Privacy ShieldEU-Generalanwalt gibt Schrems in Facebook-Fall Recht

Der EU-Generalanwalt schürt erhebliche Zweifel an der Basis für den Datentransfer zwischen Europa und den USA. In seinem Schlussantrag vor dem Europäischen Gerichtshof fordert er die irische Datenschutzbehörde auf, endlich aktiv zu werden.

Überwacht bei facebook?
Wie tief darf die NSA in unser Facebook kucken? – Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch unsplash.com Glen Carrie

Der EU-Generalanwalt Henrik Saugmandsgaard Øe hat sich im Rechtsstreit um den Datenschutz bei Facebook auf die Seite des österreichischen Juristen Max Schrems gestellt. Der Generalanwalt befand heute in seinem Schlussantrag vor dem Europäischen Gerichtshof, dass die irische Datenschutzbehörde handeln müsse, wenn die Standardvertragsklauseln, unter denen Facebook Daten von Nutzer:innen in den USA verarbeitet, mit rechtlichen Verpflichtungen in Drittstaaten in Konflikt stehen. Schrems zeigte sich in einer ersten Reaktion darüber erfreut.

Die EU-Generalanwaltschaft unterstützt den Europäischen Gerichtshof (EuGH) bei seiner Entscheidungsfindung. Ihre Schlussanträge sind rechtlich nicht bindend, haben aber großen Einfluss auf die Urteile des EuGH. Das Urteil folgt meist drei bis sechs Monate nach einem Schlussantrag.

Privacy Shield ist Basis für EU-USA-Datenverkehr

Die Grundlage für den Datenverkehr zwischen USA und EU bietet das Privacy Shield. Es handelt sich um eine Entscheidung der EU-Kommission, das Datenschutzniveau der USA als angemessen für den ungehinderten Datenverkehr zu betrachten. Im Gegenzug gab die US-Regierung überwiegend schwammige Garantien ab, die Massenüberwachung europäischer Nutzer:innen zu beschränken.

Konzerne wie Facebook und Google nutzen Privacy Shield als rechtliche Basis, um Daten von europäischen Nutzer:innen auf Servern in den USA zu speichern und zu verarbeiten.

Der EuGH hatte im Oktober 2015 den Vorgänger Safe Harbour gekippt. Damals klagte der österreichische Jurist Max Schrems wegen der Massenüberwachung durch das Prism-Programm des US-Geheimdienstes NSA. Das EU-Gericht urteilte damals, dass die US-Gesetze die Grundrechte von Europäer:innen nicht ausreichend vor unzulässiger Überwachung schützten. Die damalige Angemessenheitsentscheidung der EU-Kommission wurde damit nichtig.

Die Kommission schob daraufhin 2016 recht rasch Privacy Shield als neuen Rechtsrahmen nach. Trotz der Bedenken von Datenschützern gab die EU-Kommission in ihrer jährlichen Überprüfung vor wenigen Wochen erneut grünes Licht für Privacy Shield.

Neuerliche Klage von Schrems

Schrems und seine Organisation noyb gehen mit ihrer aktuellen Klage nicht direkt gegen Privacy Shield vor. Es geht zwar wieder um Massenüberwachung von Geheimdiensten bei Facebook, doch im Fokus stehen die von Facebook verwendeten Standardvertragsklauseln. Entscheiden mussten zunächst irische Gerichte, da Facebook seinen EU-Sitz in Irland hat. Auf die Klage von Schrems hin legte der irische High Court dem EuGH mehrere Fragen zur Beantwortung vor.

Das irische Gericht fragte nach der Gültigkeit des Mechanismus zur Datenübertragung von Europa in die USA. Der EuGH soll außerdem die Rolle der Datenschutzbehörden beim transatlantischen Datenverkehr klären. Die irische Datenschutzbehörde gilt als betont konzernfreundlich, Datenschützer wie Schrems werfen ihr seit Jahren Untätigkeit gegenüber Firmen wie Facebook und Google vor.

Generalanwalt: Privacy Shield in Zweifel

Der Schlussantrag des EU-Generalanwalts sieht die irische Datenschutzkommission klar in der Verantwortung. Diese müsse den Datentransfer suspendieren oder verbieten, wenn gesetzliche Verpflichtungen in Staaten wie den USA bedeuten, dass Facebook seine Datenschutzverpflichtungen nach den Standardvertragsklauseln nicht einhalten kann.

Der Generalanwalt wollte zu den Standardvertragsklauseln selbst keine Bewertung abgeben. Sein Schlussantrag schürt aber erhebliche Zweifel an der Gültigkeit des Privacy Shields. Das gelte wegen Fragezeichen zum ausreichenden Schutz der Privatsphäre und das Recht auf wirksame Rechtsbehelfe.

Der Generalanwalt hält es zwar nicht für erforderlich, dass der EuGH in seinem Urteil zum Schrems-Fall über Privacy Shield selbst entscheide. Das Urteil könnte aber erhebliche Auswirkungen auf weitere Fälle haben, etwa eine Klage der französischen NGO La Quadrature Du Net gegen Privacy Shield.

Die Privacy-Shield-Entscheidung sei mit dem Schlussantrag des Generalanwalts angezählt, schrieb Estelle Massé von der Grundrechte-NGO Access Now auf Twitter.

Schrems zeigte sich „größtenteils zufrieden“ mit der Entscheidung des Generalanwaltes. Dieser folge den juristischen Argumenten von Schrems und seiner NGO noyb. Der Schlussantrag spiele nun den Ball auch an die irische Datenschutzbehörde, die nun endlich strenger mit Facebook umgehen müsse. „Der Generalanwalt sagt der irischen Datenschutzbehörde erneut, dass sie endlich ihren Job machen soll“, sagte Schrems.

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Eine Ergänzung

  1. Ich hab es gewusst!

    Wir sollten Schrems so dankbar dafür sein, dass er sich aktiv dafür einsetzt – der Herr hat Mut, Verstand und für mich ist er einer der Helden dieses Dystopie-Vorspiels in der wir gerade leben müssen.

    Das es Leute wie ihn gibt macht Hoffnung.

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