Fusion-Festival: Polizeipräsident bereitet Einsatz mit 1000 Polizist:innen vor

Der Streit um das Fusion-Festival schlägt weiter Wellen. Auf einer Pressekonferenz am Dienstag in Neubrandenburg beharrte die Polizei auf einer Wache auf dem Gelände, ließ aber offen, ob dies Bedingung für die Genehmigung des Festivals sei. Unterdessen erreicht das Thema auch die re:publica.

Auch auf der re:publica wird über das Fusion-Festival und die Polizei diskutiert. Rechts im Bild: Martin Eulenhaupt vom Kulturkosmos e.V.

Die Positionen sind klar: Der Polizeipräsident von Neubrandenburg will eine Polizeiwache mitten auf dem Festivalgelände und eine anlasslose Bestreifung des Areals. Die Veranstalter vom Kulturkosmos e.V. lehnen das als unverhältnismäßig ab und verweisen auf 20 Jahre Festival ohne größere Probleme. Sie bieten eine Polizeiwache außerhalb des Zauns als Kompromiss an.

Gegen die Pläne der Polizei wehrt sich das Festival seit dem Wochenende mit einer Info-Seite und einer Petition, die schon knapp 90.000 Mal unterschrieben wurde. Erstmals suchen die Veranstalter auch die mediale Öffentlichkeit: ein Novum in der Geschichte der Fusion.

Der Fall löste eine bundesweite Debatte um die Freiheit der Kunst und die Befugnisse der Polizei auf Kulturveranstaltungen aus. Das Festival erhält Solidaritätsbekundungen aus den unterschiedlichsten Ecken, von grünen und linken Bundestagsabgeordneten über den lokalen FDP-Verband bis hin zu Unternehmen wie der Schweriner Messe und Veranstaltungs GmbH. Das Festival, das eines der größten alternativen Kulturevents Europas ist, gilt als besonders friedlich und hat eine liberale, aber effektive Sicherheitsstruktur.

Gestern rief nun der Polizeipräsident Nils Hoffmann-Ritterbusch zusammen mit dem Landrat Heiko Kärger zu einer kurzfristig anberaumten Pressekonferenz (Audio-Mitschnitt) ins beschauliche Neubrandenburg. Anwesend waren auch die Vertreter:innen der zuständigen Ordnungsämter.

Knackpunkt: Polizeiwache auf dem Gelände

Pressekonferenz in Neubrandenburg. Rechts im Bild: Polizeipräsident Nils Hoffmann-Ritterbusch

Anfangs betonten die Vertreter des zuständigen Ordnungsamtes Röbel-Müritz, des Landkreises und des Polizeipräsidiums, dass ihnen die Zukunft des Festivals am Herzen liege, sie aber eine deutlich verbesserte Sicherheit erwarteten. Hierzu müsse der Veranstalter der Fusion auch eine ganze Reihe von Sicherheitsanforderungen erfüllen, die ihm das zuständige Ordnungsamt auferlegt hat. Stichtag für die Vorlage eines tragfähigen Konzeptes ist der 16. Mai. Nach diesem Termin wird in den Ämtern über die Fusion entschieden.

Hoffmann-Ritterbusch beharrte in der Pressekonferenz weiter auf einer Polizeistation mitten auf dem Gelände, ließ aber auf Nachfragen des Norddeutschen Rundfunk und von netzpolitik.org durchscheinen, dass es auch an diesem Punkt noch Verhandlungsspielraum gebe. Die Tür zur Lösung des Konfliktes ist damit nun zumindest einen Spalt offen.

Polizei organisiert Infrastruktur für mehr als 1.000 Beamte

Die Auseinandersetzung mit dem Fusion-Festival hatte sich in den vergangenen Wochen zugespitzt. Nach Informationen von netzpolitik.org plant der Polizeipräsident, etwa 1000 Polizeibeamt:innen einzusetzen. Für diese Anzahl von Personen ist die Polizei im Umland des Festivals auf der Suche nach Unterkünften und Versorgungsmöglichkeiten. Auf der Pressekonferenz von netzpolitik.org darauf angesprochen, mochte Hoffmann-Ritterbusch diese Zahl nicht dementieren, machte die endgültig eingesetzte Anzahl der Beamt:innen aber vom weiteren Verlauf der Verhandlungen und der Kooperationsbereitschaft der Veranstalter abhängig. In den vergangenen Jahren setzte die Polizei nur zwischen 90 und 250 Beamt:innen pro Tag bei der Fusion ein.

Der Bürgerrechtler und Richter am Landgericht Berlin, Ulf Buermeyer, warnte auf Twitter vor dem Großeinsatz: „Meine Sorge: Wer eine solche Streitmacht zusammenzieht, der braucht geradezu die Eskalation, weil sich sonst der Einsatz von mehreren 100.000 Euro Steuergeldern kaum erklären lässt. Das lässt nichts Gutes für die Fusion ahnen – wohlgemerkt eine bisher problemlose Veranstaltung.“

Fusion auch auf der re:publica Thema

Das Thema Fusion ist unterdessen auch auf der re:publica angekommen. In ihren Vorträgen thematisierten unter anderem Markus Beckedahl und Frank Rieger den Konflikt und warnten vor den Plänen der Polizei. Im Live-Podcast der „Lage der Nation“ trat spontan Kulturkosmos-Vorsitzender Martin Eulenhaupt auf und erklärte zusammen mit CCC-Sprecher Linus Neumann die aktuelle Situation. Der Chaos Computer Club ist eine von 200 Unterstützergruppen, die zum Festival beitragen.

Am heutigen Mittwoch wenden sich die Veranstalter der Fusion mit einer Pressekonferenz im Berliner Gorki-Theater an die Öffentlichkeit. Diese soll um 14:30 Uhr live gestreamt werden.

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8 Ergänzungen

  1. Anzumerken, dass die handelnden in Polizei und Landratsamt zur CDU gehoeren, und die unbedingt „linksextreme“ Vorkommnisse brauchen, um ihre Hufeisentheorie zu halten und das laxe Umgehen mit rechtsradikalen zu verteidigen. Sind ja bald Landtagswahlen, da muss man mobilisieren…

  2. Auf der einen Seite sind die Begründungen für das Großaufgebot sehr fadenscheinig, weil es ja bisher sehr friedlich ohne viel Polizei zuging.

    Auf der anderen Seite finde ich es ganz gut, denn so lernen die jungen, friedlichen Menschen auch, dass der Staat eben nicht nur ihr Wohl im Blick hat, sondern kontrollieren möchte wie sie sich verhalten sollen.
    Es mag zu viel Spekulation sein zu behaupten dass der Großteil der Besucher Hedonisten seien, va. weil sie sich ja auch ehrenamtlich engagieren und ich kaum jemanden davon kenne. Aber für diejenigen auf die das zutrifft, könnte es auch der überfällige Weckruf sein um zu sehen, wie „frei“ man sich in Deutschland wirklich geben darf.

    Die Frage dahinter ist eine Frage der Generationen und die Frage danach, in welchem „Deutschland“ oder „Europa“ wir leben wollen.

    Freiheit & Offenheit & Eigenverantwortung VS Repression & Zensur & Kontrolle

    1. Obwohl ich jeden Tag im Internet stöhne hört es einfach nicht auf, doch es liegt partout nicht an mir.

      „Auf der anderen Seite finde ich es ganz gut, denn so lernen die jungen, friedlichen Menschen auch, dass der Staat eben nicht nur ihr Wohl im Blick hat, sondern kontrollieren möchte wie sie sich verhalten sollen.
      Es mag zu viel Spekulation sein zu behaupten dass der Großteil der Besucher Hedonisten seien, va. weil sie sich ja auch ehrenamtlich engagieren und ich kaum jemanden davon kenne. Aber für diejenigen auf die das zutrifft, könnte es auch der überfällige Weckruf sein um zu sehen, wie „frei“ man sich in Deutschland wirklich geben darf.“

      Haben Sie sich jemals die Beschreibung des Festivals auf der offiziellen Webseite durchgelesen? Nee, haben Sie nicht. Aber Sie äußern sich ohne es getan zu haben. Das Leben ist viel zu kurz, was?

      Hier, extra für Sie:
      „Fernab des Alltags entsteht für vier Tage eine Parallelgesellschaft der ganz speziellen Art. Im kollektiven Ausnahmezustand entfaltet sich an einem Ort ohne Zeit ein Karneval der Sinne, indem sich für uns alle die Sehnsucht nach einer besseren Welt spiegelt.“

      Die Menschen auf der Fusion haben keine Lust mehr auf die kranke Welt und brauchen einen Gegenpol. Früher gab es auf der Fusion weder Einkaufsmarkt noch Geldautomat, damals hat man Ferienkommunismus zelebriert, jeder der ne Nationalflagge gezeigt hat wurde verwarnt und wenn er kein Einsehen zeigte vom Festival geschmissen.

      Die Menschen brauchen diesen Ort, um vom ekelhaften Gebahren der Gesellschaft Abstand, gar Urlaub nehmen zu können und Sie(!) wünschen denen, dass ihr bisschen Urlaub den sie von der kranken Welt haben dürfen, noch extra von der kranken Welt belagert wird.

      Es tut so weh den ganzen Tag stöhnen zu müssen und die Leute hören einfach nicht auf, ihre unüberlegten Kommentare abzugeben, man man man man man

  3. „sie aber eine deutlich verbesserte Sicherheit erwarteten.“

    Wie soll diese denn aussehen? Es *ist* bis heute eines der sichersten Festivals überhaupt. Wo soll da was „deutlich“ verbessert werden? Und wie? Durch eine polizeiliche Überwachungsmannschaft mitten auf dem Gelände und unter den Besuchern?
    Das schafft doch erst Unsicherheit, zum einen weil es signalisiert, dass irgendetwas gefährliches vor sich gehen muss, zum anderen weil es Misstrauen unter den Gästen säht.

    Woher kommt überhaupt auf einmal dieses Interesse der Polizei an der Fusion? Es hat sich ja eigentlich zu den Vorjahren nichts verändert, doch plötzlich wird es zum potentiellen Gefahrenherd stilisiert.
    Was soll das?

  4. Seltsam, 20 Jahre verlief alles fast problemlos, auch ohne „verbesserte Sicherheitsauflagen“ und nun sollen 1000 Polizisten mit Polizeiwache auf einem Privatgelände installiert werden. Da erinnert der Begriff Polizeistaat an längst vergangen gedachte Zeiten.

  5. Der geplante Polizeieinsatz passt eindeutig zur rückschrittlichen Politik der letzten zehn Jahre. Es wird immer schlimmer. Das, was einmal in den 60ern/70ern erkämpft wurde, wird sowohl von den Bundes- und Landesregierungen als auch von der EU in kleinen, aber systematisch geplanten Schritten zurückgedrängt! Was bis vor paar Jahren keinen gestört hat, wird mit nichtigen Begründungen („Sicherheit“, „es könnten andere sich gestört fühlen“ usw.) hochstilisiert und zum „Einsatzgrund“ für Ordnungskräfte und Polizei erklärt – und wenn es noch so banal ist. Die Fusion ist nur EIN Beispiel. Von Bayern und anderen Bundesländern ist man es mittlerweile gewohnt, dass z. B. FKK-Badegäste an Seen nicht mehr erwünscht sind und von der Polizei vertrieben werden, aber selbst im angeblich so liberalen Berlin werden am CSD wieder anlasslos Personen kontrolliert und Personalien notiert. Die Technoszene wird mit der Drogenszene gleichgesetzt – um damit wieder ein paar mehr Clubs schliessen zu können. Facebooks Prüderie zieht mittlerweile weite Kreise und dient Herrn Zuckerberg als (ein) Grund für Zensur. Im Volkspark Berlin-Friedrichshain werden an schönen Sommertagen drei harmlose Jugendliche, die paar Beats mitten an einem schönen Sommertag abspielen und die im Straßenlärm kaum zu hören sind, von der Polizei abgeführt – Ruhestörung um 14 Uhr. Das sind nur ein paar Beispiele. Aber sie signalisieren den Trend: Das „freie“ Europa“ ist eine Farce, wie sie schlimmer nicht sein kann! Und damit wir alle nicht dagegen vorgehen können, werden wir bis in den heimischen PC hinein überwacht, immer weiter zensiert und beeinflusst, um der „schönen neuen Welt“ nicht gefährlich werden zu können! Es wird mir keiner erzählen, dass das kein System hat! Oder warum stören sich auf einmal alle an Dingen, die in den 80ern oder 90ern problemlos möglich waren??!!

  6. Es ist bemerkenswert, dass einerseits Ermittlungen wegen Kindesmissbrauchs verschleppt werden (nicht nur in Lügde). Wenn Terroristen wie Anis Amri von Sicherheitsbehörden unbehelligt ihre Attentate vorbereiten und durchführen können. Wenn in Köln der Mob den Bahnhof übernehmen kann. Weil wir angeblich zu wenig Polizisten haben.

    Und andererseits tausende von Polizisten verfügbar sind, wenn Brandschutzvorschriften für Baumhäuser durchgesetzt oder Festivals vor unspezifischen „Gefahren“ „geschützt“ werden müssen.

  7. Sogar ein Berufskollege findet überraschend deutliche Worte in einem offen Brief zu dem Gebaren des Polizeipräsidenten Hoffmann-Ritterbusch.

    Und zwar nicht irgendeiner:
    ‚Mit großem Interesse habe ich die vorgenannte Berichterstattung verfolgt. Immerhin war ich bis 2015 und in den Jahren davor für die polizeiliche Begleitung des Festivals verantwortlich, im Jahr 2010 als Leiter der Polizeidirektion Neubrandenburg, ab 2013 als Leiter der Polizeiinspektion Neubrandenburg.‘

    […]

    ‚Einiges spricht dafür, dass Herr Hoffmann-Ritterbusch die Angelegenheit deshalb an sich gezogen hat (normalerweise ist die PI NB zuständig), um in der Öffentlichkeit Aufsehen zu erregen und sich zu profilieren. Es sieht so aus, als wolle er deshalb Einfluss nehmen und seinen Willen um jeden Preis durchsetzen. In fachlicher oder rechtlicher Hinsicht muss sein Ansinnen als völlig überzogen angesehen werden. Die Betroffenen könnten es Gängelei-Versuch verstehen.‘

    https://www.nordkurier.de/mueritz/siegfried-stangs-stellungnahme-zum-fusion-festival-0935444605.html

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