu erhöhen.

Das Ergebnis der Verhandlungen von SPD und Linke wird im März erwartet, dann soll ein überarbeiteter Gesetzentwurf vorliegen. Bereits im September wird in Brandenburg gewählt.

5 Ergänzungen

  1. … Und dann gibt es noch den Freiheit-statt-Angst Termin:

    Donnerstag, 31. Januar 2019, 19.00 Uhr im Robert-Havemann-Saal (Haus der
    Demokratie und Menschenrechte, Greifswalder Str. 4, Berlin, Nähe
    Alexanderplatz)
    Mit
    _PROF. DR. CLEMENS ARZT_ (HWR, Direktor des Forschungsinstitut für
    öffentliche und private Sicherheit und einer der Experten bei der
    Anhörung des Brandenburger Landtags zum Polizeigesetz)
    und
    _ALEXANDER POITZ_ (Mitglied und Kassierer des Landesvorstandes der
    Gewerkschaft der Polizei Brandenburg)
    wollen wir über die polizeilichen Vorzüge und bürgerrechtlichen Probleme
    des Arbeitsbegriffs „Gefährder“, der damit verbundenen „drohenden
    Gefahr“ und dem neuen Brandenburger Polizeigesetz diskutieren.

    1. Meine persönliches Ergebnis aus dem Abend ist:

      – Aufgrund unserer Geschichte haben sich nun GENERATIONEN VON JURISTEN damit beschäftigt, welche VERFASSUNGSRECHTS-PRINZIPIEN wir benötigen, damit wir nicht wieder „falsch abbiegen“, also unser Rechtsstaatsprinzip nicht noch einmal verlieren;

      – In unserer LEGISLATIVE sind doch gerade SEHR VIELE JURISTEN / juristisch ausgebildete Repräsentanten,
      die diese notwendigen Verfassungsrechts-Prinzipien ( Verhältnismäßigkeit: angemessen/geeignet/erforderlich/legitimer Zweck des Eingriffs, Gewaltenteilung, Rechtsschutz der Bürger gegen polizeiliche Maßnahmen, Trennung Geheimdienst/Polizei, Trennung Polzeirecht[VOR Tatverdacht] von Strafprozessrecht[NACH Tatverdacht], Richter-Vorbehalt, … ) nicht nur verinnerlicht, sondern auch in gesetzlich ausmultiplizierter Form studiert haben müssten;

      – Warum muss denn dann der Deutsche Anwaltverein in seiner Stellungnahme (2) zum Brandenburgischen Polizeigesetz schreiben:

      „Schwerste Grundrechtseingriffe wie strafbewehrte Aufenthalts- und Kontaktverbote, Datenerhebung durch Eingriffe in informationstechnische Systeme und letztlich Freiheitsentziehung sind bei einer lediglich drohenden Gefahr(1) VERFASSUNGSRECHTLICH nicht zu rechtfertigen.“ ?

      (1): (BVerfG, Urt. V. 20. April 2016; … und was soll eigentlich eine „nicht-drohende Gefahr“ sein … ?)
      (2) https://anwaltverein.de/de/newsroom/sn-54-18-verschaerfung-des-polizeigesetzes-brandenburg?file=files/anwaltverein.de/downloads/newsroom/stellungnahmen/2018/dav-sn-54-18.pdf

      Sprechen wir zu wenig über unsere Verfassungsrechts-Prinzipien ( und WARUM wir diese gefunden haben ! … ) in den Parlamenten ?,
      LADEN WIR ZU VIEL VERANTWORTUNG AUF DEN EINZELNEN HANDELNDEN POLIZISTEN,
      WEIL DIE LEGISLATIVE SCHLECHTE GESETZE MACHT, obwohl so viele Parlamentarier Juristen sind ??

  2. ‚…Grundrechtseingriffe wie polizeilichen Wohnungseinbruch…‘ Also entweder juristisch korrekt formulieren oder weglassen. Aber das war nix.

    1. Hey Prol3t, stimmt, wenn man juristisch schreibt, müsste es heißen „Grundrechtseingriffe wie die heimliche Wohnungsdurchsuchung“.

      Ich schreibe in diesem Text überspitzt „polizeilicher Wohnungseinbruch“, um die besondere Eingriffsintensität herauszustellen. Da das Betreten und die Durchsuchung der Wohnung heimlich erfolgen, sind die Folgen für die Betroffenen ähnlich zu denen eines Einbruchs.

      Dazu steht im Gesetzentwurf: „Das Betreten und die Durchsuchung der Wohnung [sind] geheim zu halten, diese Vorfeldmaßnahmen müssen daher zwingend verdeckt erfolgen.“

      Einige Sachverständige, darunter Fredrik Roggan, kritisieren das. Roggan schreibt, dass nach dem derzeitigen Gesetzentwurf die Maßnahme „auch zur Nachtzeit bei schlafenden Wohnungsinhabern (vgl. § 23 Abs. 2 BbgPolG-E) zulässig“ ist.

  3. Danke für den Link zur Analyse des Hessischen Rundfunks,
    https://www.hr-inforadio.de/programm/das-thema/stigma-straftaeter-politisch-links-motiviert,datenbanken-100.html
    der aufzeigt, wie groß natürlich die Versuchung ist (Polizeirechte: Verantwortung des einzelnen Polizisten),
    => und dass es doch vernünftige Möglichkeiten gibt, Missbrauch einzuschränken
    [ „… Datenschützerin Barbara Dembowski verspricht sich viel davon [ verstärkt anlassunabhängige Stichprobenkontrollen durchzuführen ], „weil allein der Druck, dass ein Beamter damit rechnen muss, ich könnte gefragt werden, was ich denn da für eine Abfrage gemacht habe, könnte einen Menge von diesen Dingen verhindern“.“]

    Also brauchen wir zwei Verbesserungen:
    1. Die Legislative muss viel ! besser darin werden, selbstverständlichstes Verfassungsrecht zu beachten
    – das bleibt meine größte Enttäuschung: uns Bürger im Parlament vertretende ausgebildete Juristen, die unsere Verfassungsgrundwerte abschaffen ! – ,
    2. und zusätzlich: für (!) die Polizei müssen absichernde wirksame Kontrollen eingerichtet werden.
    Ich hoffe, in Berlin bekommen wir in diesem Jahr den geplanten unabhängigen Bürgerbeauftragten !

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.