Google warnt EU-Staaten vor neuen Digitalsteuern

Google leistet ein Lippenbekenntnis zur fairen Besteuerung von Digitalkonzernen auf globaler Ebene. Zugleich warnt der Silicon-Valley-Gigant einzelne Staaten davor, dies auch in die Tat umzusetzen. Der Datenkonzern übt sich im Teilen und Herrschen.

Mensch vor einem Fenster
Die gigantischen Profite von Internetkonzernen landen nur zum geringen Teil beim Fiskus, sondern meist bei anonymen Investoren. – Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch unsplash.com Xopher Wallace

Google baut in seinem Widerstand gegen eine höhere Steuerlast in Europa eine neue Verteidigungslinie auf. Der Konzern spricht sich nun grundsätzlich für eine Reform des globalen Systems der Unternehmensbesteuerung aus, warnt aber zugleich vor Digitalsteuern, wie sie derzeit europäische Staaten wie Großbritannien und Frankreich einführen.

Pläne für eine EU-weite Digitalsteuer haben die europäischen Staaten erst vor Kurzem auf Eis gelegt. Deutschland agierte dabei unter Führung von Finanzminister Olaf Scholz als Bremser. Nicht zuletzt weil die deutsche Industrie sich wünscht, in Zukunft ebenfalls das Geschäftsmodell Daten für sich nutzen zu können.

Konzerne wie Google und Facebook zahlen in Europa deutlich weniger Steuern als andere Firmen. Die EU-Kommission schätzt, dass Digitalfirmen im Schnitt nur einem Steuersatz von 9,5 Prozent unterliegen, im Vergleich zu 23,2 Prozent für herkömmliche Geschäftsmodelle. Das liegt daran, dass sie – im Gegensatz zu konventionellen Firmen – in den meisten EU-Staaten keine Niederlassung unterhalten. Sie entziehen sich damit der Steuerpflicht. EU-Sitz von Google, Apple, Facebook und Twitter ist Irland, das Konzerne mit niedrigen Firmensteuern lockt.

Die Konzerne arbeiten oft mit fragwürdigen Tricks. Apple wurde wegen seiner illegalen Steuervermeidung in Irland von der EU-Kommission 2016 zu einer Rekord-Nachzahlung von 13 Milliarden Euro verurteilt. Google verschob indes Milliardeneinnahmen aus Europa in das Steuerparadies Bermuda, um dem Fiskus zu entgehen. Wegen solcher Tricks gibt es seit längerem Bestrebungen nicht nur der EU, sondern auch der G20-Staaten und der OECD, Steuervermeidung durch Konzerne einen Riegel vorzuschieben.

Googles Lippenbekenntnis

Google stellt sich nun rhetorisch hinter die Bemühungen, ähnlich wie sich zuletzt Facebook-Chef Mark Zuckerberg für strengere Datenschutzgesetze ausgesprochen hat. „Wir hoffen, dass die Regierungen einen Konsens rund um neue Rahmenbedingungen für faire Besteuerung entwickeln können, um weltweit agierenden Firmen klare Regeln zu geben, die vernünftige Investitionen fördern“, schreibt Google-Manager Karan Bhatia in einem Blogpost.

Zugleich warnt Google einzelne Staaten, eigene Regelungen für Digitalsteuern würden einen Handelskonflikt zwischen Europa und den USA entfachen. „Spezielle Steuern auf eine Handvoll US-Technologiefirmen würden wenig mehr erreichen, als Steuern zu beanspruchen, die derzeit in den USA bezahlt werden müssen, und steigern damit Spannungen in Handelsfragen“, schreibt Bhatia.

Der Konzern fährt mit seiner neuen Positionierung eine clevere Teilen-und-Herrschen-Strategie. Denn selbst eine grundsätzliche Einigung auf globaler Ebene, sei es unter den großen Wirtschaftsmächten im Rahmen der G20-Staaten oder der OECD, dem Verbund der Industriestaaten, wird vermutlich sehr lange dauern und nur einen sehr losen rechtlichen Rahmen schaffen. Das liegt schon allein daran, dass die USA eine Besteuerung seiner Digitalkonzerne außerhalb des eigenen Landes verhindern möchte. Google kostet sein Lippenbekenntnis zu einer fairen Besteuerung erstmal nichts. Es wäre indes an der Zeit, den Konzern mit einer echten EU-Digitalsteuer zur Kasse zu bitten.

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3 Ergänzungen

  1. Wenn Alphabet Inc. (aka Google) sich bemüßigt sieht, „Warnungen“ gegen Digitalsteuern auszusprechen, dann ist dies ein Indiz dafür, dass ebensolche Digitalsteuern exakt DAS wirksame Instrument wäre, um einerseits dreistem Steuervermeidungsverhalten globaler Internet-Konzerne entgegenzuwirken, und andererseits abhanden gekommene Steuerungshebel wiederherzustellen.

    Jetzt gilt es, unsere Politiker gegen die Kassandra-Rufe US-basierter Lobbyisten zu immunisieren. Wer globale Tech-Konzerne et al. gewähren lässt, schädigt unser Gemeinwohl und damit die Zukunft dieser und folgender Generationen.

  2. Wenn man über all die Jahre ohne geringste Not nahezu die gesamte IT Infrastruktur aus der Hand gibt bzw. keinerlei Ambitionen zeigt, selbst eine aufzubauen, der wird dann eben von den Monopolisten an der Nase durch die Manege gezogen. Gäbe es beispielsweise EU Alternativen zu den gängigsten Plattformen, würde solche Drohungen ins Leere gehen und man könnte sich etwas zurücklehnen und die Konzerne fragen: „Was ist es euch Wert, im EU Markt präsent zu sein?“ Diese Unternehmen leben ohnehin ausschließlich durch den Content der User und dem kann es am Ende egal sein, auf welcher Plattform das Material abgerufen werden kann, solange es keine Zensur oder künstliche Blockaden gibt. Und obwohl es letzteres bereits gibt, werden die Plattformen dennoch genutzt, weil sie „alle benutzen“, weil es ja keine (dezentrale) Alternative gibt und da wären wir schon wieder am Anfang meines Posts.

    1. Alleine die EU sitzt hier jedoch bereits an einem langen Hebel, denn hier sitzen bereits einige (potenzielle und bestehende) Kunden, welche die Tech-Giganten auf keinen Fall verlieren wollen.

      Apple, Amazon, Google, Microsoft usw. haben alle ein Interesse daran, weiter am EU-Markt teilnehmen zu dürfen – selbst wenn sie in den USA vielleicht mehr Marktanteile besitzen.

      Mal angenommen Dienste wie die Google Suche würde man abschalten, es würde nicht lange dauern bis jemand diese Nische füllt, wenn nicht gar bestehende Angebote als (gewöhnungsbedürftige, aber nicht unbedingt schlechte) Alternative ausreichen.

      Diese Drohung mit Handelskrieg usw. wird für die USA noch böse enden, sie mussten bereits jetzt böse schlucken, als sie erfuhren, dass die EU auch mit anderen Staaten gerne handelt (https://www.handelsblatt.com/politik/international/rueckschlag-fuer-die-usa-eu-schliesst-freihandelsverhandlungen-mit-suedamerikanischen-staaten-ab/24507322.html).

      Ich nehme mal stark an, dass auch Handel mit China mehr Spaß macht, das mit seinem „Belt and Road“ Projekt sowieso seine Marktanteile und Beziehungen in- und zur EU weiter stärken wird. Und das viel intelligenter als die USA – immerhin war es auch die Chinesen, von welchen der Vorschlag einer globalen Digitalsteuer kam.

      Es bleibt weiter äußerst spannend.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.