NPP 168: Wenn Männer stalken, drohen und abhören

Immer häufiger fragen Frauen in Beratungsstellen an, wie sie sich gegen Spionage, Online-Stalking und andere Formen von digitaler Gewalt wehren können. Wir sprechen mit Anne Roth, Netzpolitik-Expertin der Linksfraktion, und Ans Hartmann vom Dachverband der Frauenberatungsstellen über Ladekabel mit Abhörfunktion und Polizist*innen, die kein Twitter kennen.

Frau mit Handy am Bahnsteig
Irgendwie weiß er immer, wo du bist und mit wem du gesprochen hast? Auch in Deutschland nutzen viele Spy-Apps, um Partnerinnen auszuspähen. – Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch unsplash.com Daria Nepriakhina

„Handys sind eine Schatzgrube. Wenn Sie das Handy Ihrer Freundin mit einer Spion-App überwachen, werden Sie alles über sie wissen und das auch ohne erwischt zu werden.“ Mit solchen Sätzen wirbt der Hersteller einer beliebten Spionage-App online für sein Produkt. Etwa 30 Euro im Monat kostet es, dann kann ein Freund oder Ex-Freund alle E-Mails und WhatsApp-Nachrichten mitlesen, die seine Partnerin schreibt, ihre Fotos sehen, ihren Standort verfolgen oder auch, was sie eigentlich auf Snapchat, Tinder oder Skype macht. Die Frau selbst bekommt das erst mal nicht mit.

So ein Eingriff in die Privatsphäre einer anderen Person ist extrem und doch ist das kein Einzelfall mehr. Wie Recherchen der Redaktion Motherboard ergeben haben, nutzen auch in Deutschland Tausende solche Apps. Eine Umfrage unter Frauenberatungsstellen aus dem vergangenen Jahr zeigt, dass es auch dort längst zum Alltag gehört: Frauen, die mit Hilfe von Handys ausspioniert werden, deren Partner sich die Passwörter zu ihren Accounts und Geräten aushändigen lassen, und bei Widerstand damit drohen, intime Bilder zu veröffentlichen.

Digitale Gewalt ist der Begriff, den Aktivist*innen und Fachleute in der vergangenen Zeit dafür geprägt haben: die Fortsetzung von Gewalt gegen Frauen mit technischen Mitteln. Das Ausspähen und Erpressen der Partnerin gehört dazu, ist aber nur ein Aspekt. Gruppen auf Reddit tauschen sich über die besten Techniken aus, um das Gesicht von ihnen unbekannten Frauen auf den Körper von Pornodarstellerinnen zu montieren. Andere verabreden sich in Foren zu Hass-Kampagnen gegen einzelne Frauen auf Twitter, veröffentlichen die Adressen von Politikerinnen und Feministinnen, oder schicken ungefragt Aufnahmen ihres Penis im Chat zu.

Ja, von solchen Angriffen sind auch Männer betroffen, sagt Ans Hartmann, die beim Bundesverband der Frauenberatungsstellen (bff) das Thema Digitale Gewalt betreut. Sie werden allerdings selten aufgrund ihrer Geschlechtsidentität angegriffen, Frauen dagegen schon. Geschlechtsspezifische Gewalt nennt man das. Sie ist an sich nichts Neues, aber seit unser Alltag digitaler geworden ist, erstreckt sie sich nun auch in diese Bereiche.

Anne Roth ist Referentin für Netzpolitik bei der Linkenfraktion im Bundestag. Sie hat vergangenes Jahr eine Anfrage der Fraktion zum Thema begleitet und auf dem Congress des Chaos Computer Clubs einen aufsehenerregenden Vortrag dazu gehalten. Gemeinsam mit ihr und Ans Hartmann sprechen wir über die Frage, warum dieses Thema in Deutschland bisher so wenig Aufmerksamkeit bekommt, warum man Spionage-Apps nicht einfach verbieten kann (und so ein Verbot auch wenig bringen würde), warum es mehr Menschen mit Technik-Ahnung in den Beratungsstellen bräuchte und an welchen weiteren Stellen Geld, Studien und ganz schlicht guter Wille fehlen.


Wie immer könnt ihr den Podcast auch als OGG-Datei herunterladen.

Shownotes

6 Ergänzungen

  1. Ich finde diese Formulierung nicht sehr verständlich:
    „Ja, von solchen Angriffen sind auch Männer betroffen, sagt Hartmann, die beim Bundesverband der Frauenberatungsstellen (bff) das Thema Digitale Gewalt betreut. Sie sind aber nicht betroffen, weil sie Männer sind.“

    Ist damit gemeint, dass es solche Angriffe auch gegen Männer gibt, die jedoch nicht _emotional_ davon betroffen sind (weil sie Männer sind)?

    Anders würde die Stelle für mich wenig Sinn ergeben und auch die Überschrift würde dann nicht ganz passen finde ich.

    Außerdem würde mich interessieren wer aus welchen Gründen darauf kommt dass Männer nicht gestalked und von Partnerinnen überwacht und kontrolliert werden. Nicht nur habe ich das am eigenen Leib erfahren, sondern auch einige meiner männlichen Freunde berichten ab und an davon.

    Diesen Punkt sollte man weiter ausarbeiten und Ggf. herausarbeiten was die geschlechterspezifischen Unterschiede (in der Täter-/Opferrolle) jeweils sind um das deutlicher darzustellen.

    1. Vielen Dank für die Anmerkung und die Nachfrage. Zur Anmerkung: Gemeint ist hier, dass Frauen explizit angegriffen werden, WEIL sie Frauen sind, Männer dagegen aus anderen Gründen. Es ist nicht gemeint, dass Männer weniger betroffen wären im Sinne von weniger verletzt. Das leitet dann auch über zu deiner Frage. Erst mal eine Nachfrage dazu, bevor ich ausführlich antworte. Hast du den Podcast schon gehört? Die Antwort ist nämlich darin schon enthalten.

      1. Entschuldigung, ich habe den Podcast nicht gehört und damit vmtl vorschnell meine Ergänzung gepostet – mea culpa…

        Danke für die Klarstellung!

        Ich kenne das tatsächlich als Mann, gestalked zu werden, obwohl ich davon lediglich genervt war und nicht verängstigt. Ich denke das liegt an der sehr unterschiedlichen Wahrnehmung der Geschlechter, was auch immer wieder auftaucht wenn es z.B. in der Stadtplanung um dunkle Tunnel geht.

        Ein Grund den ich sehe wenn es darum geht das Männer mehr abhören/überwachen, ist deren größere Technik-Affinität (die sich vielleicht auch nur aus der Sozialisierung ergibt).

        1. Das ist sicher ein Faktor. Dass Männer tendenziell eher die Geräte im Haushalt einrichten (Router, Telefone), ist Teil des Problems. Insofern ist der Ansatz reclaim your tech und die Vermittlung vom Technik-Wissen in der Prävention auch wichtig. Wenn ein Partner oder Ex-Partner allerdings mit anderen Mitteln Druck ausübt, nützt es auch nichts, wenn man weiß, dass man Passwörter nicht aushändigen und Telefone sperren sollte.

  2. Ein kleiner Umstand wird hier nicht erwähnt.

    „In Anbetracht dieser massiven psychischen und sozialen Beeinträchtigungen verwundert es nicht, dass die meisten Opfer obsessiver Verfolgung (95 %) irgend etwas gegen das Stalking unternehmen. Nur etwa 20 % wenden sich allerdings an die Polizei (35 % der Frauen und nur 10 % der Männer). Gut 10 % suchen einen Rechtsanwalt auf, 25 % gehen zum Arzt und über 40 % suchen professionelle therapeutische Beratung oder Behandlung (Stadler u. a., 2005; Wondrak u. a., 2006). „

    https://www.kriminalpolizei.de/downloads/kripo207.pdf

    Leider ist auch in diesem vorbildlichen Aufsatz „irgend etwas“, das gegen „Täter“ unternommen wird, nicht genauer untersucht.

    Helfen sich Betroffene nicht häufig selbst, indem sie straffällig werden? Das würde erklären warum sich so viele Täter/innen selbst als Opfer sehen.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.