Gesichtserkennung stoppenNeue Kampagne gegen Gesichtserkennung gestartet

Die Kampagne „Gesichtserkennung stoppen“ fordert ein Verbot von automatischer Gesichtserkennung in der Öffentlichkeit. Laut Initiatoren hat die Technik das Potential die Demokratie ernsthaft zu gefährden, da sie Menschen das Gefühl gibt, ständig unter Beobachtung zu stehen.

Aktion gegen Videoüberwachung am Bahnhof Südkreuz in Berlin CC-BY 2.0 Endstation Jetzt

Heute startet die neue Kampagne „Gesichtserkennung stoppen“ der Initiative Digitale Freiheit. Sie richtet sich gegen den Ausbau von automatisierter Gesichtserkennung zur Massenüberwachung – und fordert ein Verbot von automatischer Gesichtserkennung durch staatliche Behörden. Der Initiative haben sich bis jetzt der CCC und der Verein Digitale Gesellschaft angeschlossen.

Im Aufruf der Kampagne heißt es: „Obwohl seit Jahren die Kriminalitätsrate und die Zahl der Todesopfer durch Terroranschläge sinkt, fordern Politiker*innen beständig den Ausbau von Massenüberwachung.“ Testprojekte wie die mit Gesichtserkennung ausgerüstete Videoüberwachung am Berliner Südkreuz seien im Trend, würden jedoch außer gefühlter Sicherheit wenig Konkretes bringen.

Als Beispiel für ein Verbot staatlicher Gesichtserkennung führt die Kampagne die Stadt San Francisco an. Dort wurde die Technik mit Hinweis auf die Gefahren, die von ihr ausgehen, bereits verboten. Außerdem verpflichtet die Verordnung in San Francisco zur jährlichen Evaluation aller eingesetzten Überwachungstechnik.

Falscherkennung und Diskriminierung

Die Initiatoren von „Gesichtserkennung stoppen“ führen mehrere Kritikpunkte an, weshalb die Nutzung von Gesichtserkennung ihrer Ansicht nach Gefahren birgt. Zum einen sei die Technik unabhängig von ideologischen oder ethischen Aspekten sehr fehleranfällig. Bei dem Test am Südkreuz sei jede 200. Person fälschlicherweise als „gesucht“ markiert worden. In der Realität würde die Menge an Fehlalarmen die Polizei schlicht überlasten, abgesehen von den negativen Folgen für die Betroffenen.

Auch sei es relativ einfach der Gesichtserkennung zu entgehen, indem das Gesicht teilweise bedeckt wird oder der Kopf leicht gedreht. Kriminellen sei mit der Technik also momentan sowieso nicht beizukommen. Stattdessen werden überwiegend People of Colour, Frauen und Kinder diskriminiert, da die System zur Erkennung überwiegend mit den Gesichtern weißer Männer trainiert werden. Eine Falscherkennung sei bei solchen Personen deshalb sehr viel wahrscheinlicher.

Statt Gesichtserkennung sollte der Staat auf Alternativen setzten: Zur Verhinderung von Terroranschlägen sollten laut Digitale Freiheit besser Präventions- und Aussteigerprogramme finanziert und durchgeführt werden.

Gefahr für Freiheitsrechte und Missbrauchspotential

Die Initiative sieht in der fortschreitenden Verbreitung von Gesichtserkennung auch eine Gefahr für die Demokratie. Würde die Technik perfekt funktionieren, könnten Bewegungsprofile erstellt werden und viele tausend Menschen anlasslos gleichzeitig überwacht werden. Durch diesen ständigen Druck würden Bürger:innen in ihrer freien Entfaltung behindert und von politischer Partizipation abgeschreckt werden. Durch den großflächigen Einsatz von automatisierter Gesichtserkennung würden Millionen unbescholtener Bürger:innen in ihrem Verhalten kontrolliert. Dies steht in keinem Verhältnis zu einem wie auch immer gearteten kriminologischen Nutzen.

Gerade in diesem Zusammenhang warnen die Initiatoren vor dem enormen Missbrauchspotential der Technik. Die Geschichte Deutschlands zeige, wie ein ausufernder Überwachungsstaat dazu benutzt werden könne gesellschaftliches und politisches Engagement von Bürger:innen zu kriminalisieren und zu verfolgen. Deshalb fordert die Kampagne keine Infrastruktur aufzubauen, die dazu geeignet ist, die gesamte Bevölkerung zu kontrollieren.

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2 Ergänzungen

  1. Warum die Einschränkung? Was glaubt man denn in Naivistan so, wozu der Zwang dient, biometrische Gesichtsbilder beim Zwangsausweis abzugeben und demnächst auch die Fingerabdrücke? Das dient der Gesichtserkennung. Natürlich in der Öffentlichkeit. Wo auch sonst? Gegen Gesichtserkennung vorzugehen heißt deshlab auch unumgänglich gegen den Ausweiszwang, den Zwangs zu biometrischen Bildern und überhaupt zu Bildern in Ausweisen und natürlich gegen Zwangs-Fingerabdrücke in Ausweisen vorzugehen, weil das am Ende alles das Selbe ist.

    Gesichtserkennung wird nur MIT SICHERHEIT UND NACHPRÜFBAR verhindert, wenn es keine Überwachungskameras mehr gibt. Weil woher wollen wir denn wissen, dass hinter einer Überwachungskamera keine Gesichtserkennungssoftware steckt? Oder dass die Bilder einer Überwachungskamera nicht ausgelesen werden und sonstwo mit einer Software zur Gesichtserkennung verarbeitet?

    Der Schutz der Privatsphäre ist nicht erst mit der Verarbeitung vernichtet, sondern mit der Aufnahme.

  2. Mich würde ja sehr interessieren inwieweit diese Art personenbezogene Daten aufzunehmen, zu speichern und weiterzuverarbeiten in Übereinstimmung mit der Datenschutzgrundverordnung stehen kann.
    Ohne dem Einverständnis der Person dürfen doch weder Bilder noch zugehörige Daten, wie Namen, gespeichert werden.
    Auf welche Art wird dies begründet und versucht zu rechtfertigen?
    Letztendlich sind bei diesen Datenerfassungen und -verarbeitungen neben staatlichen immer auch private Unternehmen beteiligt. Die Daten werden hier freizügig und illegal ausgetauscht, oder?
    Damit ist die DSGVO – mit der sich so viele kleine Vereine und Organisationen beschäftigen müssen – obsolet.
    Die Kleinen dürfen sich mit solchen Vorgaben beschäftigen und die großen Player machen einfach was sie wollen.

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